centesken Motiv der Eckrustika, dem Sangallo und Raffael
zu neuer Aktualität verholfen hatten, in der Fassade des
Pal. Salviati-Adimari wiederum völlig neue Möglichkeiten
abgewonnen wurden. Indem die Risalitfassade vom Typus
der Pal. dei Tribunali und Fieschi mit dem rustizierten Fas-
sadentypus der Pal. Farnese und Pandolfini vereinigt wurde,
entstand ein neuer Typus, der in Bauten wie Portas Sapienza
seine Nachfolge finden sollte.
Ganz anders die Gartenfront, deren grazile Vielgliedrig-
keit sich zur Platzfassade ähnlich verhält wie der Rundhof
der Villa Madama zur Talfassade (T. 131 a). Ihre Geschoß-
folge entsprach der Superposition zweier Pilasterordnun-
gen: einer dorischen ohne Piedestale, die sich ähnlich wie
im Hof des Pal. dell’Aquila in den Piedestalen einer zier-
licheren (jonischen?) Ordnung fortsetzte (T. 7c). Mit einer
Schafthöhe von 1:8,2 und einem Gebälk von weniger als
zwei Schaftbreiten Höhe war sie wesentlich schlanker als
die Erdgeschoßordnung des Pal. dell’Aquila oder der Villa
Lante. Die zugeordneten Pfeilerarkaden erreichten mit
einem Verhältnis ihrer lichten Maße von 1 : ca. 2,4 nahezu
die gestellten Arkaden der Villa Lante. Wie diese blieben
sie ohne rahmende Archivolten; wie dort waren die Fenster-
ädikulen nur von feinen körperlosen Leisten gerahmt. Das
Obergeschoß sollte eine wesentlich sparsamere Gliederung
erhalten. Der ausgeführte Loggienflügel besaß lediglich an
der Außenecke einen Pilaster. Im übrigen waren die flachen
Sohlbänke der zierlichen Ädikulen durch Gesimse mit dem
Pilasterpiedestal verbunden: Ihre vertikale Axialität
wurde schon in der Sockelzone aufgehoben.
Der horizontale Rhythmus der Gartenfront läßt sich nur
mehr am Grundriß ablesen (T. 131b). Hervorzuheben ist
einmal die Tatsache, daß der gesamte Mittelblock zwischen
den drei Arkaden links und den beiden Blendarkaden rechts
risalitartig vorgezogen war, zum anderen die Asymmetrie,
die sich aus dem kürzeren rechten Seitenflügel von nur zwei
Blendarkaden ergeben hätte; schließlich das äußerst be-
wegte Wandrelief und der komplexe Rhythmus der Joche
und Wandöffnungen. Auch hier scheint eine Konzentrie-
rung der Glieder, eine Stauung der Kräfte zur Fassaden-
mitte hin vorgesehen gewesen zu sein.
Wie das Erdgeschoß der Platzfassade im Pal. Pandolfini
seine nächste Parallele findet, so die Gartenfront in der Tal-
fassade der Villa Madama. An keinem anderen Bau, nicht
einmal am Pal. del Te, wechseln offene und geschlossene,
breite und schmale Joche, zierliche und mächtige Stützen
auf ähnlich vielfältige Weise; an keinem anderen Bau findet
sich eine ähnlich kühne Handhabung der Wandschichten.
Die Zuschreibung an Raffael, die sich zunächst aufgrund
der zahlreichen Parallelen mit gesicherten Bauten Raffaels
anbietet, stößt auf Schwierigkeiten nicht nur chronologi-
scher, sondern auch stilistischer Art. Raffael möchten
wir weder die beklemmend dichte Rustizierung des Portal-
risalites mit seinen übersteilten Öffnungen, noch die vage
Mezzaninzone des Erdgeschosses, noch die relativ unmonu-
mentalen und phantasielosen Ädikulen des Piano Nobile
zumuten. Selbst die Asymmetrie der Gartenfront wäre für
Raffael ungewöhnlich. Sangallo, Sansovino oder Peruzzi
ist die vielschichtige Gliederung der Gartenfront mit ihren
Kühnheiten schon gar nicht zuzutrauen; und Mangone,
Lorenzetti oder andere Meister zweiten Ranges erreichen
in keinem ihrer gesicherten Werke das Niveau des Pal.
Salviati-Adimari. Der wahrscheinlichste Architekt bleibt
zweifellos Giulio Romano, der das Erbe Raffaels durch Will-
kürlichkeiten, Derbheiten und verstärkten Vertikalismus
veränderte, ohne dabei doch seinen Reichtum, seine Kom-
plexheit und seine Antikennähe preiszugeben. Anderer-
seits ist das Detail wesentlich konservativer ausgebildet als
in Giulios gesicherten Erstlingswerken und selbst als in der
Villa Lante von 1520. So muß dieser Vorschlag die einst-
weilen wohl plausibelste aller denkbaren Hypothesen blei-
ben.
21. PAL. CAFFARELLI-VIDONI
Zu den Werken der unmittelbaren Raffaelnachfolge
gehört auch Lorenzettis Fassade des Pal. Caffarelli (um
1524ff.) (T.25,26b-27c). Wie sein Schwager Giulio
Romano greift Lorenzetti über Raffael zurück auf den Pro-
totyp aller Hochrenaissancepaläste, Bramantes Pal. Caprini.
Während der Pal. Stati jedoch einen ganz neuen und eigenen
Stil ankündigt, kommt die Fassade des Pal. Caffarelli ihrem
Vorbild so nahe, daß man sie bestenfalls als eine Variante
bezeichnen möchte. Immerhin geben die Veränderungen
deutlich Raffaels Einfluß zu erkennen.
Mit etwa 301/2 p. und 36 p. sind sogar die Geschoßhöhen
vom Pal. Caprini übernommen. Die ursprüngliche Aus-
dehnung seiner sieben Joche war zwar um insgesamt etwa
30 p. länger, doch mißt das einzelne Joch etwa 1 p. weniger
als am Pal. Caprini. Schon diese Maße sind aufschlußreich
für den Stilwandel des zweiten Jahrzehntes. Trotz der Ver-
längerung auf sieben Joche behält Lorenzetti Bramantes
Geschoßhöhen bei und gibt der Fassade damit ein wesent-
lich gestreckteres Format: Die horizontalen Kräfte werden
verstärkt. Gleichzeitig Verkürzt er die Joche, so daß Säulen
und Ädikulen enger aneinander rücken: Das Flächenrelief
wird verdichtet. Verstärkung der Horizontalen und Ver-
dichtung des Flächenreliefs waren zwei der wesentlichsten
Charakteristika, die es uns erlaubten, Raffaels Architekturen
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zu neuer Aktualität verholfen hatten, in der Fassade des
Pal. Salviati-Adimari wiederum völlig neue Möglichkeiten
abgewonnen wurden. Indem die Risalitfassade vom Typus
der Pal. dei Tribunali und Fieschi mit dem rustizierten Fas-
sadentypus der Pal. Farnese und Pandolfini vereinigt wurde,
entstand ein neuer Typus, der in Bauten wie Portas Sapienza
seine Nachfolge finden sollte.
Ganz anders die Gartenfront, deren grazile Vielgliedrig-
keit sich zur Platzfassade ähnlich verhält wie der Rundhof
der Villa Madama zur Talfassade (T. 131 a). Ihre Geschoß-
folge entsprach der Superposition zweier Pilasterordnun-
gen: einer dorischen ohne Piedestale, die sich ähnlich wie
im Hof des Pal. dell’Aquila in den Piedestalen einer zier-
licheren (jonischen?) Ordnung fortsetzte (T. 7c). Mit einer
Schafthöhe von 1:8,2 und einem Gebälk von weniger als
zwei Schaftbreiten Höhe war sie wesentlich schlanker als
die Erdgeschoßordnung des Pal. dell’Aquila oder der Villa
Lante. Die zugeordneten Pfeilerarkaden erreichten mit
einem Verhältnis ihrer lichten Maße von 1 : ca. 2,4 nahezu
die gestellten Arkaden der Villa Lante. Wie diese blieben
sie ohne rahmende Archivolten; wie dort waren die Fenster-
ädikulen nur von feinen körperlosen Leisten gerahmt. Das
Obergeschoß sollte eine wesentlich sparsamere Gliederung
erhalten. Der ausgeführte Loggienflügel besaß lediglich an
der Außenecke einen Pilaster. Im übrigen waren die flachen
Sohlbänke der zierlichen Ädikulen durch Gesimse mit dem
Pilasterpiedestal verbunden: Ihre vertikale Axialität
wurde schon in der Sockelzone aufgehoben.
Der horizontale Rhythmus der Gartenfront läßt sich nur
mehr am Grundriß ablesen (T. 131b). Hervorzuheben ist
einmal die Tatsache, daß der gesamte Mittelblock zwischen
den drei Arkaden links und den beiden Blendarkaden rechts
risalitartig vorgezogen war, zum anderen die Asymmetrie,
die sich aus dem kürzeren rechten Seitenflügel von nur zwei
Blendarkaden ergeben hätte; schließlich das äußerst be-
wegte Wandrelief und der komplexe Rhythmus der Joche
und Wandöffnungen. Auch hier scheint eine Konzentrie-
rung der Glieder, eine Stauung der Kräfte zur Fassaden-
mitte hin vorgesehen gewesen zu sein.
Wie das Erdgeschoß der Platzfassade im Pal. Pandolfini
seine nächste Parallele findet, so die Gartenfront in der Tal-
fassade der Villa Madama. An keinem anderen Bau, nicht
einmal am Pal. del Te, wechseln offene und geschlossene,
breite und schmale Joche, zierliche und mächtige Stützen
auf ähnlich vielfältige Weise; an keinem anderen Bau findet
sich eine ähnlich kühne Handhabung der Wandschichten.
Die Zuschreibung an Raffael, die sich zunächst aufgrund
der zahlreichen Parallelen mit gesicherten Bauten Raffaels
anbietet, stößt auf Schwierigkeiten nicht nur chronologi-
scher, sondern auch stilistischer Art. Raffael möchten
wir weder die beklemmend dichte Rustizierung des Portal-
risalites mit seinen übersteilten Öffnungen, noch die vage
Mezzaninzone des Erdgeschosses, noch die relativ unmonu-
mentalen und phantasielosen Ädikulen des Piano Nobile
zumuten. Selbst die Asymmetrie der Gartenfront wäre für
Raffael ungewöhnlich. Sangallo, Sansovino oder Peruzzi
ist die vielschichtige Gliederung der Gartenfront mit ihren
Kühnheiten schon gar nicht zuzutrauen; und Mangone,
Lorenzetti oder andere Meister zweiten Ranges erreichen
in keinem ihrer gesicherten Werke das Niveau des Pal.
Salviati-Adimari. Der wahrscheinlichste Architekt bleibt
zweifellos Giulio Romano, der das Erbe Raffaels durch Will-
kürlichkeiten, Derbheiten und verstärkten Vertikalismus
veränderte, ohne dabei doch seinen Reichtum, seine Kom-
plexheit und seine Antikennähe preiszugeben. Anderer-
seits ist das Detail wesentlich konservativer ausgebildet als
in Giulios gesicherten Erstlingswerken und selbst als in der
Villa Lante von 1520. So muß dieser Vorschlag die einst-
weilen wohl plausibelste aller denkbaren Hypothesen blei-
ben.
21. PAL. CAFFARELLI-VIDONI
Zu den Werken der unmittelbaren Raffaelnachfolge
gehört auch Lorenzettis Fassade des Pal. Caffarelli (um
1524ff.) (T.25,26b-27c). Wie sein Schwager Giulio
Romano greift Lorenzetti über Raffael zurück auf den Pro-
totyp aller Hochrenaissancepaläste, Bramantes Pal. Caprini.
Während der Pal. Stati jedoch einen ganz neuen und eigenen
Stil ankündigt, kommt die Fassade des Pal. Caffarelli ihrem
Vorbild so nahe, daß man sie bestenfalls als eine Variante
bezeichnen möchte. Immerhin geben die Veränderungen
deutlich Raffaels Einfluß zu erkennen.
Mit etwa 301/2 p. und 36 p. sind sogar die Geschoßhöhen
vom Pal. Caprini übernommen. Die ursprüngliche Aus-
dehnung seiner sieben Joche war zwar um insgesamt etwa
30 p. länger, doch mißt das einzelne Joch etwa 1 p. weniger
als am Pal. Caprini. Schon diese Maße sind aufschlußreich
für den Stilwandel des zweiten Jahrzehntes. Trotz der Ver-
längerung auf sieben Joche behält Lorenzetti Bramantes
Geschoßhöhen bei und gibt der Fassade damit ein wesent-
lich gestreckteres Format: Die horizontalen Kräfte werden
verstärkt. Gleichzeitig Verkürzt er die Joche, so daß Säulen
und Ädikulen enger aneinander rücken: Das Flächenrelief
wird verdichtet. Verstärkung der Horizontalen und Ver-
dichtung des Flächenreliefs waren zwei der wesentlichsten
Charakteristika, die es uns erlaubten, Raffaels Architekturen
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