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Frommel, Christoph Luitpold
Der Römische Palastbau der Hochrenaissance (Band 1): Text — Tübingen: Wasmuth, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.59325#0154
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eines der Erstlingswerke von Sangallos Mitarbeiter Gio-
vanni Mangone zu erblicken.

38. PAL. ANGELO MASSIMO
Für Mangone gesichert ist die Fassade des Pal. A. Mas-
simo, der um 1533/34, also 10 Jahre nach dem Pal. Baschenis
und etwa gleichzeitig mit Sangallos Haus in Via Giulia, be-
gonnen wurde (T. 100a,102c). Sie stellt eine Übersetzung
der Fassade des Pal. Baschenis in das schlichtere, trockenere
und spannungslosere Idiom der dreißiger Jahre dar. Die
rustizierte Sockelzone wird aufgegeben; die Eckrustika, die
Zwischengesimse, die Ädikulen werden vereinfacht und
vereinheitlicht. Dem Typus des Pal. Gaddi entsprechend
tritt ein niedriges Obergeschoß hinzu. Indem das Erdge-
schoß niedriger gehalten ist, gewinnt das Piano Nobile mit
seiner Mezzaninzone eindeutige Herrschaft über die Fas-
sade,auch wenn seine Fensterrahmen jedeAuszeichnung ent-
behren und ohne Sohlbank auf dem Mäandergesims ruhen.
Mehr noch als an Sangallos Haus in Via Giulia hat die
Eckrustika den Charakter eines Ornamentes angenommen.
Sie verstärkt nicht mehr die Ecken des Palastes, umgreift
nicht mehr den dreidimensionalen Baublock, sondern ver-
zahnt sich symmetrisch nach beiden Seiten. Doch die Brei-
tendifferenz ihrer alternierenden Bossen ist so reduziert, daß
sie nicht in Konflikt mit der Nachbarfassade gerät. Der
geringe Unterschied zwischen den Quadern des Erdge-
schosses und den ein wenig kürzeren, ein wenig glatteren
Quadern des Piano Nobile zeugt ähnlich wie an Sangallos
Haus von einer Tendenz zur Nivellierung der Kontraste.
Im übrigen ist die Formensprache konservativer als an
Sangallos Haus. Die Ädikulen beider Geschosse folgen noch
den gleichen Typen wie jene des Pal.Baldassini. Selbst in
dem Kontakt der äußeren Ädikulen mit der Eckrustika
bekennt sich Mangone zu Sangallo. Findet sich das Mäander-
band vor allem an früheren Sangallobauten, so steht das nur
an seiner Unterseite profilierte obere Gesims dem Pal.
Gaddi näher. Das kanonische Volutenportal ruft Peruzzis
Volutenädikulen in Erinnerung. In all diesen Details tritt
uns Mangone als wenn auch nicht origineller so doch sen-
sibler, sorgfältiger und kenntnisreicher Architekt entgegen,
der die Kraft Sangallos mit der Harmonie und Eleganz
Peruzzis zu verbinden sucht.
Die Bedeutung der Fassade liegt weniger in ihrem künst-
lerischen Rang als in ihrer entwicklungsgeschichtlichen
Stellung. Es ist eine der ersten Fassaden, in denen der neue
Typus Bramantes und der Formenreichtum seiner Nach-
folger auf ein einfaches Schema zurückgeführt werden, das

an die Stelle der bewährten Typen der Zeit vor 1510 treten
kann. Und vergleicht man sie mit älteren Fassaden wie jenen
der Pal. Turci, Girolamo Riario, Falconieri oder della Valle,
so bleibt die bedeutendste Neuerung die Vorherrschaft des
Piano Nobile.
39. PAL. SACCHETTI
Zu Unrecht gilt bis in jüngste Zeit die Fassade des Pal.
Sacchettials charakteristisches Spätwerk Sangallos (T. 121,
122a, c, 124b, d). Vor 1552 umfaßte seine Hauptfront zur
Via G iulia nur fünf Joche, deren Erdgeschoß sich in nack-
ten Bottegen mit Lünettenfenstern öffnete, deren Oberbau
sich auf die Ädikulen und tiefer gelegene Mezzaninfenster
beschränkte und die vielleicht in Teilen des heutigen
Kranzgesimses ihren Abschluß fanden. DieseFassade warin
vieler Hinsicht das Zufallsergebnis der Vereinigung eines
älteren Erdgeschosses mit einem neuen Piano Nobile und
darf daher kaum gleichberechtigt neben Sangallos früheren
Fassaden stehen.
Charakteristisch für Sangallos Spätstil ist einmal die
Sparsamkeit der Mittel, die in den dünnen Gesimsen und
im Verzicht auf eine Eckbetonung des Piano Nobile sogar
noch über sein benachbartes Haus hinausgeht; zum anderen
die Antikennähe der nach oben konvergierenden Ädikulen,
der Kamin- und Portalentwürfe und vielleicht auch des
Kranzgesimses. Vergleicht man die Ädikulen allerdings mit
ihren unmittelbaren Vorgängern am Außenbau der Sala
Ducale (1521 ff.), so bestätigt sich wiederum, daß der Höhe-
punkt von Sangallos Schaffen vor dem Sacco di Roma lag.
Nanni di Baccio Bigios Fassade erinnert in ihrer span-
nungslosen Überhöhung an die gleichzeitige Fassade des
Pal. Salviati alla Lungara. Die mächtigen, dem Pal. Farnese
angeglichenen Marmorädikulen des Erdgeschosses stehen
in einem offenen Mißverhältnis zu den zierlichen Ädikulen
des Piano Nobile. Diese und ihre Mezzaninfenster vermö-
gen die hohe Fläche des Piano Nobile nicht mehr auszufül-
len. Im Obergeschoß bedient sich Nanni dann ähnlich spar-
samer Mittel wie sein einstiger Lehrer. Es bleibt verwunder-
lich, warum gerade dieses unorganische Konglomerat als
repräsentative Fassade der römischen Spätrenaissance in die
Kunstgeschichte eingegangen ist.
40. PAL. CAPODIFERRO-SPADA
Das gleiche Fassadenschema wie der Pal. Angelo Massi-
mo behalten nicht nur kleinere Paläste wie Nanni di Baccio
Bigios (?) Pal. Mattei-Paganica, sondern auch der letzte

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