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Kardinalspalast der Jahrhunderthälfte, der Pal. Capodi-
ferro-Spada bei (T.28a, 29a, 30b). Gemeinsame Motive
wie die Statuennischen, Stucchi und Inschriftenfelder ver-
mögen nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die vielbe-
rufene Verwandtschaft mit Raffaels Pal. dell’Aquila rein
äußerlicher Natur ist. In der Geschoßfolge, den Fenster-
rahmen, der Eckrustika, ja selbst den Profilen steht die
Fassade dem Pal. Angelo Massimo näher, in der Erd-
geschoßrustika dem Banco di S. Spirito, im Portalrisalit dem
Pal. Regis, in der Verbindung von Eckrustika und Sockel-
geschoßquaderung dem Pal. Ferrari. Von dem komplexen
Aufwachsen der Geschosse des Pal. dell’Aquila, von der
virtuosen Verflechtung horizontaler und vertikaler Kräfte
ist hier nichts zu spüren. Details wie der obere Abschluß des
Portalrisalites oder die plumpen Statuennischen verraten
die Mittelmäßigkeit eines kompilatorischen Architekten.
Um so meisterhafter hat es Giulio Mazzoni verstanden,
den schwächlichen Formen und den ungünstigen Propor-
tionen durch seinen Dekor zu einer festlichen Gesamtwir-
kung zu verhelfen. Die Eintönigkeit horizontaler Reihung
und vertikaler Axialität wird in der Mezzaninzone unver-
mittelt durch das beschwingte Filigran der Stucchi abgelöst.
Putten und Hermen, Masken und Kandelaber, Festons,
Tücher und Bänder betten die Mezzaninfenster in einen
horizontalen Rhythmus ein, verleihen den Nischenjochen
vertikalen Nachdruck und befreien die Fassade durch ein
sprühendes Leben aus ihrer öden Stagnation. Im Oberge-
schoß sind es die leicht verschobenen Inschriftenfelder, die
am Kranzgesims befestigt scheinen. Über dem Mittelfenster
des Piano Nobile verläßt Mazzoni sogar die Grenzen des

architektonischen Gerüstes, wenn er die überlebensgroßen
Gestalten der „Fides“ und der „Caritas“, auf Wolken
schwebend, die Wappenkartusche halten läßt. Mit ihren
Allegorien und Impresen, ihren römischen Heroen und den
erläuternden Inschriften steht die Fassade mehr noch als
jene des Pal. dell’Aquila zwischen den rein architektonisch
gegliederten und den bemalten Fassaden, die seit Peruzzi
und Polidoro meist die altrömische Geschichte zum
Gegenstand hatten.
Die gleiche Stilstufe und einen verwandten Typus reprä-
sentiert die wesentlich zierlichere Fassade des etwa gleich-
zeitigen Pal.Torres-Lancelotti78 (T.193b). Wenn sie ins-
gesamt wesentlich einheitlicher und gelungener wirkt, so
mag dies vor allem daran liegen, daß der Architekt sich
weitgehend selbst überlassen blieb und weder auf die Wün-
sche des Bauherrn noch auf die Einfälle des Stukkateurs
Rücksicht zu nehmen brauchte. Jedenfalls kommt nicht nur
das Erdgeschoß der Fassade des Pal. Torres jenem des Pal.
Capodiferro so nahe, daß man an die gleiche Hand denken
möchte, sondern auch das Detail der übrigen Geschosse.
Beide Fassaden können veranschaulichen, wie stark noch
gegen 1550 die Wirkung der großen Erfindungen des ersten
Jahrhundertviertels war; daß zwar das Detail trockener und
abstrakter wurde und wenig neue Ideen hinzukamen, daß
Prinzipien der Hochrenaissancefassade wie die Differenzie-
rung zwischen Sockelgeschoß und Piano Nobile oder die
Antikisierung der Formensprache jedoch unvermindert
ihre Geltung behielten.
78 s. Bd.II, 78 f.

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