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Loggiengewölbe mit Gurten gelten (Cortile del Belvedere,
Loggien).
Auch das Detail scheint wesentlich entwickelter als im
Hof von S. Maria della Pace. Geben die Pfeiler auch deut-
lich ihre Herkunft von Bramantes erstem römischen Bau,
dem Hof von S. Maria della Pace, zu erkennen, so sind sie
doch voluminöser gebildet und mit kräftigeren Basis- und
Kämpferprofilen versehen. Mit dem Pal. Giraud-Castellesi
bemächtigt sich das tektonische Denken auch des Palast-
hofes. So besitzt er für die Typologie der Höfe eine ähnliche
Bedeutung wie der Pal. Caprini für die Typologie der Fas-
saden.

3. PAL. DEI TRIBUNALI
Der Hof von Bramantes Pal. dei Tribunali hätte mit einer
lichten Weite von etwa 35 m selbst jenen der Cancelleria
weit übertroffen (T. 146 a, 147a,b). Sein Vorbild fand er
zweifellos in dem Alberti nahestehenden Hof des Pal. Ve-
nezia3. Dort war bereits um 1465 der kühne Versuch unter-
nommen worden, das Wandsystem der römischen Theater
mit seiner Superposition der Ordnungen auf einen Palasthof
zu übertragen. Hat man den Hof des Pal. Venezia mit
mindestens sieben mal sieben Arkaden zu rekonstruieren,
so beschränkte sich Bramante auf ein Grundrißquadrat von
je fünf Arkaden. Während dort jedoch die Arkadenweite
3,40 m und die Pfeilerbreite 1,30 m beträgt, steigerte Bra-
mante die lichte Weite seiner Arkaden auf etwa 4 m und die
Breite seiner Pfeiler auf etwa 2,90 m. Die Einheiten sind
also nicht nur ungleich größer geworden, sondern ihr Ver-
hältnis hat sich auch wesentlich zugunsten der Pfeiler ver-
schoben (1:1,38). Mit diesen Maßnahmen näherte sich
Bramante der Antike, ohne freilich auch in der Pfeilertiefe
das gigantische Volumen der Pfeiler des Kolosseums oder
des Marcellustheaters nachzuahmen. Vergleicht man das
Verhältnis Pfeiler-Arkade in Bramantes übrigen Loggienan-
lagen, dem Hof von S. Maria della Pace (etwa 1:3,2), dem
Hof des Pal. Giraud (etwa 1:4), dem Cortile del Belvedere
(etwa 1:2,6) oder den vatikanischen Loggien (etwa 1:2,6),
so stellt sich heraus, daß die beherrschende Stellung der
Pfeiler im Hof des Pal. dei Tribunali selbst in Bramantes
CEuvre eine Ausnahme bleibt. Wie im Pal. Giraud wären
die Pfeilervorlagen auf die Rückwand der Loggia projiziert
worden, ohne daß ihre Verdoppelung an den Eckpfeilern
vorgesehen war. Die Vorlagen sollten wohl in Gurten ihre
Fortsetzung finden und die langen Loggien im Sinne der
3 Tomei 1942, 220ff.; Magnuson 1958, 260ff.

Zentralperspektive in eine Folge körperhaft ummantelter
Einzelzellen zerlegen.
Ähnlich antikisch wie das Verhältnis der Pfeilerbreite zu
den Arkadenöffnungen wird man sich den Aufriß des Hofes
vorstellen dürfen: drei etwa gleichwertige Loggien-
geschosse, deren Ordnungen wie in Sangallos Entwurf
UA 627 für den Pal. Farnese nach den Regeln der Super-
position aufeinander gefolgt wären (T.49). Bleibt der Hof
des Pal. Farnese auch um 7-8 m Seitenlänge hinter Bra-
mantes Projekt zurück, so kommt er doch in der Gedrun-
genheit seiner Verhältnisse und im Volumen seiner Pfeiler
den antiken Vorbildern noch einen Schritt näher. In Bra-
mantes Hof des Pal. dei Tribunafi hätten den zerbrechlich
dünnen Pfeilern, die aus der Wand ausgeschnitten scheinen,
wohl entsprechend überschlanke Halbsäulen geantwortet -
ähnlich proportioniert wie am Pal. Caprini oder am „Nym-
phaeum“. Alles hätte leichter, luftiger, aufstrebender,
weniger erdrückend gewirkt als im Hof des Pal. Farnese.
Wie in den Höfen der Cancelleria und des Pal. Giraud, so
hätte gewiß auch hier die Tiefenachse eine bedeutende Rolle
gespielt. Der Besucher wäre schon durch den beherrschen-
den Campanile auf die Eingangsachse vorbereitet und
durch den Hof hindurch in die rückwärtige Kirche mit
ihrem raumhaltigen Chor weitergeleitet worden. Dem-
gegenüber hätte die Querachse ein geringeres Gewicht er-
halten. Dennoch darf weder der Hof das Pal. Giraud noch
jener des Pal. dei Tribunali mit einer tiefenperspektivisch
konzipierten Anlage wie dem Cortile del Belvedere ver-
glichen werden: Beide bleiben sie rein zentralisierte Ge-
bilde, deren Schwerpunkt in ihrer Mitte liegt; und beide
folgen sie damit letztlich der Tradition des Pal.Medici-
Riccardi.

4. PAL. PICHI
Obgleich der Pal.Pichi 1509 bereits im Bau war, kommt
sein Hof jenem des Pal. dei Tribunali erstaunlich nahe
(T. 109a-c). Sein quadratischer Grundriß mit drei mal drei
Arkaden, seine Halbsäulenvorlagen, vor allem aber die Ver-
strebung seiner Kreuzgratgewölbe durch Wandpilaster
und der flache wandhafte Pfeilergrundriß folgen dem glei-
chen Typus. Mit etwa 162/s p. erreichen die Arkadenweiten
nahezu die 18 p. des Pal. dei Tribunali, und das Verhältnis
Pfeiler-Arkadenöffnung steht ihm mit etwa 1:1,9 ebenfalls
näher als den übrigen Höfen Bramantes. Freilich erweisen
sich die Formen bei näherem Zusehen als Vergröberung
ihres Vorbildes. Den toskanischen Kapitellen und der Ver-
kröpfung des Gebälks über den Halbsäulen fehlen das

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