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Frommel, Christoph Luitpold
Der Römische Palastbau der Hochrenaissance (Band 1): Text — Tübingen: Wasmuth, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.59325#0183
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Seitenwand leicht vorgezogen. In der Mezzaninzone, in der
Sockelzone und im Obergeschoß fällt diese Wandschicht
dagegen weg - eine Lösung, die ebenso befremdlich wirkt
wie die übrigen Asymmetrien. Die Gesimse zum Oberge-
schoß verlaufen analog jenem zum Erdgeschoß, so daß die
Ohrenfenster des Obergeschosses auf ein profiliertes Ge-
sims zu stehen kommen. Den oberen Abschluß eines flachen
Mauerbandes hat der Hof wiederum mit der Fassade ge-
mein. Trotz manchen Einfalls offenbart diese Loggienfront
in ihrem mehr oder minder zufälligen Nebeneinander blut-
loser Motive, wie wenig es Sangallo gelang, seine Vorstel-
lungen in Form umzusetzen. Wie bei so manchem figuralen
Künstler dieser Jahre wird die Entfernung von der Norm
mit einem Verfall der Formen bezahlt.
An der Rückwand ersetzt die Exedra das mittlere, er-
setzen rundbogige Blendnischen über Kellerfenstern die
seitlichen Interkolumnien der Serliana. An die Stelle des
Gebälkes ist hier das Gesims der benachbarten Ädikulen
getreten, das diese mit der Exedra verbindet. Nur die un-
abhängige Archivolte hat die Profilierung der Serliana-
wand übernommen. Hinter der Archivolte ist die Exedra
leicht eingezogen. Das Basis- und das Fensterbankgesims
knicken mit den Kanten der Exedra um und vereinigen sich
vor der Mauerstufe aufs kunstvollste. Außer dem Rund-
fenster in der abgeflachten Rückwand der Exedra öffneten
sich in ihren beiden konkaven Flanken eine Tür zur Terras-
sentreppe links und eine Rundnische rechts31. Die groben
Baluster der gleichfalls eingezogenen Balustrade folgen
erstaunlicherweise dem konventionellsten Typus.
Zu erwähnen bleiben schließlich das gedrückte Tonnen-
gewölbe der Erdgeschoßloggia, das bereits eine Gewölbe-
form Vignolas vorwegnimmt, und die reich profilierte Tür
in der linken Seitenwand der Loggia. Wie die in Sangallos
letzte Lebensjahre datierbaren Hof- und Gartenfenster des
Pal. Farnese stellt diese eine Vereinfachung und Entkörper-
lichung der Volutenfenster der Sala Ducale (1521 ff.) dar32.
Doch gerade in der abstrahierten Formulierung des Hauses
in Via Giulia sollte sie sich bis zu Porta und Maderno großer
Beliebtheit erfreuen.
So problematisch der Hof auf den heutigen Betrachter
auch wirken mag: seine entwicklungsgeschichtliche Be-
deutung ist nicht zu unterschätzen. Er bezeichnet nicht nur
einen bedeutsamen Wendepunkt in Sangallos Schaffen, son-
dern auch den Beginn jener eigenartig glanzlosen Architek-
tur, die einen trockenen Schematismus mit einer willkür-
31 Der Fensterrahmen erinnert an die Ädikulen des Strozzigutes in
Lunghezza (s. G.Tomasetti, La Campagna Romana, Rom 1913,
III, 484ff.; s. auch Bd. II, 201, Anm. 27).
32 Giovannoni 1959, Abb. 115.

liehen, oft nachlässigen Formensprache verbinden und
neben den Werken Michelangelos, Vignolas und Portas das
Gesicht Roms in der zweiten Jahrhunderthälfte bestimmen
sollte. Die bewußten Asymmetrien bleiben allerdings ein
besonderes Merkmal von Sangallos Haus in Via Giulia, und
es ist gewiß kein Zufall, daß sich Sangallo gerade in seinem
Wohnhaus diese Freiheiten gestattete.
Typologisch ist der unvermittelte Wechsel von dem raf-
faelesken Palazzetto-Typus mit regelmäßiger Säulenloggia,
die sich in einer Serliana auf den quadratischen Innenhof
öffnet und deren Ordnung sich an den Flofwänden fortsetzt,
zu dem langgestreckten Format der ausgeführten Version
hervorzuheben. Da der Hof des Pal. A. Massimo wohl schon
begonnen war, als Sangallo die Planung seines Hauses ab-
schloß, mag er sich im veränderten Format, in der abstrakte-
ren Gliederung der beiden Längswände und in der rück-
wärtigen Exedra Mangone angeschlossen haben. Wie un-
mittelbar er selbst unter dem Eindruck von Lorenzettis
Antikengarten im Pal. della Valle-Capranica stand, ist sei-
nen Aufrißentwürfen UA 1286, 1101, 1111 zu entnehmen
(T. 138a-c). Dort versucht er in den Interkolumnien der
dem Rhythmus einer Serliana folgenden Rückwand des
Hofes zahlreiche Nischen für die Aufstellung antiker Büsten
und Torsen auszusparen. Die gleiche Tendenz macht sich in
dem wenig früheren Aufrißentwurf UA 994 für den Hof
des Luca Massimo bemerkbar (T. 104c). Seltsamerweise
verzichtete er in der ausgeführten Version seines Hauses
völlig auf eine architektonische Einbeziehung seiner
Antikensammlung.

25. PAL. ANGELO MASSIMO
Im Hof des Pal. di „Pirro“ (um 1533 ff.) scheint sich
Mangone an den gleichzeitigen Höfen seiner originelleren
Zeitgenossen inspiriert zu haben (T. 100b-102b, 102d bis
103). Vom Antikengarten des Pal. Valle-Capranica über-
nahm er das langgestreckte Format und die Statuennischen
ohne Ordnung in den beiden Seitenwänden, von Sangallos
gleichzeitigen Bauten die abstrahierte Formensprache (vgl.
etwa Papstpalast in Loreto, Innenwand) (T. 186 d) und vom
angrenzenden Pal. Massimo alle Colonne die jonische
Loggia, das Mezzaningeschoß der Eingangswand und den
dekorativen Reichtum. Die zierlichen dorischen Pilaster-
arkaden und die Rundnische mit ihrer Monumentalstatue
könnten von Entwürfen Sangallos für sein Haus in Via
Giulia wie UA 1286 angeregt sein (T. 138a). Ja, vielleicht
war Mangone sogar Raffaels Projekt UA 310, 311 bekannt,
für dessen vierte Hofseite ebenfalls eine Exedra mit einge-

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