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ler, zum eigerrtlichett Güirstlinge des neuen Pap-
stes schuf.
Seine erste große Arbeit unter dessen Regierung wa-
ren (1514.) zwey oben schon vorläufig berührte Bilder
in der vorerwähnten zweyken Stanze des Vatikans:
Leo I. oder der Große 71), der den Hunnen Attila,
unterm Beystande der Apostel Petrus und Panlus,
von Rom entfernt 72), und Petrus, von dem Engel
aus dem Gefängnisse befreyt 75). Beyde sind fein
schmeichelnde Anspielungen auf merkwürdige Ereig-
nisse in dem Leben seines neuen großen Gönners 74),
so wie sein Heliodor auf den Vorgänger Julius.
Blätter nach diesem vorzüglichen Bilde kennt man: Erst-
den Päpstlichen Thron. Mag cs immerhin wahr
seyn, daß bey diesem letztern seine von der Ge-
schichte so hoch gepriesene Beförderung der schönen
Künste, weniger aus gefühlter Achtung für sie als
bey Julius, sondern grvßentheils aus bloßer
Prachtliebe hervorging 69), so übertraf er doch
seinen Vorgänger noch in der ausgezeichneten
Gunst, die er Raphael bis an dessen letzten Hauch
erwies 70); und vielleicht war es hinwieder eben
so sehr die edelste Bescheidenheit, als das glänzende
Genie, welches unfern Künstler - im Gegensätze mit
Angelo, seinem großen, aber barschen Nebenbnß-
folgendeu Engel Crozat, und, nach ihm, Mariette. . ...
lich von P. de Balliu, nach P. van Lint's Zeichnung, auf zwey großen Platten, schön und selten; dann von
Friquet de Vanroze; hauptsächlich aber von C. Maratti (der, wenn er auch Raphaels hohen Geist nicht, doch
dessen edle Nüchternheit vielleicht besser als Keiner verstand) wieder auf zwey großen Platten (ganz vortrefflich)
seetzt; ebenfalls schön und selten. Werter von Aquila in in den klctu--i8 Xro. 6. und, in neuern Tagen,
nach B. Noccki's Zeichnung, von Volvato; im bloßen Umrisse endlich bey Üandoir Nro. 62. Der einzige FI.
le Comte will wissen, daß der Heliodor auch in zwey Platten in Helldunkel geliefert worden. Woher wohl
nicht auch in den ältesten Tagen, z. B. von M. Anton? Wir hoffen doch — nicht aus Bescheidenheit, weil
er selbst auf diesem Bilde, als einer der Trabanten des Pabstes erscheint?
69) S. ^lmnrmcli 3. l^oni i8-c>. 8. m.
70) So bemerkt z. V. Roscoe in seiner Geschichte Leo X. (Thl. II. S. 297.) hingegen, daß die unthätigsts
Periode der Kunst des Michael Angelo gerade unter die Regierung dieses letztern siel. Merkwürdig genug
z. B. ist es auch, daß das Römische Volk, welches dem neuen Papste, schon in den ersten Monathen seiner
Regierung, eine Bildsäule errichten ließ, diese Arbeit einem elenden Sizilianischen Künstler anvertraute, die
denn auch, nach winkelmmms Urtheil, höchst jämmerlich ausfiel.
71) Nicht Leo lll. wie es gewöhnlich heißt.
?L) »Einige Tbeile dieses Gemäldes" (heißt es in den Propyläen I. 2. 86—88.) »mögen fleißiger gezeichnet
seyn; übrigens aber ist dasselbe mit fast ähnlicher Kühnheit und Geist behandelt, wie die Meße von Volsena,
und hat ebenfalls große Verdienste, kömmt aber letzterer doch an Wärme und Usbereinstimmung nicht vollkom-
men bey, und scheint von der ursprünglichen Heiterkeit urtd Kraft der Farben mehr eingebüßt zu haben. Bunte
changeante Gewänder, welche im vorigen Bilde ganz weggelassen sind, bemerkt man wieder in diesen; daher
auch jenes bessere Wirkung thut, satter und ruhiger erscheint. Indessen hat Raphael auch hierbei) ohne Zweifel
mit Bewußtseyn gehandelt, indem er eben Bewegung und Unruhe ausdrücken wollte, was er auch glücklich
erreicht hat, besonders in der Stelle gleich hinter dem Attila, wo zum Rückzug geblasen wird, welche in Absicht
auf Entgegensetzung der Farben ein wahres Kunststück ist. Die Erfindung des Ganzen dann ist schön und
poetisch, die Anordnung und Verbindung der Theile künstlich ohne es zu scheinen, der Ausdruck überhaupt
vortrefflich; r'm Papst und seinen Begleitern ruhig und sicher, in den Aposteln erzürnt und drohend, im Attile
erschrocken; das Heer ist in Verwirrung, Furcht und Schrecken hat Alles ergriffen. Die beyden Apostel sind
schon oft getadelt worden; und es ist wahr, daß Petrus, in Vergleichung mit andern schwebenden Figuren
ünsers Meisters ein wenig steif aussieht, und daß sein gelbes breit gefaltetes Gewand fast zu grell in die
Augen fällt Paulus hat schon mehr Leichtigkeit und Bewegung; er schwebt schnell herab, und der entzündete
Ton seiner Carnation verstärkt den drohenden Ausdruck im Gefickt und Gebährde. Licht und Sckatten ist
wie in den andern Bildern ausgetheilt; hier aber fist diese Art passender, weil der Ausdruck der Verwirrung
und des Getümmels dabey gewinnt". — Dör einzige (viel wissende) Heyne (Opu-,c. acall. m. p. 1^5.)
bemerkt, nach Baronius: Daß der Beystand, den die beyden Apostel, Petrus und Paulus, dem Papste bey
dieser Großthat geleistet, nicht Raphaels Erfindung sey, sondern sich schon in Legenden des Mittelalters
finde. — Die vortreffliche Zeichnung eines ersten Entwurfes dieses Bildes, wo der Papst mit seinem Gefolge
(schicklicher) nur im Hintergründe erscheint, befindet sich im Französischen Museum. Ganz ohne den Papst
kennt man zwey gute alte Stiche; den einen von einem Unbekannten, den andern von I. Bonasone (154^.);
dann zwey andere nach der Vorstellung im Vatikan (nicht übel) von S. Vernarb und L. Collr'gnon. Eben so
in den: ?ictur>8 Xlo 8- von Aquila; dann von I. Volpato, nach der Zeichnung von Nocchi, und endlich im
Umrisse bey Üandon Nro. 6z. Füßli I- 152—5z. in der Beschreibung des Attila macht die Bemerkung:
»Der Kontrast in dem Kostüm, in den Gesichtsbildungen und Bewegungen zwoer so sehr unterschiedenen
Nationen, als d-'e Jtaliänische und Hunnische waren, thut eine besonders gute Wirkung, welche jedoch durch
die Betrachtung der vielen nothwendig angebrachten sehr schwerfälligen Pferde vermindert wird, deren Zeich-
nung Raphaels Sache nicht gewesen zu seyn scheint. Und da dieser große Mann bey dieser Vorstellung nur
wenig Gelegenheit hatte, seine Stärke in Darstellung erhabener und edler Karaktere anzuwenden, und den
Figuren dis ihm sonst eigene Anmuth und Grazie zu geben, so müssen seine Hanpteigenschaften in diesem Bilde
nicht gesucht werden".
7z) Die vorzügliche Schönheit dieses Bildes für Ausdruck und Beleuchtung, können ältere und neuere Beschrei-
bungen desselben nickt genug erheben. S. unter den Neuern Füßli I. -47-49. Dann in den Propyläen
(l. 2. 88—89.)- Hier heißt es davon: »Dieses Bild über dem Fenster, der Messe von Bolsina gegenüber,
ist des Effects wegen sehr berühmt, und mit Neckt, indem das Mittel- oder Hauptstück über die beyden
Seiten vortrefflich gehoben, und diese doch nicht ganz aufgeopfert sind. Denn es besteht das Werk
eigentlich aus drey Theilen; ober, wenn man solches als ein Ganzes betrachten will, so hat dasselbe eine
dreysache Handlung, weil in der Mitte der Engel den schlafenden Apostel im Gefängniß aufweckt, dann
zur Rechten ihn herausführt, mittlerweile man zur Linken die erwachenden Hüter vorgestellt sieht. Zm
Mittelstücke nun machen die Figuren eine vortrefflich geordnete Gruppe aus, und zwar sowohl der Engel und
der Apostel für sich allein, als wenn man noch die beyden zur Seite stehenden Wächter dazu rechnet. Im
Engel ist ein wahrer Himmelsbote dargesteltt, ganz in Sonnenlicht gehüllt, lieblich, zart, jugendlich schön; er
weckt mit sanfter Berührung den Apostel, welcher ruhig im Gebet entschlafen zu seyn scheint. Auf der Seite
zur Rechten, wo er befreyt weggeführt wird, ist sein Ausdruck ernst; er folgt dem Engel, fest entschlossen;
dieser wendet sich sanft und freundlich gegen ihn um, und scheint ihm Muth zuzusprecken: sein Gefickt ist
noch schöner als des ersten, und die Drapperie fürtreiflt'ch; er ist ebenfalls mit Glanz umgeben. Ueber die
beyden Soldaten auf der Treppe waltet ein eiserner Schlaf. Die andere Seite, wo die Hüter erwachen, ist
weniger gelungen, und in der Lhat nicht das beßte Stück, welches Raphael uns geschenkt hat. Styl und
Behandlung sind übrigens im Allgemeinen, so wie im Heliodor und Attila, groß, leicht und geistreich". Ge-
stochen ist dieses Bild, von alten Meistern, unsers Wissens, einzig von C. (nicht I. wie es bey Heinecke
heißt) Neverdinus, um die Mitte des XVI. Jahrhunderts; dann von Aquila Nro. 9. Hierauf von Volpato-
nach der Zeichnung von Tofanelli (nack Füßli I. 147.) geschmackvoll, aber noch nie des großen Urbildes würs
vig. Im bloßen Umrisse endlich bey Landon Nro. 65.
7p Im Heliodor auf die Vertreibung der Räuber aus dem Erbtheil Perri , durch Julius II. — Im Attila
(der die Züge Ludwig XII. von Frankreich trägt) auf die durch Leo X. bewirkte Entfernung der Franzosen
aus Italien. — Im befreyten Petrus, auf die Gefangennehmnng eben dieses Papstes in der Schlackt bev
Ravenna, und seine nachherige Befreyung. Von der Anspielung anfAttila ist es, unsers Wissens, Roscoe-
der (Gesch. Leo X. Hl. A99. Not. e) zuerst die Entdeckung gemacht, und solche durch ein im Anhänge einge-
schaltetes Gedicht des Gyraldus bestätigt wissen will, der ebenfalls, unter dem Gewand eines Hymnus auf
den H. Leo, jene Franzofenjagd ans Italien besungen habe.
ler, zum eigerrtlichett Güirstlinge des neuen Pap-
stes schuf.
Seine erste große Arbeit unter dessen Regierung wa-
ren (1514.) zwey oben schon vorläufig berührte Bilder
in der vorerwähnten zweyken Stanze des Vatikans:
Leo I. oder der Große 71), der den Hunnen Attila,
unterm Beystande der Apostel Petrus und Panlus,
von Rom entfernt 72), und Petrus, von dem Engel
aus dem Gefängnisse befreyt 75). Beyde sind fein
schmeichelnde Anspielungen auf merkwürdige Ereig-
nisse in dem Leben seines neuen großen Gönners 74),
so wie sein Heliodor auf den Vorgänger Julius.
Blätter nach diesem vorzüglichen Bilde kennt man: Erst-
den Päpstlichen Thron. Mag cs immerhin wahr
seyn, daß bey diesem letztern seine von der Ge-
schichte so hoch gepriesene Beförderung der schönen
Künste, weniger aus gefühlter Achtung für sie als
bey Julius, sondern grvßentheils aus bloßer
Prachtliebe hervorging 69), so übertraf er doch
seinen Vorgänger noch in der ausgezeichneten
Gunst, die er Raphael bis an dessen letzten Hauch
erwies 70); und vielleicht war es hinwieder eben
so sehr die edelste Bescheidenheit, als das glänzende
Genie, welches unfern Künstler - im Gegensätze mit
Angelo, seinem großen, aber barschen Nebenbnß-
folgendeu Engel Crozat, und, nach ihm, Mariette. . ...
lich von P. de Balliu, nach P. van Lint's Zeichnung, auf zwey großen Platten, schön und selten; dann von
Friquet de Vanroze; hauptsächlich aber von C. Maratti (der, wenn er auch Raphaels hohen Geist nicht, doch
dessen edle Nüchternheit vielleicht besser als Keiner verstand) wieder auf zwey großen Platten (ganz vortrefflich)
seetzt; ebenfalls schön und selten. Werter von Aquila in in den klctu--i8 Xro. 6. und, in neuern Tagen,
nach B. Noccki's Zeichnung, von Volvato; im bloßen Umrisse endlich bey Üandoir Nro. 62. Der einzige FI.
le Comte will wissen, daß der Heliodor auch in zwey Platten in Helldunkel geliefert worden. Woher wohl
nicht auch in den ältesten Tagen, z. B. von M. Anton? Wir hoffen doch — nicht aus Bescheidenheit, weil
er selbst auf diesem Bilde, als einer der Trabanten des Pabstes erscheint?
69) S. ^lmnrmcli 3. l^oni i8-c>. 8. m.
70) So bemerkt z. V. Roscoe in seiner Geschichte Leo X. (Thl. II. S. 297.) hingegen, daß die unthätigsts
Periode der Kunst des Michael Angelo gerade unter die Regierung dieses letztern siel. Merkwürdig genug
z. B. ist es auch, daß das Römische Volk, welches dem neuen Papste, schon in den ersten Monathen seiner
Regierung, eine Bildsäule errichten ließ, diese Arbeit einem elenden Sizilianischen Künstler anvertraute, die
denn auch, nach winkelmmms Urtheil, höchst jämmerlich ausfiel.
71) Nicht Leo lll. wie es gewöhnlich heißt.
?L) »Einige Tbeile dieses Gemäldes" (heißt es in den Propyläen I. 2. 86—88.) »mögen fleißiger gezeichnet
seyn; übrigens aber ist dasselbe mit fast ähnlicher Kühnheit und Geist behandelt, wie die Meße von Volsena,
und hat ebenfalls große Verdienste, kömmt aber letzterer doch an Wärme und Usbereinstimmung nicht vollkom-
men bey, und scheint von der ursprünglichen Heiterkeit urtd Kraft der Farben mehr eingebüßt zu haben. Bunte
changeante Gewänder, welche im vorigen Bilde ganz weggelassen sind, bemerkt man wieder in diesen; daher
auch jenes bessere Wirkung thut, satter und ruhiger erscheint. Indessen hat Raphael auch hierbei) ohne Zweifel
mit Bewußtseyn gehandelt, indem er eben Bewegung und Unruhe ausdrücken wollte, was er auch glücklich
erreicht hat, besonders in der Stelle gleich hinter dem Attila, wo zum Rückzug geblasen wird, welche in Absicht
auf Entgegensetzung der Farben ein wahres Kunststück ist. Die Erfindung des Ganzen dann ist schön und
poetisch, die Anordnung und Verbindung der Theile künstlich ohne es zu scheinen, der Ausdruck überhaupt
vortrefflich; r'm Papst und seinen Begleitern ruhig und sicher, in den Aposteln erzürnt und drohend, im Attile
erschrocken; das Heer ist in Verwirrung, Furcht und Schrecken hat Alles ergriffen. Die beyden Apostel sind
schon oft getadelt worden; und es ist wahr, daß Petrus, in Vergleichung mit andern schwebenden Figuren
ünsers Meisters ein wenig steif aussieht, und daß sein gelbes breit gefaltetes Gewand fast zu grell in die
Augen fällt Paulus hat schon mehr Leichtigkeit und Bewegung; er schwebt schnell herab, und der entzündete
Ton seiner Carnation verstärkt den drohenden Ausdruck im Gefickt und Gebährde. Licht und Sckatten ist
wie in den andern Bildern ausgetheilt; hier aber fist diese Art passender, weil der Ausdruck der Verwirrung
und des Getümmels dabey gewinnt". — Dör einzige (viel wissende) Heyne (Opu-,c. acall. m. p. 1^5.)
bemerkt, nach Baronius: Daß der Beystand, den die beyden Apostel, Petrus und Paulus, dem Papste bey
dieser Großthat geleistet, nicht Raphaels Erfindung sey, sondern sich schon in Legenden des Mittelalters
finde. — Die vortreffliche Zeichnung eines ersten Entwurfes dieses Bildes, wo der Papst mit seinem Gefolge
(schicklicher) nur im Hintergründe erscheint, befindet sich im Französischen Museum. Ganz ohne den Papst
kennt man zwey gute alte Stiche; den einen von einem Unbekannten, den andern von I. Bonasone (154^.);
dann zwey andere nach der Vorstellung im Vatikan (nicht übel) von S. Vernarb und L. Collr'gnon. Eben so
in den: ?ictur>8 Xlo 8- von Aquila; dann von I. Volpato, nach der Zeichnung von Nocchi, und endlich im
Umrisse bey Üandon Nro. 6z. Füßli I- 152—5z. in der Beschreibung des Attila macht die Bemerkung:
»Der Kontrast in dem Kostüm, in den Gesichtsbildungen und Bewegungen zwoer so sehr unterschiedenen
Nationen, als d-'e Jtaliänische und Hunnische waren, thut eine besonders gute Wirkung, welche jedoch durch
die Betrachtung der vielen nothwendig angebrachten sehr schwerfälligen Pferde vermindert wird, deren Zeich-
nung Raphaels Sache nicht gewesen zu seyn scheint. Und da dieser große Mann bey dieser Vorstellung nur
wenig Gelegenheit hatte, seine Stärke in Darstellung erhabener und edler Karaktere anzuwenden, und den
Figuren dis ihm sonst eigene Anmuth und Grazie zu geben, so müssen seine Hanpteigenschaften in diesem Bilde
nicht gesucht werden".
7z) Die vorzügliche Schönheit dieses Bildes für Ausdruck und Beleuchtung, können ältere und neuere Beschrei-
bungen desselben nickt genug erheben. S. unter den Neuern Füßli I. -47-49. Dann in den Propyläen
(l. 2. 88—89.)- Hier heißt es davon: »Dieses Bild über dem Fenster, der Messe von Bolsina gegenüber,
ist des Effects wegen sehr berühmt, und mit Neckt, indem das Mittel- oder Hauptstück über die beyden
Seiten vortrefflich gehoben, und diese doch nicht ganz aufgeopfert sind. Denn es besteht das Werk
eigentlich aus drey Theilen; ober, wenn man solches als ein Ganzes betrachten will, so hat dasselbe eine
dreysache Handlung, weil in der Mitte der Engel den schlafenden Apostel im Gefängniß aufweckt, dann
zur Rechten ihn herausführt, mittlerweile man zur Linken die erwachenden Hüter vorgestellt sieht. Zm
Mittelstücke nun machen die Figuren eine vortrefflich geordnete Gruppe aus, und zwar sowohl der Engel und
der Apostel für sich allein, als wenn man noch die beyden zur Seite stehenden Wächter dazu rechnet. Im
Engel ist ein wahrer Himmelsbote dargesteltt, ganz in Sonnenlicht gehüllt, lieblich, zart, jugendlich schön; er
weckt mit sanfter Berührung den Apostel, welcher ruhig im Gebet entschlafen zu seyn scheint. Auf der Seite
zur Rechten, wo er befreyt weggeführt wird, ist sein Ausdruck ernst; er folgt dem Engel, fest entschlossen;
dieser wendet sich sanft und freundlich gegen ihn um, und scheint ihm Muth zuzusprecken: sein Gefickt ist
noch schöner als des ersten, und die Drapperie fürtreiflt'ch; er ist ebenfalls mit Glanz umgeben. Ueber die
beyden Soldaten auf der Treppe waltet ein eiserner Schlaf. Die andere Seite, wo die Hüter erwachen, ist
weniger gelungen, und in der Lhat nicht das beßte Stück, welches Raphael uns geschenkt hat. Styl und
Behandlung sind übrigens im Allgemeinen, so wie im Heliodor und Attila, groß, leicht und geistreich". Ge-
stochen ist dieses Bild, von alten Meistern, unsers Wissens, einzig von C. (nicht I. wie es bey Heinecke
heißt) Neverdinus, um die Mitte des XVI. Jahrhunderts; dann von Aquila Nro. 9. Hierauf von Volpato-
nach der Zeichnung von Tofanelli (nack Füßli I. 147.) geschmackvoll, aber noch nie des großen Urbildes würs
vig. Im bloßen Umrisse endlich bey Landon Nro. 65.
7p Im Heliodor auf die Vertreibung der Räuber aus dem Erbtheil Perri , durch Julius II. — Im Attila
(der die Züge Ludwig XII. von Frankreich trägt) auf die durch Leo X. bewirkte Entfernung der Franzosen
aus Italien. — Im befreyten Petrus, auf die Gefangennehmnng eben dieses Papstes in der Schlackt bev
Ravenna, und seine nachherige Befreyung. Von der Anspielung anfAttila ist es, unsers Wissens, Roscoe-
der (Gesch. Leo X. Hl. A99. Not. e) zuerst die Entdeckung gemacht, und solche durch ein im Anhänge einge-
schaltetes Gedicht des Gyraldus bestätigt wissen will, der ebenfalls, unter dem Gewand eines Hymnus auf
den H. Leo, jene Franzofenjagd ans Italien besungen habe.