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ihm ost mehr, als fich's gebührte, zu Wille« wur-
den 127)". Neben obigen Bildnissen, nennt Bor-
rari dann, von männlichen noch dasjenige des Ar-
chidiakvnus Carondolet, das in die Hand des Her-
zogs von Grafton nach England kam 128); von
weiblichen jenes der Königin Johanna von Arra-
gon, welches der Kardinal von Medieis ihrer ho-
hen Schönheit wegen malen ließ, und den großen
Liebhaber schöner Frauen, Franz I. damit be-
schenkte; daher sich solches schon von Alters her
im Französischen Museum befindet. Dasselbe halt
3/ 8^ in die Höhe und 3/ in die Breite, und ge-
hört in dieser Gattung zu dem Vortreflichsten un-
sers Künstlers. Sie ist sitzend vorgestellt, mit
beyden Händen; die rechte berührt ihren Hals-
schmuck von Pelz, die linke ruht auf ihrem Kniee.
Kopfputz und Kleidung (diese von rothem Sammt),
Alles im Costume ihres Lands und ihrer Zelt,
könnten weder sonderbarer noch geschmackloser seyn.
Die Haare der wunderschönen Königin fallen gleich
den Ohren einer Wachtelhündin auf ihre Schultern;
ihre Rockärmel haben einen weit stärker« Durch-
messer, als ihre zarten Hüsten; denn bekanntlich
blieb Raphael, in seinen Bildnissen, «der Natur,
ganz wie er sie vor sich fand, unveränderlich ge-
treu. Dann aber sehe man alle Umrisse und alle
Züge dieses Kopfes von einer Reinheit, die uns
an seine heiligsten Jungfrauen erinnert ; die großen
sammtschwarzen Augen, welche alles Licht südlicher
Sonne empfangen haben, und wieder zurückstralen,
die hohen scharfgeschnittenen Bogen über densel-
ben, die zart zugespitzte Nase, den sprechenden
Mund, das feine, ins Oval gerundete Kinn,
den schlanken Hals, der so leicht auf dem herrli-
chen Nacken ruht — nur ein solcher Meister konnte
solche Contraste des seltsamsten Conventionellen mit
der einfachsten Natur, ohne Anstoß einigen. —
Man hat behaupten wollen, daß Raphael diesen
Kopf bloß angefangen, und Julius Pipi den-
selben vollendet habe. Aechte Kenner können die-
sem Urtheil nimmermehr bestimmen; eher demje-
nigen, welches einen Lhcil der Arbeit in den Ne-
bensachen seinem großen Schüler zuschreiben will 129).
Von diesem Bilde kennt man mehrere treffliche
Kopien, welche in Welschland davon gefertigt wur-
den, ehe es nach Frankreich kam. Eine derselben
besaß H. Wocher in Basel, und sah man von sei-
ner eigenen kunstreichen Hand eine solche in Mi-
niatur gemalt, die zu den kostbarsten Juwelen
dieser Gattung gehöret 1Z0).
Was Raphaels ungemessene Liebe zum Ge-
schlecht auf seine Arbeitslust bisweilen für Eiu-
stuß hatte, davon führt vasari, gleich nach der
oben angeführten Stelle ein Beyspiel an, und sagt
«ns: „Daher malte er so langsam an der Loggia
seines Freundes Chigi, so daß dieser, durch man-
cherley eigene und fremde Unterhandlung, endlich,
doch mit genauer Noth, es dahin krachte, daß
die Frau, die der Künstler damals liebte 131) sich
zuletzt bequemte, in einem der Zimmer, wo er ar-
beitete, rhre ordentliche Wohnung aufzuschlagen;
und nur so kam endlich das Werk zu Stande"
„Auch" (fährt dann eine Anmerkung in der Aus-
gabe von Siena fort)" klagte Raphael mehrmals
seinem Castiglione: Daß die neuern Staaten nicht
so, wie «die alten, dem Künstler alle Blüthen ih-
rer Schönheiten vor Augen stellen, um aus ihrem
Anschau'n sich das Ideal für ihre.Götter zu bilden".
„Aber" (fügt der lose Vogel hinzu) „warum
sieht man denn, mit Bedauern (?), in seiner
Madonna della Sedia, und in mehr als Einer
Figur des Göttermals, immer seine geliebte Be-
ckerinn wieder?"
Wir haben nämlich oben gesehn, daß vasari
(ob mit Grund oder aus Versehn, ist uns unbe-
kannt), den Triumph der Galathea, welches eines
der Bilder der Loggia Ghigi (Farnesina) in ei-
nem eigenen Zimmer ausmacht, in eine namhaft
frühere Epoche, nämlich zwischen die Fertigung der
ersten und das Beginnen der zweyten Vatikanischen
Stanze setzt. Dagegen kömmt er mit allen übri-
gen Nachrichten überein, welche, wo nicht das
Entstehen, doch die Vollendung der Gallerie von
Klein-Farnese dem späthern Zeitpunkte zueignen,
von welchem jetzt die Rede ist. Wohl drückt sich
hierüber Roscoe 132) am richtigsten aus: „In
Mußestunden, welche Raphael seine Arbeiten für
Leo X. zuließen, kehrte er in das Haus seines
Freundes Chigi zurück, und malte dort" (einen
zweyten Grund, warum langsam, haben wir ja
gleich oben vernommen!) „die bekannte Gallerie."
Einen Exeurs, nach neuester deutscher Art und
Kunst, macht hier Sanzio's oft angeführter geist-
reicher Biograph 133), wesentlich wie folgt: „Bis-
hieher haben wir Raphael immer noch als Reli-
gionsdichter betrachtet, in welchem Felde sein Ruhm
ohne Zweifel am höchsten steht. So wie Phidias
in seinem Zeus und in seiner Athene, Polycletus
in seiner Here oder Juno, Praxiteles in seiner
Aphrodite und Eros, die vollendetsten Ideale der
griechischen mythologischen Kunst darstellten, aus
dieselbe Weise wurden die Hauptideale der christli-
chen Kunst, Christus als Kind und als Mann, die
Apostel, die Patriarchen mit ihrer kmdllch - einfäl-
tigen Nomadenwclt, hebräische Gesetzgeber, Pro-
pheten und Könige, christliche weibliche Heilige,
vor allen andern besonders die Jungfrau Maria,
als Königin des Himmels wie als Gottesmutter
in den erhabensten und lieblichsten Gestalten gebil-
det, zu denen die christliche bildende Kunst sich je
zu erheben vermochte. In diesen seinen Gestalten
allein spiegelt sich der eigenthümliche, mystisch-
ruhige, schöne Sinn des neuen Glaubens, durch-
aus verschieden von der mehr sinnlich verständigen
127) Ein Beyspiel folgt gleich unten. Bottart dann macht allerlep uunöthkge Luftsprünge, um unfern Künstler
von den Beschuldigungen des frommen Vasari rein ru waschen, und nachdem er in einer Anmerkung zu
obiger Stelle erzählt, daß Raphael sich feiner schönen Beckerin als Modell bedient habe, fetzt er — kein
Mensch merkt anfangs, wie dies angeflogen kömmt — gleich hinzu: „Es war aber Raphael ein Mann von
größter Höflichkeit und den beßten Manieren, gesittet, und äusserst ehrbar im Reden und Thun; daher sich
auch in seinen Werken (gegen die Gewohnheit anderer Künstler seiner Zeit) nicht das geringste Unanständige
findet". „Aber" (erst jetzt ersieht man das Ziel) „aus großer Begierde, zur Vortreflkchkeit zu gelangen,
zeichnete er, bey seinen Studien, immer zuerst die Figur nackend, welche er nachwerts bekleiden wollte."
Und daß es namentlich seine Fornarkna war, die ihm hiefür die meisten Dienste le stete, wird hierauf aus
einer RaphaelLschen Zeichnung bewiesen, die Mariette besaß, in welcher eine nackte Frauensperson er-
scheint, gerade mit derselben Physiognomie und mit denselben allzudicken Hüften, wie dergleichen sein Lieb-
chen besaß. Sein natürliches Nacktes verbesserte er dann nach den Antiken, oder vielmehr nach den Ideen,
welche er aus diesen geschöpft hatte.
r28) Gestochen ist dieses Bildniß für Crozat von N. de Larmessm, in Schwarzkunst von van Somer (1676.), und
endlich von le Blond in England, in Farben.
129) /' ^Prcr'6 p. 94. — ä« Lab. IV. dlro. 20.
130) Gestochen wurde dieses Bildniß, unsers Wissens, in altern Tagen niemals, sondern zuerst, und einzig (mit-
telmäßig) von I. Chereau für Crozat. Dann im bloßen Umrisse (jämmerlich) im Manuel t. c.
-Zi) Das: per l'amore cbs xortsvs sä «»a LUS äonns in der Urschrift ist freylich noch etwas ärger»
LZ2) Gesch. Leo X. (D. Uebers.) Th. II. S. 40L,
-Z5) ^lmsnsek s. kom r8!v, 8. r»ü—Za.
ihm ost mehr, als fich's gebührte, zu Wille« wur-
den 127)". Neben obigen Bildnissen, nennt Bor-
rari dann, von männlichen noch dasjenige des Ar-
chidiakvnus Carondolet, das in die Hand des Her-
zogs von Grafton nach England kam 128); von
weiblichen jenes der Königin Johanna von Arra-
gon, welches der Kardinal von Medieis ihrer ho-
hen Schönheit wegen malen ließ, und den großen
Liebhaber schöner Frauen, Franz I. damit be-
schenkte; daher sich solches schon von Alters her
im Französischen Museum befindet. Dasselbe halt
3/ 8^ in die Höhe und 3/ in die Breite, und ge-
hört in dieser Gattung zu dem Vortreflichsten un-
sers Künstlers. Sie ist sitzend vorgestellt, mit
beyden Händen; die rechte berührt ihren Hals-
schmuck von Pelz, die linke ruht auf ihrem Kniee.
Kopfputz und Kleidung (diese von rothem Sammt),
Alles im Costume ihres Lands und ihrer Zelt,
könnten weder sonderbarer noch geschmackloser seyn.
Die Haare der wunderschönen Königin fallen gleich
den Ohren einer Wachtelhündin auf ihre Schultern;
ihre Rockärmel haben einen weit stärker« Durch-
messer, als ihre zarten Hüsten; denn bekanntlich
blieb Raphael, in seinen Bildnissen, «der Natur,
ganz wie er sie vor sich fand, unveränderlich ge-
treu. Dann aber sehe man alle Umrisse und alle
Züge dieses Kopfes von einer Reinheit, die uns
an seine heiligsten Jungfrauen erinnert ; die großen
sammtschwarzen Augen, welche alles Licht südlicher
Sonne empfangen haben, und wieder zurückstralen,
die hohen scharfgeschnittenen Bogen über densel-
ben, die zart zugespitzte Nase, den sprechenden
Mund, das feine, ins Oval gerundete Kinn,
den schlanken Hals, der so leicht auf dem herrli-
chen Nacken ruht — nur ein solcher Meister konnte
solche Contraste des seltsamsten Conventionellen mit
der einfachsten Natur, ohne Anstoß einigen. —
Man hat behaupten wollen, daß Raphael diesen
Kopf bloß angefangen, und Julius Pipi den-
selben vollendet habe. Aechte Kenner können die-
sem Urtheil nimmermehr bestimmen; eher demje-
nigen, welches einen Lhcil der Arbeit in den Ne-
bensachen seinem großen Schüler zuschreiben will 129).
Von diesem Bilde kennt man mehrere treffliche
Kopien, welche in Welschland davon gefertigt wur-
den, ehe es nach Frankreich kam. Eine derselben
besaß H. Wocher in Basel, und sah man von sei-
ner eigenen kunstreichen Hand eine solche in Mi-
niatur gemalt, die zu den kostbarsten Juwelen
dieser Gattung gehöret 1Z0).
Was Raphaels ungemessene Liebe zum Ge-
schlecht auf seine Arbeitslust bisweilen für Eiu-
stuß hatte, davon führt vasari, gleich nach der
oben angeführten Stelle ein Beyspiel an, und sagt
«ns: „Daher malte er so langsam an der Loggia
seines Freundes Chigi, so daß dieser, durch man-
cherley eigene und fremde Unterhandlung, endlich,
doch mit genauer Noth, es dahin krachte, daß
die Frau, die der Künstler damals liebte 131) sich
zuletzt bequemte, in einem der Zimmer, wo er ar-
beitete, rhre ordentliche Wohnung aufzuschlagen;
und nur so kam endlich das Werk zu Stande"
„Auch" (fährt dann eine Anmerkung in der Aus-
gabe von Siena fort)" klagte Raphael mehrmals
seinem Castiglione: Daß die neuern Staaten nicht
so, wie «die alten, dem Künstler alle Blüthen ih-
rer Schönheiten vor Augen stellen, um aus ihrem
Anschau'n sich das Ideal für ihre.Götter zu bilden".
„Aber" (fügt der lose Vogel hinzu) „warum
sieht man denn, mit Bedauern (?), in seiner
Madonna della Sedia, und in mehr als Einer
Figur des Göttermals, immer seine geliebte Be-
ckerinn wieder?"
Wir haben nämlich oben gesehn, daß vasari
(ob mit Grund oder aus Versehn, ist uns unbe-
kannt), den Triumph der Galathea, welches eines
der Bilder der Loggia Ghigi (Farnesina) in ei-
nem eigenen Zimmer ausmacht, in eine namhaft
frühere Epoche, nämlich zwischen die Fertigung der
ersten und das Beginnen der zweyten Vatikanischen
Stanze setzt. Dagegen kömmt er mit allen übri-
gen Nachrichten überein, welche, wo nicht das
Entstehen, doch die Vollendung der Gallerie von
Klein-Farnese dem späthern Zeitpunkte zueignen,
von welchem jetzt die Rede ist. Wohl drückt sich
hierüber Roscoe 132) am richtigsten aus: „In
Mußestunden, welche Raphael seine Arbeiten für
Leo X. zuließen, kehrte er in das Haus seines
Freundes Chigi zurück, und malte dort" (einen
zweyten Grund, warum langsam, haben wir ja
gleich oben vernommen!) „die bekannte Gallerie."
Einen Exeurs, nach neuester deutscher Art und
Kunst, macht hier Sanzio's oft angeführter geist-
reicher Biograph 133), wesentlich wie folgt: „Bis-
hieher haben wir Raphael immer noch als Reli-
gionsdichter betrachtet, in welchem Felde sein Ruhm
ohne Zweifel am höchsten steht. So wie Phidias
in seinem Zeus und in seiner Athene, Polycletus
in seiner Here oder Juno, Praxiteles in seiner
Aphrodite und Eros, die vollendetsten Ideale der
griechischen mythologischen Kunst darstellten, aus
dieselbe Weise wurden die Hauptideale der christli-
chen Kunst, Christus als Kind und als Mann, die
Apostel, die Patriarchen mit ihrer kmdllch - einfäl-
tigen Nomadenwclt, hebräische Gesetzgeber, Pro-
pheten und Könige, christliche weibliche Heilige,
vor allen andern besonders die Jungfrau Maria,
als Königin des Himmels wie als Gottesmutter
in den erhabensten und lieblichsten Gestalten gebil-
det, zu denen die christliche bildende Kunst sich je
zu erheben vermochte. In diesen seinen Gestalten
allein spiegelt sich der eigenthümliche, mystisch-
ruhige, schöne Sinn des neuen Glaubens, durch-
aus verschieden von der mehr sinnlich verständigen
127) Ein Beyspiel folgt gleich unten. Bottart dann macht allerlep uunöthkge Luftsprünge, um unfern Künstler
von den Beschuldigungen des frommen Vasari rein ru waschen, und nachdem er in einer Anmerkung zu
obiger Stelle erzählt, daß Raphael sich feiner schönen Beckerin als Modell bedient habe, fetzt er — kein
Mensch merkt anfangs, wie dies angeflogen kömmt — gleich hinzu: „Es war aber Raphael ein Mann von
größter Höflichkeit und den beßten Manieren, gesittet, und äusserst ehrbar im Reden und Thun; daher sich
auch in seinen Werken (gegen die Gewohnheit anderer Künstler seiner Zeit) nicht das geringste Unanständige
findet". „Aber" (erst jetzt ersieht man das Ziel) „aus großer Begierde, zur Vortreflkchkeit zu gelangen,
zeichnete er, bey seinen Studien, immer zuerst die Figur nackend, welche er nachwerts bekleiden wollte."
Und daß es namentlich seine Fornarkna war, die ihm hiefür die meisten Dienste le stete, wird hierauf aus
einer RaphaelLschen Zeichnung bewiesen, die Mariette besaß, in welcher eine nackte Frauensperson er-
scheint, gerade mit derselben Physiognomie und mit denselben allzudicken Hüften, wie dergleichen sein Lieb-
chen besaß. Sein natürliches Nacktes verbesserte er dann nach den Antiken, oder vielmehr nach den Ideen,
welche er aus diesen geschöpft hatte.
r28) Gestochen ist dieses Bildniß für Crozat von N. de Larmessm, in Schwarzkunst von van Somer (1676.), und
endlich von le Blond in England, in Farben.
129) /' ^Prcr'6 p. 94. — ä« Lab. IV. dlro. 20.
130) Gestochen wurde dieses Bildniß, unsers Wissens, in altern Tagen niemals, sondern zuerst, und einzig (mit-
telmäßig) von I. Chereau für Crozat. Dann im bloßen Umrisse (jämmerlich) im Manuel t. c.
-Zi) Das: per l'amore cbs xortsvs sä «»a LUS äonns in der Urschrift ist freylich noch etwas ärger»
LZ2) Gesch. Leo X. (D. Uebers.) Th. II. S. 40L,
-Z5) ^lmsnsek s. kom r8!v, 8. r»ü—Za.