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Füssli, Johann Rudolf; Füssli, Johann Heinrich [Editor]; Füssli, Johann Rudolf [Contr.]
Allgemeines Künstlerlexikon oder Kurze Nachricht von dem Leben und den Werken der Mahler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Kunstgießer, Stahlschneider ... (2,7, Anhang): welcher das Leben Raphael Sanzio's, und die Litteratur von dessen Werken in sich faßt — Zürich: Orell & Füßli, 1814

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https://doi.org/10.11588/diglit.59570#0048
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4o
Paul sepen zu roth, gab er ihnen schnell zum Be-
scheid: „Wundert Euch nicht, meine Herren! Das
that ich mit Ueberlegung, da man vermuthen darf,
daß diese beydcn Heiligen im Himmel eben so sehr
als hier ans dem Bilde — erröthen, daß ihre
Kirche von solchen Leuthen, wie Ihr seyt^ gelei-
tet wird
Wir haben in der bisherigen Geschichte des Le-
bens und der Werke Raphaels hauptsächlich v asari
zu unserm Leiter genommen; nicht daß uns das
durchweg Lückenhafte, und, in der Zeitfolge zumal,
so ganz Unzuverlaßige seiner Erzählung nicht beß-
tens bekannt wäre. Aber immerhin bleibt derselbe
doch die erste Quelle, aus welcher auch alle nach-
folgenden Biographen unsers Künstlers geschöpft,
und solche nicht selten, bald durch vermeinte Ver-
schönerung entstellt, bald durch Uebersehen man-
chen charakteristischen Zuges nicht hinlänglich benutzt
haben. Wir selbst bedienten uns bey unsrer Arbeit
der vorzüglichsten Sienenser-Ausgabe dieses Kunst-
geschichtschreibers, mit den Zusätzen und Erläute-
rungen des P. della Valle, welche zuglckh alle
diejenigen der Römischen Ausgabe von Borrari
in sich fassen, und Lhaten dabcy das unsrige, mit
möglichst geflissener Nachlese dessen hinzu , was wir
von andern mehr und minder bewährten Schrift-
stellern Entdecktes, noch auffinden konnten.
Eine Hauptläcke bey vasari auszufällen, haben
wir indessen gestissentlich bis hieher verspart; jene
nämlich, die sich in seiner Herzählung, selbst ei-
niger der vorzüglichsten Raphaelischen Staffelei-
Bilder, um so viel ungegreislicher findet, da bis
zu seiner Zeit (Frankreich ausgenommen) noch keine
derselben ins Ausland gegangen, und er hingegen,
von dem, was zu Rom, Florenz u. s. f. aufge-
sunden, bisweilen auch des Unbedeutender», mit
hvchgetriebenen Lobpreisungen Erwähnung thnt.
Unsre Nachlese ist folgenderer)
Vorderst in Italien selber, nenus Richardson
ui. 4°. zu
I. Mailand.
in der Ambrosianischen Mblivtheck, doch bloß als
zweifelhaft, eine Fußwaschung von halb lebensgroßen
Figuren, von welcher indessen bloß behauptet wird,
daß hierin del vaga solche angefangen, und
Raphael sie beendigt habe 202). Volkmann
dann I. 274—75. gedenkt dieses Bildes nicht mehr;
dafür aber zweyer Raphaelischer Kartone, der
Schule von Athen (dessen wir schon oben S. 10. Not.
44. Erwähnung gethan und der jetzt in Paris seyn
soll), und der Schlacht des Maxentius, von wel-
cher sich Original-Zeichnungen auch anderwärts finden
(s. oben S. ZZ. Not. 173.)- Dann in der Sakristei)
der Kirche Madonna di St. Celso eine H. Fami-
lie: Maria, das Kind, St. Johann und St.
Joseph, die er aber bloß für Kopie oder ein Werk
aus R. Schule, Eochm hingegen (den wir so
eben nicht bey Händen haben), wo wir nicht irren,
für ächt hält, und zuverlaßig (wir sahen sie in
1765.) ein sehr schönes Bild — vielleicht dasjenige
ist, welches unten in der Gallerie zu Wien, als

von der KK. Maria Theresia angekauft, erscheint.
Ferner nennt Volkmann noch (1. c. 299. ) aus
dem Kabinette eines Mailändischen Buchhändlers
Borella (wir besorgen nur, apokrypisch) Mars und
Venus, in R. erster Manier, welche derselbe für
2ooo. Dukati zu Kauf ausbot. In F. Bartoli's
öells ?itture etc. ö'Itmia I. 165. Wird
noch 1776. in der Gallerie des Erzbischöflichen
Pallastes eine aus Gold und Seide gewirkte H.
Familie mit anberendeu Hirten, Vieh, uleunemae-
clckette (?) und ein er Landschaft,nach Raphaels Zeich-
nung (?) angezeigt. Endlich aber, was nun zuverläßi-
ger als alles Obige seyn mag, sah noch 1313. ein
reisender Künstler, dessen sicherm Urtheil wir trauen
dürfen, in der Gemäldesammlung zu Mailand
(agli Studi genannt), ein Sposalizium der H.
Jungfrau, wie es scheint in Manchem verschieden
von demjenigen, welches vasari beschreibt, und
Lanzi noch an seiner alten Stelle zu Citta di
Castello fand, aber an Werth wohl nicht geringer:
„Eines der köstlichsten Bilder" ( sagt er uns)
„die noch aus R. erster Zeit vorhanden seyn mö-
gen, nnd so frisch erhaltet, wie möglich." In
der Mitte die beyden Verlobten, nnd der sie ei-
nigende Priester; neben Maria eine Gruppe zarter
Jungfrauen; hinter Joseph junge Männer, die
voll Zorns ihre Stäbe brechen, mittlerweile der-
jenige des glücklichen Siegers blüht. Die Scene
ein Heller Marmorplatz; in der Mitte des Hinter-
grunds ein großer Tempel. „Die Vollendung in
der Ausführung, und die Süßigkeit der seelenvol-
len jungfräulichen Gesichter ist nicht zu beschreiben.
Ueberhaupt, dem Style nach, sollte man schwören,
es sey ein Werk des Perugino, aber sein köst-
lichstes 2OZ)."
II. Brescia.
In den: kltturc öi (80. 760.) S.
158. wird, als damals dort im Pallaste der HH.
Ugeri noch befindlich, eine Auferstehung, auf
Holz, von Raphael angezeigt.
III. Padua.
In Roffettss: OescriLione ösllc PItturc etc-,
öl ?uöovu (120. 776.) S. 326. wird bemerkt,
daß sich damals noch im dortigen Pallaste Bn'go
ein kleines Bild: Venus mit Amor befand, das,
der vortrefflichen Zeichnung wegen, einem Raphael
glich.
IV. Mantua.
Nach Eadioli's: OcLcrlLiync öellc pitture etc°
öi MMtovK (30. 76Z.) S. 17. werden (neue)
Tapeten nach Raphaels Apostelgeschichten genannt,
die sich in der dortigen Sakristei der Kirche St.
Barbara in Corte befinden sollen; dann aus dessen
Schule (S. 78.) eine, besonders für schone
Köpfe vortreffliche Predigt St. Johanns des Täu-
fers.
V. Parma.
Hier sah Richardson noch, in der Herzoglichen

-o>) Es versteht sich aber von selbst: Daß, so vieler ruhmredigen falschen Taufen der Merkuren, R-.'isebcsckreiber
und Cicerone nicht zu gedenken ( welche so manches schöne oder doch — schwarze Bild aus Raphaels
Schule, kühnlich dem Meister zueignen), eine bedeutende Anzahl der nunmehr anzuführenden Bilder sich
nicht mehr an der angezeigten Stelle befinden; daß es aber dessen ungeachtet nicht minder von mannigfalti-
gem Nutzen seyn kann, die (fo viel man erfahren konnte) jüngsten Besitzer derselben zu kennen, als Leit-
faden, um den Stellen nachzufpüren, wo sie sich gegenwärtig befinden mögen; um hiernächst von einer Menge
Stichen nach Raphael zu urtheilen, wo die Urbilder herrühren, u. s. f.
202) Dergleichen kennt man gestochen von Marc Anton oder dessen Schülern, dann von Jacob Florentinus
(1550.), von Wilhelm Sylvius Busca, in Helldunkel von A. Andreani (1609.) u. s. f. In wir Mir
solche aber mit dem angezeigten Bilde übereifikmmen, ist uns unbekannt.
20Z) Noch fügt unser Künstler bey: „Eine Kopie des nämlichen Bildes sah' ich in der Kapelle del Velo drlla
Madonna, im Dome zu Perugia." Wir hinwieder würben keinen Anstand nehmen, zu denken, daß unser
Bild kein anderes, als das vormals in Citta dk Castello befindliche sey. Nur findet sich in den Beschreib
bringen von Vasari und Lanzi jener in unserer Vorstellung angebrachten sinnigen Sitte des Stabbrechens
keine Erwähnung gethan; und zuverlaßig ist das Blatt des alten Meisters, das sich auch bey Landon nach-
gebildet findet (s. oben S. 4. Not. 8.) nicht nach dem unsrigen. Dort geht die Handlung mitten im Tempel
zwischen zwey gewundenen prächtigen Säulen vor; und von dem Stabebrechen findet sich darinn ebenfalls nickt
die geringste Spur.
 
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