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Furtwängler, Adolf [Hrsg.]
Die Sammlung Sabouroff: Kunstdenkmäler aus Griechenland (Band 1) — Berlin, 1883-1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.1120#0351
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SONNENAUFGANG.

TAFEL LXIII.

In der einfachen Malerei auf der oberen Fläche des Deckels einer (lachen Büchse'), wie sie
die Frauen bei der Toilette gebrauchten, sehen wir die leuchtende Morgenröthe sich erhebe» aus den
lernen unendlichen Ruthen des Okeanos, sehen wir das erblassende fliehende Lieht des Mondes und
die strahlend emporsteigende Sonne. Wir sehen dies natürlich nicht in einer die Natur selbst nach-
bildenden Malerei, die ja den einlachen Mitteln und der Technik der griechischen Vasen überhaupt
ganz lern liegt, aber auch nicht in blossen andeutenden Symbolen, sondern in lebenden, handelnden,
menschlichen Gestalten, die uns iniicmpiindcn lassen, was der Himmel erlebt.

Der Zug bewegt sich nach rechts. Voran stürmen die vier Rosse der Eos, die selbst in geflügelter
Gestalt auf ihrem Wagen steht; die Jochpfcrdc sind deutlich geschieden von den beiden Ncbcnrossen,
die in ihrem ungestümen Feuer nach vorn weit ausgreifen und von der vorgebeugten Eos kräftig
gebügelt werden. Hinter ihr sind einige Sterne angedeutet und unten spriessende Blumen der. freilich
in weiter Tiefe zu denkenden. Erde. Es folgt die. ruhig reitende Sclcnc, eine ungcflügeltc Frauen-
Gestalt in einfachem Gewände: die Rechte stützt sie auf den Rücken des Pferdes und blickt um zu
Helios, dessen Zweigespann hinter ihr emportaucht. Von seinen Wagen sieht man nur das oberste
Ende des Randes. Der jugendliche, langgclocktc Gott, der nur mit dem Oberkörper sichtbar ist.
lenkt die Rosse empor, deren Joch. Brustschmuek (iföiaga) und Deichsel von Golde glänzen; es ist das
XQvaotoyo» tinim des Homerischen Hymnus [3i, i.V. Üebcr seinem Haupte aber schwebt die goldene
runde Sonnenscheibe selbst, die Strahlen nach allen Seiten entsendei. Alle drei Gestalten haben
Diademe mit Zacken, die wieder an den Homerischen Hymnos erinnern, der von Sclcnc sagt: arilßet öi

t'tiulftmio: itiju ynfdfiw <h(u GtHffii>oi>.

Relativ erst ziemlich spät kam die griechische Kunst zu dieser persönlichen Gestaltung der
Lichtgottheiten. Diese selbst blieben auch durch das ganze Alterthum mit ihrem Natursubstrate auf's
engste verbunden. Bei Fos und Sclcnc dachte man wohl immer, und namentlich in alterer Zeit, zu-
nächst ah die Naturerscheinung, nicht an die Person; mehr feste Persönlichkeit hatte Helios, doch
vergass mau auch bei ihm nie die Sonne.

Es bildeten die Künstler Griechenlands indess schon in den frühesten Zeiten Sonne, Mond und
Sterne, aber nicht persönlich, sondern in symbolischer Andeutung ihrer natürlichen wirklichen Gestalt.
So schildert der Dichter inmitten des Schildes des Achill die Bilder der Sonne, des Mondes und der
Sterne 'II. iS, 483 ff.}, und wie wir uns diese etwa zu denken haben, lehn ein Ring aus einem
Mykenischen Grabe und älteste Gemmen -;. Doch noch Äeschylos, indem er das Schildzeichen des
Tydeus beschreibt (sept. 3S8 ff.\ den Himmel voll Sternen und die /.«pno« nwwrfity'oc in der Mitte, das
Auge der Nacht, denkt offenbar nicht an menschliche Gestalt, und auf dem delphischen Teppich in
Euripides. Jon (1146 IT.) werden zwar Helios und Nyx zu Wagen, doch der Mond nur als wxtog
7Mv<st).ip>os geschildert.

Elias und Odyssee, obwohl sie so häufig die Sonne auf- und niedergehen lassen, erwähnen doch
)_______________

') Aus Athen. Durchmesser 0,17, In .kr Mine des Deckels ist der Thcil eines Bronicringcs erhalten, der als*
Handhabe diente. — Von den vergoldeten Thcilcn ist meist nur die aufgchUhte gelbrothc Ttionumerlage erhalten.
;; Vgl. Mikhhüfer, Areh. Ztg. iSSJ, S. 25o.
 
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