Endlich ist es für die Dafirmig der Tanagräer auch von Bedeutung, dass unter den sicher erst
dem dritten bis ersten Jahrhundert angchürigen Terracotten von Myrina solche existieren, weiche
jene nachzuahmen scheinen, oder doch auf dieselbe gemeinsame Quelle zurückgehen wie jene; es
werden daher beide Gattungen kaum durch einen allzu grossen zeitlichen Zwischenraum getrennt
gewesen sein.
Indess müssen wir uns auch hüten, die Tanagräer zu spat anzusetzen. Sic sind im Ganzen
gewiss alter, als die Masse der myrinaischen Terracotten, wo die oben bezeichneten für die hellenistische
Kunst charakteristischen Elemente noch viel mehr zum Durchbruch gekommen sind als in Tanagra.
Hier finden sie sich zwar, und die Datierung muss von ihnen ausgehen, aber neben ihnen wird doch
noch viel von den alteren Traditionen beibehalten. Freilich werden die früheren Motive immer
etwas umgestaltet und dem ganzen Geiste dieser Terracotten angepasst. So geschah es z. B. mit der
schönen uns in der Sophoklesslatue erhaltenen Composition (vgl. Taf. CVIII. C1X1). Ein Blick auf
unsere Tafeln genügt, um zu sehen, dass die oben geschilderte Gewandbchandlung noch keineswegs
die allein herrschende ist, wie sie es in Myrina allerdings wird. Und wo sie auftritt, da geschieht
es doch noch ohne die spatere Raffinerie. Der dünne kleine Mantel ist doch nur selten als
durchsichtig behandelt (so Taf. CHI. CXV1I) und immer noch herrschen einfach grosse Faltcn-
züge vor5).
All diese Erwägungen bestimmen uns, den Tanagraern des schönen Stiles die Periode unmittelbar
nach Alexander und die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts als Entstehungszeit zuzuweisen.
Woher nahmen die tanagraischen Koroplastcn aber zumeist ihre Anregung':1 Diese Frage ist
auch dann berechtigt, wenn wir anerkennen, welche reiche Erfindung ihnen noch eigen war; nur
selten finden wir ja Anlehnungen an bekannte statuarische Typen3) und niemals kommen, wie unter
den kleinasiatischen Terracotten der spateren hellenistischen Zeit, directe Wiederholungen alterer
statuarischer Werke vor. Dennoch müssen wir natürlich nach bestimmten Quellen der Anregung
fragen. Diese scheinen nun weniger im Gebiete der Sculptur als in dem der Malerei gelegen zu
haben. Wir haben in den Texten zu den Tafeln mehrfach darauf hingewiesen, dass gewisse Motive
aus der Malerei entlehnt sein möchten*). Die grosse Verwandtschaft der tanagraischen Madchen mit
den Gestalten auf den uns in Italien erhaltenen Wandgemälden der alteren Stilarten1') bestätigt uns in
jener Vermuthung. Jene Aehnfichkeit erstreckt sich sowohl auf die Tracht selbst, einschliesslich der
Art der Färbung der Kleider als auf den Gewandstil und das ganze Gcbahrcn der weiblichen Figuren").
Diese Bilder aber dürfen mit ziemlicher Sicherheit auf Erfindungen der grossen Blüthezeit der Malerei
um und unmittelbar nach Alexander's Zeit zurückgeführt werden.
Man könnte daran denken, die tanagraischen Koroplastcn speciell von der thebanischen Maler-
schule abhängen zu lassen. Indess Hesse sich dies weder beweisen noch selbst wahrscheinlich machen.
Denn die Blüthe jener unter Aristides fallt doch in wesentlich frühere Zeit, als wir die Ausbildung
der tanagraischen Kunstart setzen dürfen. Und dann ist letztere keine locat vereinzelte Erscheinung,
sondern steht im Zusammenhang mit parallelen Entwicklungen an ganz verschiedenen Orten. Die
Bedeutung der localen Kunstschulen schwindet ja überhaupt in der Zeit nach Alexander völlig und
') Vergl. was wir zu Tal". CXKV (mit Nachtrag' bemerkt, wonach die Artemis von!
zwischen dem alteren prax keuschen und dem spateren hellenistischen Stadium der Composition e
-) Vergl. auch z. B. Taf. XC1V mit der Polyhymnia-Statue, wobei Motiv und Faltenbehandiung an der Terracotte
einen Ulteren Eindruck machen als an der Statue.
') Z. B. in der Aphrodite Taf. XCV. XCVI; der Frau mit dem Spiegel Taf. XCVI1I.
JJ Vergl. zu Taf. XC. XCII. CXIV.
*) Des von Mau sogenannten ■». und 3. Stiles.
') Man vgl. namentlich folgende, slimmtlich dem 3. Stil und dem sog. idealen hellenistischen Genre angehürige
pompeianische Biider: Hclbig No. >4-3i. 1432. 1433. 1435.1437. 1433. 1441. 1442. 1446". 1447. 1462. Femer z, B. die beiden
im Hintergründe des farnesinischen Bildes mit der Pflege des Dionysoskindes stellenden Nymphen; auch die Aldobrandinische
Hochzeit, die dem „dritten" Stile angehöre- — Auf die Verwandtschaft pompeianischer Wandmalereien hat auch Kekule,
Thonfig. von Tanagra S. 23 aufmerksam gemacht.
dem dritten bis ersten Jahrhundert angchürigen Terracotten von Myrina solche existieren, weiche
jene nachzuahmen scheinen, oder doch auf dieselbe gemeinsame Quelle zurückgehen wie jene; es
werden daher beide Gattungen kaum durch einen allzu grossen zeitlichen Zwischenraum getrennt
gewesen sein.
Indess müssen wir uns auch hüten, die Tanagräer zu spat anzusetzen. Sic sind im Ganzen
gewiss alter, als die Masse der myrinaischen Terracotten, wo die oben bezeichneten für die hellenistische
Kunst charakteristischen Elemente noch viel mehr zum Durchbruch gekommen sind als in Tanagra.
Hier finden sie sich zwar, und die Datierung muss von ihnen ausgehen, aber neben ihnen wird doch
noch viel von den alteren Traditionen beibehalten. Freilich werden die früheren Motive immer
etwas umgestaltet und dem ganzen Geiste dieser Terracotten angepasst. So geschah es z. B. mit der
schönen uns in der Sophoklesslatue erhaltenen Composition (vgl. Taf. CVIII. C1X1). Ein Blick auf
unsere Tafeln genügt, um zu sehen, dass die oben geschilderte Gewandbchandlung noch keineswegs
die allein herrschende ist, wie sie es in Myrina allerdings wird. Und wo sie auftritt, da geschieht
es doch noch ohne die spatere Raffinerie. Der dünne kleine Mantel ist doch nur selten als
durchsichtig behandelt (so Taf. CHI. CXV1I) und immer noch herrschen einfach grosse Faltcn-
züge vor5).
All diese Erwägungen bestimmen uns, den Tanagraern des schönen Stiles die Periode unmittelbar
nach Alexander und die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts als Entstehungszeit zuzuweisen.
Woher nahmen die tanagraischen Koroplastcn aber zumeist ihre Anregung':1 Diese Frage ist
auch dann berechtigt, wenn wir anerkennen, welche reiche Erfindung ihnen noch eigen war; nur
selten finden wir ja Anlehnungen an bekannte statuarische Typen3) und niemals kommen, wie unter
den kleinasiatischen Terracotten der spateren hellenistischen Zeit, directe Wiederholungen alterer
statuarischer Werke vor. Dennoch müssen wir natürlich nach bestimmten Quellen der Anregung
fragen. Diese scheinen nun weniger im Gebiete der Sculptur als in dem der Malerei gelegen zu
haben. Wir haben in den Texten zu den Tafeln mehrfach darauf hingewiesen, dass gewisse Motive
aus der Malerei entlehnt sein möchten*). Die grosse Verwandtschaft der tanagraischen Madchen mit
den Gestalten auf den uns in Italien erhaltenen Wandgemälden der alteren Stilarten1') bestätigt uns in
jener Vermuthung. Jene Aehnfichkeit erstreckt sich sowohl auf die Tracht selbst, einschliesslich der
Art der Färbung der Kleider als auf den Gewandstil und das ganze Gcbahrcn der weiblichen Figuren").
Diese Bilder aber dürfen mit ziemlicher Sicherheit auf Erfindungen der grossen Blüthezeit der Malerei
um und unmittelbar nach Alexander's Zeit zurückgeführt werden.
Man könnte daran denken, die tanagraischen Koroplastcn speciell von der thebanischen Maler-
schule abhängen zu lassen. Indess Hesse sich dies weder beweisen noch selbst wahrscheinlich machen.
Denn die Blüthe jener unter Aristides fallt doch in wesentlich frühere Zeit, als wir die Ausbildung
der tanagraischen Kunstart setzen dürfen. Und dann ist letztere keine locat vereinzelte Erscheinung,
sondern steht im Zusammenhang mit parallelen Entwicklungen an ganz verschiedenen Orten. Die
Bedeutung der localen Kunstschulen schwindet ja überhaupt in der Zeit nach Alexander völlig und
') Vergl. was wir zu Tal". CXKV (mit Nachtrag' bemerkt, wonach die Artemis von!
zwischen dem alteren prax keuschen und dem spateren hellenistischen Stadium der Composition e
-) Vergl. auch z. B. Taf. XC1V mit der Polyhymnia-Statue, wobei Motiv und Faltenbehandiung an der Terracotte
einen Ulteren Eindruck machen als an der Statue.
') Z. B. in der Aphrodite Taf. XCV. XCVI; der Frau mit dem Spiegel Taf. XCVI1I.
JJ Vergl. zu Taf. XC. XCII. CXIV.
*) Des von Mau sogenannten ■». und 3. Stiles.
') Man vgl. namentlich folgende, slimmtlich dem 3. Stil und dem sog. idealen hellenistischen Genre angehürige
pompeianische Biider: Hclbig No. >4-3i. 1432. 1433. 1435.1437. 1433. 1441. 1442. 1446". 1447. 1462. Femer z, B. die beiden
im Hintergründe des farnesinischen Bildes mit der Pflege des Dionysoskindes stellenden Nymphen; auch die Aldobrandinische
Hochzeit, die dem „dritten" Stile angehöre- — Auf die Verwandtschaft pompeianischer Wandmalereien hat auch Kekule,
Thonfig. von Tanagra S. 23 aufmerksam gemacht.