die Flmh einer immer gleichmässiger werdenden Kunst überdeckt die verschiedensten Gebiete.
Dennoch ist es möglich, dass manches von dem Individuellen, das den Tanagraern doch anhaftet, in
der thebanisch-attischen Malerei des vierten Jahrhunderts seine Würze! habe.
Indem wir die historische Stellung der tanagraischen Tcrracotlen schönen Stiles zu fixieren ver-
suchten, durften wir ihre relative Inferiorität gegenüber den höchsten Leistungen der attischen Kunst
vor Alexander nicht verschweigen. Dass wir aber die eigenthümlichen und ausserordentlichen Vor-
züge derselben wohl zu schätzen und zu bewundern wissen, haben wir in den Texten zu unsern
Tafeln vielfach anzudeuten Gelegenheit gehabt. Sie sind jedenfalls die schönsten anmuthigsten Reste
der Kunst nach Alexander, die uns überhaupt erhalten sind. In voller Frische, Scharfe und
Schönheit zeigen sie uns jene Ideale, welche sich in den Wandgemälden in Italien nur getrübt
wiederspiegeln.
Nicht wenig trügt zu ihrer Wirkung die Technik bei, in der sie ausgeführt sind1). Diese ist
zwar im Wesentlichen dieselbe, wie anderwärts bei den Terracotten derselben Epoche, d. h. es wird
die Figur aus einer Form gewonnen und der Kopf, sowie alle abstehenden Theile besonders angesetzt
und frei modelliert — wahrend man in älterer Zeit die ganze Gestalt aus der Form drückte und alles
Abstehende vermied —; doch bei den Tanagraern ist die Modellierung besonders frisch und scharf,
was namentlich den Köpfen ihren grossen Reiz verleiht. Auch pflegen die Gewander noch mit dem
Modcllierstecken überarbeitet zu sein, wodurch sie ebenfalls eine schöne Frische erhielten. — Endlich
ist die Bemalung bei den Tanagraern eine besonders geschmackvolle und sorgfaltige. Die Färbung
der Thonarbeiten war ein seit Alters feststehender Gebrauch bei den Griechen. Unsere Tafeln und
die Beschreibungen im Texte überheben uns näherer Ausführungen; nur vor einem häufig begegnenden
Irrthum sei hier gewarnt, der sich aus den tanagraischen Terracotten glaubt von den bemalten
Marmorfiguren praxitclischer Kunst eine Vorstellung machen zu können. Marmor und Terracotta,
monumentale Werke und kleine Nippsachen wurden von den Alten auch in Bezug auf Fürbung
durchaus verschieden behandelt2).
Da unsere Sammlung von kleinasiatischen Terracotten nur wenig enthalt, so mögen hier einige
Worte über dieselben genügen. Von der uns jetzt so genau bekannten Fabrik von Myrina, die indess
nur sehr wenig künstlerisch Bedeutendes geliefert zu haben scheint und wohl eine ziemlich inferiore
Stellung einnahm, befindet sich kein Stück in der Sammlung, dagegen einige von anderen klein-
asiatischen Fabriken der hellenistischen Epoche, d. h. des dritten bis ersten Jahrhunderts v. Chr. In
Bezug auf Feinheit der Ausführung und Schönheit der Technik bleiben letztere alle weit hinter der
tanagraischen zurück. Die Köpfe namentlich sind stumpf im Vergleiche zu denen von Tanagra. Die
Bemalung ist grüber, die Fleischfarbe derb und ohne alle Zartheit; der weisse Ueberzug auf dem
Thone ist schlechter und weniger haltbar. Dagegen sind freilich die dargestellten Gegenstande viel
mannichfaltiger und interessanter, und wenn auch die Feinheit des Einzelnen fehlt, so finden wir
dafür eine breite malerische Behandlung, rauschende Bewegung und gesteigerten Ausdruck der
Empfindungen. In grösseren Gruppen werden ganze malerische Compositionen wiedergegeben.
Aeltere Vorbilder werden stark ausgebeutet, aber meist in den eigenen neuen Stil umgearbeitet.
Ein charakteristisches Beispiel hierfür haben wir im Texte zu Taf. CXLVII publiciert und be-
sprochen. Auch Motive, die wir von den Tanagraern kennen, finden wir hier in neuer Weise
behandelt wieder';.
Die Nike unserer Taf. CXXX1V, die in Kyme gefunden sein soll, ist eine feine Einzelfigur einer
Fabrik, die derjenigen nahe steht, welche die grossen Gruppen und seltener nur Einzelfigurcn
geliefert hat. Diese seit etwa sechs Jahren in beträchtlicher Anzahl in den Handel gebrachte Gattung
') Das Beste über die Technik s. bei Martha, catal. des figur. eu terra cuite ä Äthanes, p. XXI ff.
-1 Vgl. meinen Aufsatz in der Nation, Nov. iSS5, No. S, S. 111 II.
') Z. B. die Knßchclspielerin (jetzt in Kopenhagen) Sammlung Hoffmann, iSSö No. 5? pl. XI Frühner, .
üi-ii kleiiiashuisdieii Stiles
Dennoch ist es möglich, dass manches von dem Individuellen, das den Tanagraern doch anhaftet, in
der thebanisch-attischen Malerei des vierten Jahrhunderts seine Würze! habe.
Indem wir die historische Stellung der tanagraischen Tcrracotlen schönen Stiles zu fixieren ver-
suchten, durften wir ihre relative Inferiorität gegenüber den höchsten Leistungen der attischen Kunst
vor Alexander nicht verschweigen. Dass wir aber die eigenthümlichen und ausserordentlichen Vor-
züge derselben wohl zu schätzen und zu bewundern wissen, haben wir in den Texten zu unsern
Tafeln vielfach anzudeuten Gelegenheit gehabt. Sie sind jedenfalls die schönsten anmuthigsten Reste
der Kunst nach Alexander, die uns überhaupt erhalten sind. In voller Frische, Scharfe und
Schönheit zeigen sie uns jene Ideale, welche sich in den Wandgemälden in Italien nur getrübt
wiederspiegeln.
Nicht wenig trügt zu ihrer Wirkung die Technik bei, in der sie ausgeführt sind1). Diese ist
zwar im Wesentlichen dieselbe, wie anderwärts bei den Terracotten derselben Epoche, d. h. es wird
die Figur aus einer Form gewonnen und der Kopf, sowie alle abstehenden Theile besonders angesetzt
und frei modelliert — wahrend man in älterer Zeit die ganze Gestalt aus der Form drückte und alles
Abstehende vermied —; doch bei den Tanagraern ist die Modellierung besonders frisch und scharf,
was namentlich den Köpfen ihren grossen Reiz verleiht. Auch pflegen die Gewander noch mit dem
Modcllierstecken überarbeitet zu sein, wodurch sie ebenfalls eine schöne Frische erhielten. — Endlich
ist die Bemalung bei den Tanagraern eine besonders geschmackvolle und sorgfaltige. Die Färbung
der Thonarbeiten war ein seit Alters feststehender Gebrauch bei den Griechen. Unsere Tafeln und
die Beschreibungen im Texte überheben uns näherer Ausführungen; nur vor einem häufig begegnenden
Irrthum sei hier gewarnt, der sich aus den tanagraischen Terracotten glaubt von den bemalten
Marmorfiguren praxitclischer Kunst eine Vorstellung machen zu können. Marmor und Terracotta,
monumentale Werke und kleine Nippsachen wurden von den Alten auch in Bezug auf Fürbung
durchaus verschieden behandelt2).
Da unsere Sammlung von kleinasiatischen Terracotten nur wenig enthalt, so mögen hier einige
Worte über dieselben genügen. Von der uns jetzt so genau bekannten Fabrik von Myrina, die indess
nur sehr wenig künstlerisch Bedeutendes geliefert zu haben scheint und wohl eine ziemlich inferiore
Stellung einnahm, befindet sich kein Stück in der Sammlung, dagegen einige von anderen klein-
asiatischen Fabriken der hellenistischen Epoche, d. h. des dritten bis ersten Jahrhunderts v. Chr. In
Bezug auf Feinheit der Ausführung und Schönheit der Technik bleiben letztere alle weit hinter der
tanagraischen zurück. Die Köpfe namentlich sind stumpf im Vergleiche zu denen von Tanagra. Die
Bemalung ist grüber, die Fleischfarbe derb und ohne alle Zartheit; der weisse Ueberzug auf dem
Thone ist schlechter und weniger haltbar. Dagegen sind freilich die dargestellten Gegenstande viel
mannichfaltiger und interessanter, und wenn auch die Feinheit des Einzelnen fehlt, so finden wir
dafür eine breite malerische Behandlung, rauschende Bewegung und gesteigerten Ausdruck der
Empfindungen. In grösseren Gruppen werden ganze malerische Compositionen wiedergegeben.
Aeltere Vorbilder werden stark ausgebeutet, aber meist in den eigenen neuen Stil umgearbeitet.
Ein charakteristisches Beispiel hierfür haben wir im Texte zu Taf. CXLVII publiciert und be-
sprochen. Auch Motive, die wir von den Tanagraern kennen, finden wir hier in neuer Weise
behandelt wieder';.
Die Nike unserer Taf. CXXX1V, die in Kyme gefunden sein soll, ist eine feine Einzelfigur einer
Fabrik, die derjenigen nahe steht, welche die grossen Gruppen und seltener nur Einzelfigurcn
geliefert hat. Diese seit etwa sechs Jahren in beträchtlicher Anzahl in den Handel gebrachte Gattung
') Das Beste über die Technik s. bei Martha, catal. des figur. eu terra cuite ä Äthanes, p. XXI ff.
-1 Vgl. meinen Aufsatz in der Nation, Nov. iSS5, No. S, S. 111 II.
') Z. B. die Knßchclspielerin (jetzt in Kopenhagen) Sammlung Hoffmann, iSSö No. 5? pl. XI Frühner, .
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