314 KRESILAS
bekannt ist (Taf. XIV). Dieser Abguss ist, obwohl als Büste gestaltet,
doch sichtlich von einer Statue genommen. Der Kopf war, wie man noch
erkennen kann, gebrochen und aufgesetzt. Von dem verschollenen Originale
habe ich erst nach langem Suchen eine Spur entdeckt; der Abguss stammt
offenbar von der Statue, welche Cavaceppi racc. I, 9 abbildet als in
London im Besitze von Enrico Jennings befindlich, und ist wohl an-
gefertigt als die Figur noch in Rom war.1 Nach Michaelis2 ward die
Sammlung Jennings später verauktioniert und jene Statue, von Cavaceppi
als „atleta" bezeichnet, kam in Lord Cadogan's Besitz. Sie wird sich sicher
noch in England befinden. Diese dritte Replik nun scheint die best er-
haltene und stilistisch treueste zu sein. Die Beine scheinen im wesent-
lichen alt; wenigstens haben sie die richtige Schrittstellung und richtige
Proportion; am rechten Bein ist wieder ein Baumstamm als Stütze ge-
wählt. Das Gewand scheint hier allein vollständig erhalten; es fällt in
einfachen breiten Falten bis gegen das Knie herunter. Die beiden Unter-
arme scheinen ergänzt. Die Brust entbehrt auch hier des Schwertbandes,
was uns darin bestärkt, dasselbe bei der Münchner Replik als Zuthat anzu-
sehen. Den Kopf können wir im Abguss genau vergleichen. Hier sehen nun
die Haare auf den ersten Blick sehr verschieden von denen des Münchner
Exemplares aus, und zwar in der Photographie noch mehr als wenn man
die Abgüsse selbst neben einander stellt. Bei genauerem Zusehen bemerkt
man aber, dass — mit ganz geringen Varianten — Locke für Locke
übereinstimmt und der Unterschied nur in der verschiedenen Ausarbeitung
liegt; am Münchner Kopfe ist der Grund um jede Locke herum viel tiefer
herausgeholt; dadurch werden die Locken selbst bedeutend schmäler; die
zahlreichen flach eingegrabenen Innenlinien aber, welche sie an jenem
Abguss zeigen, werden hier durch wenige und tief eingehauene Linien
ersetzt. Es ist natürlich, dass diese Differenz sich bei dem vollen Haupt-
haare viel mehr geltend macht als bei den flachen kleinen Löckchen des
Bartes. Daran kann aber gar kein Zweifel sein, dass der Dresdener Ab-
guss das Haar richtiger, dem Originale entsprechender wiedergiebt als die
Münchner Statue; letztere bildet augenscheinlich eine Vorlage um, wo das
Haar aussah wie am Dresdener Kopfe. Auch das an letzterem erhaltene
Gewandstück, das zwar in allen Hauptfaltenzügen mit dem Münchner über-
einstimmt, aber eine einfachere Behandlung gleich dem Pariser zeigt, und
ferner das Fehlen des plastischen Schwertbandes spricht für grössere Treue.
1 Auch Winkelmann kannte sie und erwähnt sie mit der Albani'schen, jetzt Münchner
Statue zusammen in der Kunstgeschichte Buch 5, Kap. 5, § 35 wegen der. gequetschten
Ohren. Indem er jedoch angiebt, die Statue Jennings sei ehemals im Palaste Verospi ge-
wesen, irrt er; dies war die Albani'sche Statue nach Bracci, die des Jennings kam von
Cavaceppi.
ä Anc. sculpt. in gr. Brit. p. 93, Anm. 242.
bekannt ist (Taf. XIV). Dieser Abguss ist, obwohl als Büste gestaltet,
doch sichtlich von einer Statue genommen. Der Kopf war, wie man noch
erkennen kann, gebrochen und aufgesetzt. Von dem verschollenen Originale
habe ich erst nach langem Suchen eine Spur entdeckt; der Abguss stammt
offenbar von der Statue, welche Cavaceppi racc. I, 9 abbildet als in
London im Besitze von Enrico Jennings befindlich, und ist wohl an-
gefertigt als die Figur noch in Rom war.1 Nach Michaelis2 ward die
Sammlung Jennings später verauktioniert und jene Statue, von Cavaceppi
als „atleta" bezeichnet, kam in Lord Cadogan's Besitz. Sie wird sich sicher
noch in England befinden. Diese dritte Replik nun scheint die best er-
haltene und stilistisch treueste zu sein. Die Beine scheinen im wesent-
lichen alt; wenigstens haben sie die richtige Schrittstellung und richtige
Proportion; am rechten Bein ist wieder ein Baumstamm als Stütze ge-
wählt. Das Gewand scheint hier allein vollständig erhalten; es fällt in
einfachen breiten Falten bis gegen das Knie herunter. Die beiden Unter-
arme scheinen ergänzt. Die Brust entbehrt auch hier des Schwertbandes,
was uns darin bestärkt, dasselbe bei der Münchner Replik als Zuthat anzu-
sehen. Den Kopf können wir im Abguss genau vergleichen. Hier sehen nun
die Haare auf den ersten Blick sehr verschieden von denen des Münchner
Exemplares aus, und zwar in der Photographie noch mehr als wenn man
die Abgüsse selbst neben einander stellt. Bei genauerem Zusehen bemerkt
man aber, dass — mit ganz geringen Varianten — Locke für Locke
übereinstimmt und der Unterschied nur in der verschiedenen Ausarbeitung
liegt; am Münchner Kopfe ist der Grund um jede Locke herum viel tiefer
herausgeholt; dadurch werden die Locken selbst bedeutend schmäler; die
zahlreichen flach eingegrabenen Innenlinien aber, welche sie an jenem
Abguss zeigen, werden hier durch wenige und tief eingehauene Linien
ersetzt. Es ist natürlich, dass diese Differenz sich bei dem vollen Haupt-
haare viel mehr geltend macht als bei den flachen kleinen Löckchen des
Bartes. Daran kann aber gar kein Zweifel sein, dass der Dresdener Ab-
guss das Haar richtiger, dem Originale entsprechender wiedergiebt als die
Münchner Statue; letztere bildet augenscheinlich eine Vorlage um, wo das
Haar aussah wie am Dresdener Kopfe. Auch das an letzterem erhaltene
Gewandstück, das zwar in allen Hauptfaltenzügen mit dem Münchner über-
einstimmt, aber eine einfachere Behandlung gleich dem Pariser zeigt, und
ferner das Fehlen des plastischen Schwertbandes spricht für grössere Treue.
1 Auch Winkelmann kannte sie und erwähnt sie mit der Albani'schen, jetzt Münchner
Statue zusammen in der Kunstgeschichte Buch 5, Kap. 5, § 35 wegen der. gequetschten
Ohren. Indem er jedoch angiebt, die Statue Jennings sei ehemals im Palaste Verospi ge-
wesen, irrt er; dies war die Albani'sche Statue nach Bracci, die des Jennings kam von
Cavaceppi.
ä Anc. sculpt. in gr. Brit. p. 93, Anm. 242.