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546 PRAXITELES

der Vorzeit gefeiert.1 Man hat nicht ohne Wahrscheinlichkeit vermutet,
dass Phryne nach der Zerstörung ihrer Heimat Thespiä durch die Thebaner
zuerst nach Athen gekommen sei, indem die Thespier sich damals hilfe-
suchend nach Athen wandten (wahrscheinlich 373/2) ;2 jedenfalls muss sie
als Thespierin vor dieser Zeit geboren sein und sie braucht damals keines-
wegs mehr ein Kind gewesen zu sein;3 ihr Verhältnis zu Praxiteles kann
in die unmittelbar folgende Zeit fallen; es wird ohnedies am wahrschein-
lichsten in die Jugend des Künstlers gehören. Bei jener Zerstörung der
Heimat waren die Tempel indes natürlich geschont worden;* Phryne schickte
dem Gotte der Vaterstadt von ihren Erfolgen in Athen ein grosses Weih-
geschenk, obwohl die Stadt in thebanischem Besitz und ihre Mauern ge-
schleift waren;5 gegen die private Frömmigkeit und Stiftungen in die Tempel
hatten die Thebaner gewiss nichts einzuwenden, da sie ja nur das
politische Gemeinwesen aufgelöst hatten.

Das Weihgeschenk der Phryne scheint aus drei Statuen bestanden zu
haben; denn neben dem Eros stand ein Bild der Phryne und eines der
Aphrodite von Praxiteles Hand; vermutlich stand der Eros in der Mitte
zwischen beiden6 und die Gruppe war ganz analog der des Satyrknaben
zwischen Dionysos und Methe (S. 535 Anm. 1). Dass die Hetäre ein Bild
von sich selbst weihte, entsprach ja nur einem alten Brauche. Dass das
vergoldete Bild der Phryne von Praxiteles, das in Delphi stand, ein Weih-
geschenk der Hetäre selbst war, ist ausdrücklich überliefert.7 Es wird, da
es durch das Material wie durch den Ort der Aufstellung eine Steigerung
gegen das thespische Weihgeschenk bezeichnet, gewiss später sein als jenes.

1 Poseidippos bei Athen, p. 591 e.

2 Xenoph. Hell. 6, 3, 1. Vgl. v. Stern, Gesch. der spartan. u. thebanischen Hegemonie S. 119.

3 Wie Sal. Reinach, Gaz. archeol. 1887, 283 annimnt, indem er sie c. 375 geboren sein
lässt; sie kann um 335 ebensogut eine fünfzig- wie einen vierzigjährige P'rau gewesen sein.
Overbeck (sächs. Ber. 1893, S. 40 ff.) lässt im Zusammenhang mit seiner falschen Spätdatierung
des Praxiteles die Phryne erst nach 372 geboren werden, indem er annimmt, Thespiä sei
gleich wieder besiedelt worden, wogegen die Ueberlieferung spricht (vgl. unten Anm. 5).

4 In dem ganz gleichartigen Falle von Platää ist dies ausdrücklich überliefert (Paus. 9,1, 8).

5 Da Thespiä wie Platää, von dem es überliefert ist, erst nach Chäroneia wiederaufgebaut
worden zu sein scheint — dass es 343 noch nicht hergestellt war, zeigt Demosth. de f.
leg. in. 325—so muss Phryne's Weihgeschenk jedenfalls in die Zeit fallen, wo die Mauern
zerstört und die Bürger zerstreut waren; denn dasselbe erst nach dem Wiederaufbau zu setzen,
würde allem, was wir von Praxiteles wirklich sicheres wissen, wiedersprechen. Und warum
sollte Phryne mit dem Danke an ihren heimatlichen Gott gewartet haben, bis die Thespier
wieder ihre Mauern und politische Unabhängigkeit hatten? ■— Brunn, bayr. Sitzungsber.
1880, 448 will es allerdings für möglich halten, dass Praxiteles für Platää und Thespiä erst
nach deren Wiederaufrichtung gearbeitet habe, doch nur weil er Klein wiederlegen will,
der gemeint hatte, jene Werke müssten vor die Zerstörung datiert, also dem älteren Praxiteles
zugeschrieben werden.

6 Wenn Alkiphron die Phryne sagen lässt, sie stände in der Mitte zwischen Eros und
Aphrodite, so ist das offenbar nur rhetorische Wendung.

' Paus. 10, 15, 1. Dass die nspixTfovs; (Athenäus) oder die "EUr)V£S (Aelian) die
Statue geweiht hätten, sind natürlich Missverständnisse.
 
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