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S EINLEITUNG

als unser schöner Tempel; er Hess sich nicht irre machen durch die Figur der Athena
in den beiden Giebeln und erkannte schon, dass diese für die Benennung des Tempels
nichts beweise. Die neuen Ausgrabungen haben seinem divinatorischen Blicke Recht
gegeben. Er ist der erste Entdecker des Tempels der Aphaia auf Aegina.

Sehr spärlich sind die Nachrichten, die uns über die Göttin Aphaia aus dem
Altertume erhalten sind.1 Insbesondere ist der Verlust des pindarischen Liedes zu
beklagen.2 Der Fall Aeginas und die ausschliessliche Herrschaft der athenischen Literatur
bewirkten, dass Aphaia späterhin in Vergessenheit geriet. Erst die hellenistische Poesie,
die so manche lokale Legende aufstöberte, scheint die Aphaia wieder beachtet zu haben.
Wahrscheinlich auf Nikandros Verwandlungen geht die Erzählung bei Antoninus Liberalis
(transform. 40) zurück, und bei Pausanias 11, 30, 3 liegt des Kallimachos Erzählung der
Britomartislegende zu Grunde (Kall., dg "Aqt, 189 ff.). Allein die hellenistischen Dichter
haben diese Legenden nicht erfunden, sondern nur dichterisch gestaltet und belebt.

Aphaia ist nach Pausanias auf Kreta heimisch, und die Kreter erzählen: die Brito-
martis, die Tochter des Zeus und der Karme, liebte Lauf und Jagd und war drum eine
liebe Freundin der Artemis. Ausserhalb Kretas wurden, wie es scheint schon ziemlich
früh, Britomartis und Diktynna mit Artemis identifiziert; allein im kretischen Kultus war
Artemis eine durchaus getrennte Göttin, wie inschriftlich überlieferte alte Schwurformeln
lehren; und so ist Artemis auch in der kretischen und aeginetischen Legende eine Brito-
martis-Aphaia zwar befreundete, aber von ihr verschiedene Göttin. Britomartis nun wird
von König- Minos geliebt; allein sie ist spröde und will nichts von ihm wissen; Minos
verfolgt sie; raschen Laufes entflieht sie und stürzt sich ins Meer; doch sie fällt in Netze,
welche Fischer ausgespannt hatten und wird gerettet. Bei Antoninus wird dies offenbar
ursprüngliche bei Kallimachos und Pausanias überlieferte Motiv modifiziert und verdorben,
indem sie dort nur zu Fischern flieht, die sie mit ihren Netzen bedecken. Britomartis
wird nun, so wird weiter berichtet, von Artemis zur Gottheit gemacht und auf Kreta
auch unter dem Namen Diktynna verehrt, auf Aegina unter dem Namen Aphaia; denn
die Aegineten sagen (paivtaOai atpiaiv tv 77/ vrptaT-fyv ßyiröfiayrii';! damit ist die aus-
führlich von Antoninus erzählte Legende gemeint, wonach Britomartis, nachdem sie vor
Minos Nachstellungen gerettet war, auf einem Boote mit einem Fischer nach Aegina
kommt; auch der Fischer indes verfolgt sie mit seiner Liebe; sie springt, ihm entfliehend,
ans Land und flüchtet in einen Hain, dahin wo jetzt ihr Heiligtum ist, und hier ver-
schwand sie, y.dvrav&a ty^vtro ä(pavr$. Die Legende suchte den Namen ^'Aipaia offenbar
durch ätpavf$ zu erklären.

Ausser an den genannten Stellen wird Aphaia nur noch im Lexikon des Hesych
genannt: "Atpattt' 1) Aixrwva, xal "AfftSfus, und mit Diktynna identifiziert, die gewöhnlich
auch der Artemis gleichgesetzt wurde. Auch in Ps, Virgil, Ciris 303 erscheint Aphaia
der Diktynna und Britomartis gleichgesetzt.

Die Aegineten leiteten also ihre Göttin Aphaia aus Kreta her und setzten sie
der dortigen Diktynna und Britomartis gleich. In der Legende der letzteren ist der
eigentlich charakteristische alte Zug der Sprung ins Meer. Man hat neuerdings bemerkt,
dass dieser Meersprung einer ganzen Reihe von sehr alten Mythen eigentümlich ist und

1 Vgl. nun folgenden meine Ausführungen in Siliuafftber. d. Bayer. Atad. igoi, S.37sß.

= Kin von den Neuere» fälschlich nnf die* Lied bezogenes Fragment des Pin dar (Frg. 59 BÖCKH, ahoi. Ariil.
cqu. U63) feiert vielmehr Leto mit ihren Kindern (Si/sringsler, d. Bayer. Akademie ipot, S. 376).

3 Stntt i'ai'rsaOm hat KalKman.v vermutet «ipin; yrn'mlia oder ih;-iirinf)ijrni, was Hitxk;-])lümnkk an gen om nie 11 haben-
 
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