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Tafel 61/62 Herakles im Kample gegen Amazonen g

dünnten Pinsellinien gegeben. An den Halsfiguren der Vorderseite haben drei
ausgesparten Haarkontur, an denen der Rückseite haben alle nur die alte Ritzlinie.

Der grosse Bildfries auf dem Bauche der Vase schildert den Kampf, den
Herakles mit seinem Genossen Telamon gegen das Heer der Amazonen zu be-
stehen hatte. Welche Entwicklung die Darstellung dieser Sage in der archaischen
Kunst, die sie sehr liebte, genommen hat, habe ich in Roschers Lexikon der
Mythol. I, Sp. 2202, eingehend dargelegt, worauf ich hier verweise.1) Das herrschende
alte Motiv der Hauptgruppe ist, dass Herakles mit der Linken eine zur Flucht
gewandte oder in die Kniee gesunkene Amazone am Helme, Schilde, Arme, an
der Schulter oder den Haaren festhält und sie zumeist mit dem Schwerte oder
mit Lanze oder Keule bedroht.' Hiervon weicht unser Gcfäss ab. Hier liegt eine
schwer verwundete Amazone zu Füssen des Helden; doch drei unverwundete
Amazonen kämpfen gleichzeitig gegen ihn. Herakles fasst keine der Amazonen
an, sondern ist in einem in der statuarischen Kunst der später archaischen Epoche
ausgebildeten Typus dargestellt: weitausschr.citend, hält er mit vorgestreckter Linken
den Bogen und zwei Pfeile, in der hochgehobenen Rechten schwingt er die Keule.
Für die Geschichte dieses Typus verweise ich auf meine Ausrührungen in Roschers
Lexikon der Mythol. I, Sp. 2141 ff", und 2150 f. Dem Helden ist der Name bei-
geschrieben (Hepcwdec;}; die gefallene, aus vier Wunden blutende, als Hoplit aus-
gerüstete Amazone, deren Auge brechend dargestellt ist, heisst Kydoime (Kuooiue),
ein für das Schlachtgetümmel sehr passender Name, der aber sonst nicht vorkommt;
er ist offenbar entlelmt von dem durch die Ilias bekannten Schlachtendämon Kydoimos
(!'■ 5i593I TS,535). Die beiden eng nebeneinander auf Herakles losgehenden Amazonen,
beide in HopHtenrüstung, heissen Hypsipylc (geschrieben 'YcpCejiuXe; für die Aspiration
am Anfange ist kein Platz, sie fehlte also; der vierte Buchstabe ist sichere)2) und
Thraso (©paöo); die dritte Gegnerin des Herakles ist in skythischer Bogenschützen-
tracht dargestellt und heisst Teisipyle (Tei0i;ru,\s). Während der Name Thraso nur
auf den kühnen Mut der Kriegerinnen anspielt, schwebte dem Maler bei den anderen
beiden Namen wohl der Gedanke an die Amazonen als-Beschützerinnen ihrer Stadt
und deren Thore vor. Eine altattische, schwarzfigurige Vase (Inghirami, vasi fittiii
301 ff.; H. Thiersch, tyrrhenische Amphoren, S. 64 mit Abb.) stellt des Herakles
Amazonenkampf durch das Bild der Amazonenstadt erweitert dar; über dem hohen
Thore erscheinen zwei gerüstete Amazonen zum Kampfe bereit, für welche jene
Namen Hypsipyle und Teisipyle recht gut passen würden.

Die dichterische Gestaltung der Sage, die zu Grunde liegt, ist uns leider
verloren. Es muss darin geschildert gewesen sein, wie Herakles mit seinem Freunde
Telamon und anderen Helden vor die Amazonenstadt Themiskyra zieht; die Königin
Hippolyte verspricht ihm ihren Gürtel zu geben; allein Hera stachelt das Heer der
Amazonen auf,' die bewaffnet heranstürmen; Herakles glaubt sich verraten, tötet
Hippolyte, nimmt ihr den Gürtel, und nun beginnt der Kampf mit dem Amazonen-
heer vor der Stadt, in welchem Herakles und Telamon natürlich Sieger bleiben.3)

*) Vgl. auch die späteren Bebandlungen von Corty, de Amazonum unti
1891, S. 3 ff. und ß. Graf in Pauly-Wissown, Rcallex. I, 1773 «"•
a) Diese Inschrift, ist bisher noch nicht vollständig gelesen gewesen; di
1 ihm bekannten Teilen den Namen Hypsipyle erschlossen.
3) Apollod. II, 5, 9, 7. Vgl. Corcy, de Amnz. nntiqu. flg. p. 37 ff. 42.
 
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