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TAFEL 65

DIE WEISSGRUNDIGE HERA-SCHALE

IN MÜNCHEN

In der Reihe der uns erhaltenen Schalen mit Innenbild auf weissem Grunde
ist die hier wiedergegebene eine der vorzüglichsten und am besten erhaltenen.l)
Wir haben schon eine von dieser Gattung kennen gelernt (Taf. 49), die aber etwas
älter ist als die vorliegende, welche dem Ende des strengen Stiles, wohl der Periode
um 470 angehört, wo diese Technik besonders beliebt war, indem man strebte,
wenigstens in einzelnen bunten Figuren auf weissem Grunde etwas der grossen
Malerei Verwandtes zu erreichen. Das Schaleninnere war der beste Raum für
solche Versuche.

Unser Maler hat nur eine Figur in das Innere gesetzt, die majestätisch
wirkt. Es ist die grosse Herrin Hera ('Hpct steht daneben), die das mit goldenen
Buckeln "gezierte Scepter mit der Linken aufstützt, die Rechte ist vom Mantel ver-
hüllt und gebogen; die Füsse stehen beide mit voller Sohle auf (sie trägt Sandalen),
doch ist das linke Bein etwas entlastet und das Knie tritt hervor. Der feine
Chiton erscheint nur unten; der Mantel ist aus schwerem Stoffe gedacht und zeigt
breite purpurne Bänder, die mit gelben Ornamenten geziert sind. Der Mante!
bricht nur in wenigen grossen Falten.

Es giebt ein statuarisches Werk, das einst berühmt gewesen und in mehreren
Kopieen erhalten ist und das, bis auf den Umstand, dass dort auch der Kopf
von dem Mantel verhüllt ist, ausserordentlich übereinstimmt mit unserer Figur und
auch in derselben Epoche entstanden sein muss: die schöne, jüngst von Amelung
rekonstruierte strenge Statue, Rom. Mitth. XV, 1900, Taf. 3, 4.

Unsere Hera trägt ein goldenes Halsband, ferner lang wallendes loses Haar,
das nur über der Stirn in kleine Löckchen endet, und ein mit Gold und mit
Palmetten verziertes hohes Diadem, das in Gestalt und Schmuck demjenigen
gleicht, das die argivischen und elischen Münzen dem Hera-Kopfe geben, der
wahrscheinlich auf die etwa 50 Jahre später als unsere Vase entstandene Statue
Polyklcts zurückgeht. Polyklet ist offenbar einer älteren Tradition gefolgt. Das
Profil ist von wunderbar feinem Zuge; das Auge noch ganz in strenger Art; nur
ist der Augenkontur nach innen offen.

Wo das Innenbild dem Künstler so sehr die Hauptsache war wie bei
unserer Schale, da pflegen mit richtigem Takte die Aussenbilder flüchtiger zu
sein. Hier ist, in der gewöhnlichen rotfigurigen Technik, die Sage von Triptolemos
dargestellt, der auf seinem geflügelten und mit Rädern versehenen Thronsessel,2)

') S. das Verzeichnis dieser Schalen bei Hartwig, Meisterschalen, S, 499 ff., wo die vorliegende
S. 501 als Nr. 16 aufgeführt ist. O. Jahn Nr. 336. Abg. F. T/iUrsJi, über die hellenischen bemalten Vasen,
Taf. 3. Hiernach bei Ovcrbeck, Atlas zur Kunstmyihol., Taf. 9, 19 (Innenbild); Taf. 16, 4 a, b (Aussen-
bilder), dar.u Text II, S. 541, Nr. 39. Eine kleine photographische Abbildung des InnenbÜdcs gab
Farne!!, the cidts of the greek states I, pl. VII1), p. 224.

a) Ein Tlironscssel, nicht ein Wagen, ist regelmässig des Triptolemos Sit?.; vgl. meine Antike
Gemmen III, S. 208, Anm. 1.
 
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