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42 Tafel 68 Deckelschale aus Kertsch, Ermitage zu St. Petersburg

Die Übereinstimmung in der Zeichnung ist so gross, dass man denselben Meister
vermuten möchte; die Jünglingsfigur ist indes viel flüchtiger. Zu beachten ist auch
der fortlaufende Rankenfries oben und unten am Gewände des Mädchens. Die
Figur ist ca. 17 cm hoch.

Die Zeit der Vasengruppe, die wir als die »Kertscher« bezeichnet haben,
wird durch die stilistisch zu ihr gehörenden, datierten panathenäischen Amphoren
(deren Daten von 367 bis 313 v. Chr. reichen) bestimmt1), wozu sich bestätigend
Funde in Ägypten gesellen (Textl, S. 206 f.). Es ist die ausgebildete Kunstweise
des vierten Jahrhunderts, die von jener früheren, der Phidiasischen Schule parallel
gehenden der Meidias-Vasen so vollständig verschieden ist.

Es giebt noch eine Denkmälergattung, die bisher noch niemals in Zusammen-
hang mit Vasen gebracht worden zu sein scheint und die doch die allernächste
Verwandtschaft mit der uns hier beschäftigenden »Kertscher« Vasengruppe dar-
bietet, eine Gattung, deren Zeit bisher immer nur in das vierte Jahrhundert oder
noch später bestimmt worden ist; die gravierten griechischen Metallspiegel.

Bekanntlich besitzen wir eine grössere Anzahl von kreisrunden, griechischen
Bronzespiegeln ohne Griff,2) deren Spiegelfläche durch einen Deckel geschützt war,
dessen Aussenseite durch ein getriebenes Relief geziert zu sein pflegt. Eine kleine
Zahl dieser Spiegel tragt auf der Unterseite ein graviertes Bild, dessen Figuren bei
den feineren Exemplaren versilbert zu sein pflegen.3)

In den zum Teil köstlichen Zeichnungen dieser Spiegel findet man die aller-
nächsten Analogien zu unserer »Kertscher« Vasengruppe, obwohl jene Spiegel
sicher nicht attischer Herkunft wie dieVasen, sondern sehr wahrscheinlich korinthische ,
Arbeit sind. 4) Jene Stilisierung des Gewandes, die wir oben an unserer Vase charakte-
risierten, finden wir an den Spiegelgravierungen genau so wieder. Ferner sind die
ganze Auffassung, Motive und Gebärden von gleicher Art. Ja, selbst einzelne Figuren
finden dort ihre Gegenstücke, wie der sitzende Zeus unserer Tafeln 69 und 70 an
dem sitzenden Korinthös des schönen, mit Inschriften ausgestatteten Spiegels im
LouvreS), oder der mit der Vase in den Händen eilende Eros unserer Deckel-
schale an dem Eros eines jener Spiegel.6) Und auch eine Zeichengewohnheit, wie
dass die Brustwarzen auch bei bekleideten, weiblichen Figuren mit vollem Kreise
geben werden, findet sich übereinstimmend hier wie dort.

Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, geben wir hier auf der Beilage

') Die fragmentierten Vasen, die aus dem Grabe des Dexileos stammen sollen und sich im
Museum of finc arLs in Boston befinden, zeigen den hier behandelten Stil noch nicht.

a) Vereinzelt ist der Griffspiegel in Berlin, Antiqunrium Inv. 8519, der mit Gravierung "federt
ist; er gehört in ältere Zeit als die Übrigen.

3) Vgl. tiber die Klasse namentlich Dumont-Chaplain (Pottitr), ceramiques II (1890), p. 199 ff.,
244 ff.; de Siddtr, Bronzcs de la socicte arch. ä Athenes (1S94), p. 41 f.; derselbe im Bull. torr. hell.
(1899), p. 317 ff., pl. 2; Walters, Cataloguc of the bronzes, British Mus., p. 4t ff., pl. 9, Arch. Anzeiger
1891, 123, 6. — Durch Gefälligkeit von G. fCurte konnte ich auch die im Apparat des arch, Instituts
befindlichen Zeichnungen unedierter Stücke einsehen, unter denen eine gravierte, obseöne Darstellung
auf einem Spiegel aus Megara (er soll jetzt im Besitze von Herrn Warren in Lowes sein), ein Meister-
werk der Zeichnung ist. — Ein sehr schönes Sttlck ist neuerdings vom Loitvre erworben worden: eine
nackte Frau, die einen Eros umfassl, der den Bogen abschiesst auf einen hinzuzudenkenden Geliebten.

4) Vgl. in Samml. Sabouroff zu Taf. 147, S. 2.

5) Monum. grecs 1873 pl. 3. Dumont-Chaplain, ceramiques II, pl. 31; p, 167 ff.

6) Dumont-Chaplain, ceramiques II, p. 198, fig. 14.
 
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