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64 Tafel 71 Hetären und Musikunterricht

Auch das grössere Bild auf dem Bauche der Vase ist der Wirklichkeit ent-
nommen. Ein Mann und ein Jüngling sitzen sich gegenüber mit der Leier in den
Händen. Der Jüngling spielt mit Plektron und Fingern; der Mann scheint sein
Instrument zu stimmen. Zwischen beiden steht ein Knabe, ganz in den Mantel
gehüllt, ruhig, gerade aufrecht; es ist die Stellung, die einem wohlgezogenen Knaben
vor seinem Lehrer ziemte. Die bekannte Schale des Duris mit der »Schulscenes
stellt drei Knaben in diesem Typus vor ihren sitzenden Lehrern stehend dar. Der
Lehrer ist hier ohne Zweifel der bärtige Mann rechts, der durch einen Lehnstuhl
ausgezeichnet ist. Nebenbei bemerkt, bietet diese Vase wohl eines der frühesten
Beispiele des Vorkommens dieses schönen attischen Stuhltypus mit den geschweiften
Beinen. Der auf gewöhnlichem Stuhle sitzende Ephebe mit der Leier ist wohl
auch als Schüler des Mannes zu denken; er übt das Leierspiel und sitzt dabei
ebenso wie der leierspielende Ephebe jener Schale des Duris. Der stehende Knabe
muss wohl ein Gedicht aufsagen. Links am Ende des Bildes steht ein Mann auf
knotigen Stock gestützt; es ist wohl der Aufseher der Jugend, der Pädagoge.
Allen Figuren sind Namen beigeschrieben. Die Inschriften gehen alle von oben
nach unten. Der Lehrer rechts heisst Smikythos (ZuixuSoc; rechtsläufig); der gleiche
Name ist auf einer gleichzeitigen Hydria des Euthymides einem Krotalen spielen-
den Jüngling einer Symposionscene beigeschrieben;J) der Knabe heisst Tlcmpolcmos
(TXeujroXe|ioq linksläufig);2) dieser Name ist uns auch als der eines Fabrikanten
zierlicher schwarzfiguriger sog. Kleinmeister-Schalen bekannt; der Knabe hier kann
natürlich nicht diesen, er könnte höchstens etwa dessen Sohn darstellen; allein der
Knabe bedeutet in dem Bilde offenbar den Sohn eines vornehmen Hauses, der musi-
kalischen Unterricht geniesst. Der sitzende Ephebe heisst Euthymides (EOruuioei;
linksläufig);3) es ist derselbe Name, dem wir auf dem Schulterbilde begegneten;
nur ist er hier statt mit der Aspirate ($) mit der Tenuis (z) geschrieben, was wohl
nur ein Schreibfehler ist.4) Euthymides ist der Name eines uns wohl bekannten
Vasenmalers, der aber damals kein Ephebe mehr gewesen sein wird; die Figur
ist also gewiss kein Bildnis des Vasenmalers; es ist nur sein Name zur Bezeichnung
eines vornehmen jungen Atheners verwendet. Der Pädagoge links heisst Dttnetrios
(.Euerpioc; rechtsläufig}. Am Ende links steht noch eine Inschrift, die zu keiner
Figur gehört; 0. Jahn las öai^oc; und erklärte diesS) als unverständlich; Klein wollte
von unten nach oben öo^tcu; lesen und dies als Scoöick; erklären; mit Recht wandte
sich dagegen Hartwig »weil alle anderen Namen von oben nach unten geschrieben
sind«. Offenbar darf auch diese Inschrift nur wie die anderen von oben nach
unten gelesen werden; es steht aber da ganz deutlich (rechtsläufig) vm^ov; der
erste Buchstaben ist nach der Schreibweise dieser Vase offenbar v nicht ö. Ich glaube,
man kann also nur lesen val £«V »ja wahrhaftig gesund, lebendige; ^deo, wie häufig,
in dem Sinne von in voller Lebenskraft stehen und gedeihen; das bekräftigende
vai kommt auf Vasen dieser Epoche mehrfach vor. Der Maler hatte links einen
Platz für eine Inschrift frei; wissen wir es ihm Dank, dass er statt des gewöhn-

■) Arcli. Ztg. 1873, Taf. 9.

a) Dns My ist verkehrt hemm geschrieben.

3) Das My verkehrt herum geschrieben.

4) Vgl. die Ähnlichen Beispiele bei Kretschmar, griech. Vaseninschriften,
auf unserer Vase fälschlich 9- gelesen, das nicht da stellt

5) Im Philol. a. a. O. 223, Anm. 106.
 
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