288 Studien Ober die Gemmen mit Künstlerinschriften.
mutung angewiesen sind, werden wir, wenn wir den prachtvollen Stil der Gemme
und die für Berenike I durch die Münzen gesicherte besondere Fülle der Formen
erwägen, doch immerhin diese am wahrscheinlichsten finden.
Der berühmte Bronzekopf aus Herculaneum mit den gedrehten Locken *
darf hier nicht ganz übergangen werden. Er wird seit Visconti2 gewöhnlich als
Berenike bezeichnet; doch beruhte die Benennung damals nur auf dem Irrtume,
der in jenen Münzen mit dem Isiskopfe Berenike sah. Jetzt steht die Sache
aber etwas anders: die Züge sind entschieden die eines Porträts und zwar einer
Frau3 von besonders vollen und kräftigen Formen; dazu kommt die Binde mit
Schleife, welche die Königin bezeichnet. Die Züge könnten leicht derselben
Person angehören, die auf der Gemme dargestellt ist; nur wäre sie in letzterer
etwas mehr idealisiert. Die vorstehende Unterstirn und das volle Untergesicht
sind wesentliche Übereinstimmungen. In derselben herculanischen Villa ist be-
kanntlich ein vorzüglicher Bronzekopf des Ptolemaios Soter gefunden, der einst
das Gegenstück jenes weiblichen Kopfes sein konnte.4 Ich glaube, daß hiernach
auch für letzteren die Wahrscheinlichkeit vorliegt, daß er Berenike I in der Haar-
tracht der Isis darstellt. Ich möchte jedenfalls in diesem wie dem Ptolemaios-
kopfe Originale bester hellenistischer Zeit sehen. Wenn unsere Vermutung richtig
ist, so hat der Künstler des Bronzekopfes die Herrin mehr in ihrer wirklichen
Erscheinung, mit ihrem Ausdrucke voll Energie und Kraft, Lykomedes aber mehr
die Erhabenheit der vergötterten Königin geschildert.
3. Zu Athenion. Vgl. Jahrb. Bd. III S. 113ff. [S. 156ff.]. Als ich im Sommer
vergangenen Jahres die Gemmensammlung des Britischen Museums studierte,
Coli, de M., Pierres gravees, Paris 1887, Tat. IV, 411); das Diadem entbehrt hier der Schleife
und es scheinen Ähren daneben angedeutet, es mag also nur Isis gemeint sein. Die
Scheibe auf dem Kopfe ist sehr flüchtig wiedergegeben. Die ganze Arbeit flau.
1 Comparetti e de Petra, Villa Ercolan. Tat. VI. [Frisur modern.]
2 Iconogr. gr. Taf.52; vgl. Bd. 3 S. 198 ff.
3 Daß Comparetti's Versuch (Villa Ercolan. S. 21 ff.), den Kopf Aulus Gabinius zu
nennen, ein ganz verfehlter ist, braucht hier kaum bemerkt zu werden, da dies längst
von zuständigster Seite erwiesen worden ist. Nicht weniger unglücklich ist Comparetti's
anderer Vorschlag, Apollo zu erkennen. Was haben diese entschiedenen Porträtzüge mit
dem Typus des Apollon gemein? Auch scheint mir der weibliche Charakter des Kopfes
besonders durch den echt weiblichen vollen Hals unzweifelhaft. [Vgl. Österr. Jahreshefte
1908 S. 217 ff.]
4 Comparetti, Villa Ercolan. Taf. X, 1; S. 264. [Arndt-Bruckmann, Griechische und
römische Porträts Taf. 101. 102.] Gefunden ist derselbe allerdings weit von der „Berenike",
nämlich am Ende des großen langen Peristyls, aber offenbar, wie auch andere Bronzen
in jener Gegend, nicht am ursprünglichen Platze. Dagegen fand sich die Berenike in
situ auf einem Pilaster links vom Bassin des kleinen ersten Peristyls; der Kopf, der als
Gegenstück einst das gegenüberstehende Postament zierte, fehlte: es ist also möglich,
daß es der Ptolemaios war. Die Größe beider Köpfe paßt zur Annahme von Gegen-
stücken. Die Brust des Ptolemaios scheint ergänzt; und dasselbe scheint der Fall mit der
Füllung der Augenhöhlen der Berenike, die ursprünglich wohl so war wie beim Ptolemaios.
mutung angewiesen sind, werden wir, wenn wir den prachtvollen Stil der Gemme
und die für Berenike I durch die Münzen gesicherte besondere Fülle der Formen
erwägen, doch immerhin diese am wahrscheinlichsten finden.
Der berühmte Bronzekopf aus Herculaneum mit den gedrehten Locken *
darf hier nicht ganz übergangen werden. Er wird seit Visconti2 gewöhnlich als
Berenike bezeichnet; doch beruhte die Benennung damals nur auf dem Irrtume,
der in jenen Münzen mit dem Isiskopfe Berenike sah. Jetzt steht die Sache
aber etwas anders: die Züge sind entschieden die eines Porträts und zwar einer
Frau3 von besonders vollen und kräftigen Formen; dazu kommt die Binde mit
Schleife, welche die Königin bezeichnet. Die Züge könnten leicht derselben
Person angehören, die auf der Gemme dargestellt ist; nur wäre sie in letzterer
etwas mehr idealisiert. Die vorstehende Unterstirn und das volle Untergesicht
sind wesentliche Übereinstimmungen. In derselben herculanischen Villa ist be-
kanntlich ein vorzüglicher Bronzekopf des Ptolemaios Soter gefunden, der einst
das Gegenstück jenes weiblichen Kopfes sein konnte.4 Ich glaube, daß hiernach
auch für letzteren die Wahrscheinlichkeit vorliegt, daß er Berenike I in der Haar-
tracht der Isis darstellt. Ich möchte jedenfalls in diesem wie dem Ptolemaios-
kopfe Originale bester hellenistischer Zeit sehen. Wenn unsere Vermutung richtig
ist, so hat der Künstler des Bronzekopfes die Herrin mehr in ihrer wirklichen
Erscheinung, mit ihrem Ausdrucke voll Energie und Kraft, Lykomedes aber mehr
die Erhabenheit der vergötterten Königin geschildert.
3. Zu Athenion. Vgl. Jahrb. Bd. III S. 113ff. [S. 156ff.]. Als ich im Sommer
vergangenen Jahres die Gemmensammlung des Britischen Museums studierte,
Coli, de M., Pierres gravees, Paris 1887, Tat. IV, 411); das Diadem entbehrt hier der Schleife
und es scheinen Ähren daneben angedeutet, es mag also nur Isis gemeint sein. Die
Scheibe auf dem Kopfe ist sehr flüchtig wiedergegeben. Die ganze Arbeit flau.
1 Comparetti e de Petra, Villa Ercolan. Tat. VI. [Frisur modern.]
2 Iconogr. gr. Taf.52; vgl. Bd. 3 S. 198 ff.
3 Daß Comparetti's Versuch (Villa Ercolan. S. 21 ff.), den Kopf Aulus Gabinius zu
nennen, ein ganz verfehlter ist, braucht hier kaum bemerkt zu werden, da dies längst
von zuständigster Seite erwiesen worden ist. Nicht weniger unglücklich ist Comparetti's
anderer Vorschlag, Apollo zu erkennen. Was haben diese entschiedenen Porträtzüge mit
dem Typus des Apollon gemein? Auch scheint mir der weibliche Charakter des Kopfes
besonders durch den echt weiblichen vollen Hals unzweifelhaft. [Vgl. Österr. Jahreshefte
1908 S. 217 ff.]
4 Comparetti, Villa Ercolan. Taf. X, 1; S. 264. [Arndt-Bruckmann, Griechische und
römische Porträts Taf. 101. 102.] Gefunden ist derselbe allerdings weit von der „Berenike",
nämlich am Ende des großen langen Peristyls, aber offenbar, wie auch andere Bronzen
in jener Gegend, nicht am ursprünglichen Platze. Dagegen fand sich die Berenike in
situ auf einem Pilaster links vom Bassin des kleinen ersten Peristyls; der Kopf, der als
Gegenstück einst das gegenüberstehende Postament zierte, fehlte: es ist also möglich,
daß es der Ptolemaios war. Die Größe beider Köpfe paßt zur Annahme von Gegen-
stücken. Die Brust des Ptolemaios scheint ergänzt; und dasselbe scheint der Fall mit der
Füllung der Augenhöhlen der Berenike, die ursprünglich wohl so war wie beim Ptolemaios.