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Furtwängler, Adolf
Kleine Schriften (Band 2) — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.836#0452
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Neue Denkmäler antiker Kunst I. 443

kationen ist diesem Gesichtspunkte noch kaum Rechnung getragen; auch sind
die besten dieser Köpfe alle unpubliziert und zum Teil weit zerstreut. Eine gute
Auswahl habe ich seinerzeit für das Berliner Antiquarium erwerben können. Nur
eine zusammenfassende Publikation könnte ihnen wirklich gerecht werden. Als
kleine Vorarbeit zu einer solchen seien hier zwei ausgewählte Stücke veröffent-
licht, die zwei verschiedene Stilstufen in besonders charakteristischer Weise ver-
gegenwärtigen. Beide stammen aus privatem Besitze.

Der eine ältere von beiden (Taf. VII [Taf. 47 oben]) wird hier nach dem
Gipsabgüsse gegeben. Er befand sich anfangs der achtziger Jahre im Kunst-
handel; wo er jetzt ist, weiß ich nicht anzugeben. Ich habe nie wieder einen
gleich charaktervollen, sorgfältig ausgeführten Kopf des strengen Stiles aus
Tarent gesehen.1

Das Erhaltene ist 0,12 hoch; die Gesichtslänge beträgt 0,057, die Kopfhöhe
0,077. Der Hinterkopf ist stark verletzt. Es ist ein Mädchen dargestellt mit ge-
scheiteltem Haare, in dem ein Reif liegt, um welchen herum das Vorderhaar
geschlungen und zurückgekämmt ist. Der Ausdruck ist auffallend ernst und 133
finster, das Untergesicht hoch und hart, der Mund breit, die Lippen fest ge-
schlossen. Die Nase springt schräg vor. Die Augen haben dicke Lider in der
Art des strengen Stiles; die Ränder sind etwas abgerieben und dadurch stumpf.
Die Lidöffnung beschreibt ein schmales gestrecktes Oval. Das linke Auge ist
länger als das rechte. Die Brauenbogen springen hart vor und verlaufen ganz
gerade. Das Haar läßt in der Mitte die Höhe der Stirne frei, legt sich an den
Seiten aber tief auf die Stirne herab.

Dieser Kopf ist auffallend nahe verwandt dem des Bronzejünglings von
Ligurio (50. Berl. Winckelmannsprogramm 1890: Eine argivische Bronze, Taf. I,
S. 125), dem Originalwerke aus der Schule des Hagelaidas, ferner auch dem
Bronzekopfe eines Knaben, in dem ich ebenfalls ein argivisches Original erkenne
(Meisterwerke S. 675 f. Taf. 32), und endlich den Kopien des sog. Stephanos-
Athleten, die ich auf Hagelaidas zurückführe.

Hagelaidas hat mehrfach für Tarent gearbeitet (Siegerstatue eines Tarentiners
in Olympia, Paus. 6, 14, 11; große Gruppe vom Staate der Tarentiner geweiht
in Delphi, Paus. 10, 10,6); so wird sein Stil in Tarent wohl bekannt gewesen
sein und Nachahmungen erzeugt haben. Den vorliegenden Kopf möchte ich
unter dem unmittelbaren Einflüsse seiner Werke entstanden denken [vgl. Amelung,
Vatikan I S. 549 Nr. 363].

Von ganz anderer Art ist der zweite der hier veröffentlichten Köpfe (Taf.VIII
[Taf. 47 unten], nach dem Originale). Er ist mit dem Halse 13 cm hoch; die
Gesichtslänge beträgt 6x/2 cm. Er gehörte also zu einer Figur von reichlich einem
Drittel Lebensgröße. Mehrfache Spuren zeigen, daß der Ton mit weißer Schicht

1 Ein guter, doch diesem lange nicht gleichkommender Kopf strengen Stiles ist
Monumenti dell' Inst. XI, 56, 5 abgebildet.
 
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