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Furtwängler, Adolf
Kleine Schriften (Band 2) — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.836#0484
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Neue Denkmäler antiker Kunst II. 475

4. APHRODITE PANDEMOS ALS LICHTGÖTTIN

Zu Elis befand sich ein Heiligtum der Aphrodite; in dem Tempel stand als
Kultbild die Goldelfenbeinstatue des Phidias, die den Beinamen Urania führte; in
dem zugehörigen umhegten Temenos aber stand unter freiem Himmel auf einer
stufenförmigen Basis ein Erzbild der Göttin von Skopas, das sie auf einem Bocke
sitzend darstellte; diese Aphrodite führte den Beinamen Pandemos (Paus. VI, 25,2).
Unter dem Einflüsse der von der Reflexion des Zeitalters der Sqphistik ausgegangenen,
in der Literatur seit Piatons „Gastmahl" (p. 180d) nachweisbaren Scheidung einer
Aphrodite Urania und Pandemos im Sinne einer „himmlischen" und „irdischen"
Liebe hat man früher wohl jene Pandemos des Skopas sich als ein Werk recht
lasziver Auffassung gedacht. Doch als allmählich erhaltene antike Darstellungen
der auf dem Bocke reitenden Aphrodite hier und dort auftauchten, bemerkte man
mit Überraschung, daß sie alle eine besonders ernste und züchtige Auffassung
zeigten; die Göttin war teils ganz, teils größtenteils vom Gewände verhüllt und
trug insbesondere immer den Mantel als Schleier über den Kopf gezogen. Dazu
kamen dann auch Nachbildungen der Statue des Skopas, die auf elischen
Münzen der Kaiserzeit zu Tage kamen; auch sie zeigten die Göttin im vollen
Gewände, im Chiton und dem Mantel, der feierlich als Schleier vom Hinterkopfe
herabwallt.1

Andererseits hatte man aber auch längst erkannt, daß jene populär-philo- 591
sophische Scheidung im wirklichen alten Glauben und Kultus gar kein Fundament
hatte,3 daß die Urania im Kultus genau so irdisch und niedrig wie die Pandemos,
die Pandemos genau so himmlisch und erhaben wie die Urania war. Aus dem
Heiligtume der Pandemos in Athen kam gar die Inschrift einer Weihung zu Tage,
wo eben diese Göttin, die Pandemos, als die große und hehre, als jueydXr] und
aefivrj angerufen wird. Auch bewiesen die aus diesem Heiligtume stammenden
Inschriften, daß Pandemos der offizielle Kultnahme der Göttin war und daß der
Kult ein öffentlicher und in alte Zeit zurückreichender war.3

1 Die Münzen: Imhoof-Blumer and Gardner, Numism. comment. on Pausanias S. 72,
Taf. P, XXIV; zuerst R. Weil in Histor.-philol. Aufsätze Ernst Curtius gewidmet, 1884. Die
sonstigen Denkmäler s. bei Böhm im Jahrbuch d. arch. Inst. IV, 1889, S. 208 ff.; Bethe, ebenda
V, 1890, Arch. Anzeiger S. 27; Collignon in Monuments et Memoires, fondation A. Piot, I,
1894, S. 143 ff.

• Vgl. Preller-Robert, Griech. Mythol. I, S. 355. So bekannt dies ist, so hatte es doch
Reisch vergessen, unter dessen nichtigen Einwänden gegen meine Zurückführung eines
bekannten Statuentypus auf die Aphrodite kv xr\noig des Alkamenes besonders der figuriert,
jene Statue sei nicht feierlich genug für eine Urania, wogegen ich mich in Meisterwerke
der griech. Plastik S. 741 wenden mußte.

3 Lolling im AeXrior äßxawi.. 1889, S. 128. Foucart im Bull, de corr. hell. 1889, S. 156 ff.
Preller-Robert, Griech. Mythol. I, S. 508 Anm. 3. Über die Lage des Heiligtums Dörpf eld in
Athen. Mitteil. 1895, S. 511.
 
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