Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie und Sammler: Monatsschrift der Galerie Aktuaryus, Zürich — 2. Jahrgang, Heft 13.1934

DOI Artikel:
Fischer, Otto: Die Rolle der chinesischen Landschaftsmalerei in der chinesischen Kultur
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.72049#0012
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE ROLLE DER CHINESISCHEN LANDSCHAFTS-
MALEREI IN DER CHINESISCHEN KULTUR*)
VON OTTO FISCHER
Will man eine Erscheinung wie die chinesische Landschaftsmalerei
verstehen, so muß man wissen, welche Rolle sie in der Gesamtheit
der chinesischen Kultur gespielt hat. Diese Frage ist nicht so
schwer zu beantworten, als man bei der vollkommenen Verschieden-
heit des Gefüges dieser Kultur von der unsrigen befürchten möchte.
Es ist uns nämlich über die Malerei der Chinesen eine Fülle der
ausgezeichnetsten Ueberlieferung zugänglich. Auch die Geschichts-
schreibung der chinesischen Kunst ist um tausend Jahre älter als
die abendländische nach der Antike, sie beginnt im 5. Jahrhundert
nacli Christus und ist bis auf unsere Tage ununterbrochen fort-
geführt in einer Literatur, die gerade für die großen Kunstepochen
sehr reichhaltig und wertvoll ist. Ebenso alt, ja noch etwas älter,
ebenso lebendig und reich ist die ästhetische Literatur, die sich mit
den Prinzipien und Methoden der Malerei beschäftigt. Die Ver-
fasser dieser Werke sind zum einen Teile die Maler selbst, zum
andern die aufgeklärtesten und unterrichtetsten Kenner, Gelehrte
und Schriftsteller, die sich auf allen Gebieten des Geistes mit
gleichem Ruhme bewegt haben. Ihnen allen gemeinsam ist die
große Tradition einer einheitlichen, immer verfeinerten, doch nie
in ihren Grundlagen veränderten alten Kultur, welche die gleiche
Uranschauung, die gleichen Wertmaße über die vielen Jahrhunderte
aufgericlitet und festgehalten hat. Auch in China gibt es Entwick-
lung und Wandlung, vielleicht nicht weniger als im Westen, aber
größer als die wechselnden Zeiten und tiefer gewurzelt ist die ur-
alte Einheit der Grundformen alles Lebens, Empfindens, Denkens
und Gestaltens, die das Reich der Mitte bis heute bewahrt hat. Dem
Chinesen ist die Malerei noch heute nichts wesentlich anderes als
vor tausend Jahren. Diese nie abgerissene Kette der Tradition
macht es uns leichter als anderswo, auch die alte Kunst dieses
Volkes zu begreifen.
Wer sind die chinesischen Maler gewesen, und für wen haben sie
ihre Werke geschaffen? Die Antwort ist überraschend. Wir wissen,
daß in Griechenland und Rom, im mittelalterlichen Norden wie in
Italien, in Indien, ja selbst in Japan bis in die höchsten Blütezeiten
der Kunst die schaffenden Künstler aus der Enge des Handwerks
gewachsen sind und erst spät und nicht überall in die Sphäre der

*) Wir entnehmen diesen Abschnitt dem maßgebenden Werk von Otto Fischer
über die chinesische Landschaftsmalerei (Paul Neff Verlag, Berlin).

228
 
Annotationen