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Die Gartenkunst — 8.1906

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Schneider, Camillo: Ziele
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0012
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2

DIE GARTENKUNST

VIII, 1

tragen. Warum soll ich, der ich so heifs neues blühendes
Leben auf dem vielfach ausgedörrten Acker der Garten-
kunst ersehne, nicht die freudig begrüfsen, die da kommen
unser trocknendes Land mit lebendigen Ideen zu wässern!
Ich bemühe mich, überall das zu fördern, was für uns
gut und nützlich scheint, und überall das schädliche Un-
kraut auszureifsen, das gerade auf frisch gepflügtem Lande
so überaus üppig ins Kraut schiefst. Gelingt es unseren
neuen Freunden oft noch nicht, klar das auszusprechen,
was sie empfinden, so dürfen wir doch nicht verkennen,
dal's in all dem, was ein Behrens, Olbrich, Fuchs. Kross,,
Leipheimer, Poelzig uns vor Augen gestellt, was ein
Schultze-Naumburg, Lichtwark.Muthesius zu uns gesprochen,
ein überaus lebendiger Korn steckt. Leiten wir
nur diesen neuen Quell auf unsere Acker, dal's er dort
unsere eigenen schlummernden Ideen zum Keimen und
Entfalten bringt. Sind wir durch Inzucht verkümmert,
so wollen wir die Zufuhr neuen Blutes nicht abwehren.

Uns hat bisher vor allen Dingen ein Blatt gefehlt, in
dem das Kur und Wider in sachlicher und dabei nicht
trockener Weise erörtert zu werden pflegte. Wer die
letzten Jahrgänge der ..Gartenkunst" durchblättert, der
mul's staunen, wie schwach in ihnen der Wiederhall
dessen ist, was die Gemüter draufsen doch so lebhaft
bewegte. Einzelne wenige Artikel treten heraus aus der
toten und unserem Gebiet oft fremden Masse, die sich da
angehäuft hat. Es fehlte die starke wissende Kraft, es
mangelte der Leitung die Energie, die notwendig ist, um
eine Sammlung alles Wesentlichen, eine fesselnde Behand-
lung der vielumstrittenen Lebensfragen herbeizuführen.
Der Redakteur mul's eine treibende Kraft, nicht eine
passiv beharrende darstellen, mul's über den Meinungen
zu stehen suchen und danach trachten, dal's in dem Blatte
sich das ganze Leben auf unserem Gebiete in allen
seinen wechselnden Schattierungen spiegele, damit
jeder Leser einen rechten Überblick über die wirkliche
Sachlage erhält.

Ich will nun der alten Leitung durchaus keine bösen
Worte nachrufen. Wahrscheinlich tat sie, was in ihren
Kräften lag. Sie ist vom Schauplatze abgetreten und hat
einer neuen Platz gemacht. In seiner Darmstädter Rede
hat der neue Leiter unserer Zeitschrift seine Anschauungen
in klarer unmifsverständlicher Weise dargelegt. Wir
hoffen, es steht eine lebendige „Persönlichkeit" am Ruder
und kein Bureaukrat.

Jetzt können wir erwarten, dal's viele für die Garten-
kunst so wichtige Fragen, die bisher in Kunstblättern
behandelt und hier nur flüchtig gestreift oder gar ver-
ständnislos belächelt wurden, eingehend zur Sprache
kommen, dal's Freund und Feind, reiche Gelegenheit er-
halten, sich zu befehden, und dabei der Unbeteiligte nicht
nur lächelnd zuschauen, sondern auch etwas lernen kann.
So viele Künstler, so viele Ansichten. Und von diesem
WTderspiel der Meinungen werden wir hier, hoffe ich,
bald genug eifrig horchende Zeugen sein.

Es ist forner sehr zu wünschen, dafs wir in unserem
Blatte sehen, wie das Gebiet der Gartenkunst weit hin-
über greift in benachbarte Ivunstländereien, wie unsere

Tätigkeit eng verschwistert ist mit Baukunst und
Kunstgewerbe. Bisher haben die dort Schaffenden noch
nicht direkt zu uns gesprochen, es hatte sich eine Kluft
aufgetan, die unüberbrückbar zu werden drohte. Jetzt
dürfte sie zugeschüttet werden und ein reger Verkehr
zwischen diesen Kreifen, die sich so oft schneiden, be-
ginnen.

Aber auch Gebiete unserer eigenen TätigJißit wurden
bisher zu stiefmütterlich behandelt. So das Pflanzen-
material, mit dem wir arbeiten. Vor allem die
Stauden, die leider gar so langsam ihren Einzug in die
Gartenanlagen halten und dabei doch von allerhöchster
Wichtigkeit sind.

Von den Gehölzen gibt es übergenug zu sagen. Die
prächtigen neuen Sachen, die uns Ostasien und Nord-
amerika in letzter Zeit beschert haben, verdienen ein-
gehende Besprechung hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit für
unsere Zwecke. Und dann ist ja aus einer freien Aus-
sprache über die Art und Weise, wie man Pflanzen-
charaktere künstlerisch wirksam in der Anlage zum
Ausdruck bringen kann, eine sehr nützliche Vertiefung
der Anschauungen über Pflanzung usw., zu erhoffen.
Gerade in diesem Punkte mul's eine Änderung der herr-
schenden Auffassungen angestrebt und das Unhaltbare der
beliebten Zusammenhäufung immer wieder schlagend dar-
gelegt werden.

Des weiteren scheint es für die Entwickelung der
Gartenkunst wichtig, wenn möglichst viele charak-
teristische Anlagen an der Hand zahlreicher
Photos ausführlich besprochen werden. Dabei
kommt es aber darauf an. das wirklich Bezeichnende in
den Vordergrund zu rücken, und nicht blol's ein paar gleich-
gültige Partien, wie man sie immer und überall findet,
im Bilde vorzuführen, wie es gelegentlich der Besprechung
mancher bekannten Anlage in früheren Jahrgängen geschah.
Die Photos müssen zahlreich und gut sein und der Text
braucht nur das Notwendigste zu ihrem Verständnis zu
sagen. Stellt man solcher Gestalt landschaftliche Anlagen
in verschiedenen Jahrzehnten ihrer Entwickelung dar, so
kann man aus den Bildern sehr viel Interessantes lernen.

Gleicherweise mul's das Pflanzenmaterial im einzelnen
in guten Photos vorgeführt und das Wesentliche stets
so anschaulich als möglich heraus gearbeitet werden.

Wir können uns da Kunstzeitschriften zum Muster nehmen,
Wenn. darin eine neue Villa, ein neues Wrarenhaus be-
sprochen wird, so geschieht es durch eine Reihe aller-
bester Bilder, die so aufgenommen sind, dal's sie wirklich
das zeigen, was sie sollen. Ich kann mich kaum erinnern,
jemals eine Schilderung einer Gartenanlage gesehen zu
haben, wo die beigegebenen Photos ebenfalls einen völlig
klaren Einblick in das Wesen des Ganzen ermöglicht
hätten.

Es liegen so unendlich viele Aufgaben vor uns, die
der Lösung harren, wir haben es so dringend nötig, uns
über zahlreiche Fragen ernst auszusprechen, dal's ein
joder etwas Brauchbares beisteuern kann.

Allein auf eines möchte ich zum Schlüsse noch hinweisen.
Ich habe selbst Jahre lang in einer Redaktion gesessen
 
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