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Die Gartenkunst — 15.1913

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Nr. 22
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Staehle, Karl: Der grüne Kranz um die Stadt der tausendjährigen Rose
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https://doi.org/10.11588/diglit.28103#0340
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332

DIE GARTENKUNST.

XV, 22

Mein Standpunkt befindet sich über
einen durch den Wall führenden Tor-
weg. Auch dieser Torweg bietet um-
sponnen von Rosen und Bocksdorn
mit seinem Ausguck unter einer
Kastanie an der rechten Seite ein
Motiv echt Hildesheimer Art (Bild 5),
das vor kurzem von seiner charak-
terlosen Umpflanzung mit Thuja! be-
freit und erst dadurch wieder reiz-
voll wurde.

Beinahe 1 km lang erstreckt sich
der Kehrwiederwall, immer abwechs-
lungsreich zur Stadtseite wie auch in
bunter Folge dessen, was die weite
Landschaft bis hin zu den bewal-
deten Flöhen bietet. Von der Höhe
des Walles herab führen schmale
lauschige Pfade in den Grund, den
früheren Wallgraben. Unter weitaus-
ladenden Ästen spielen die Kinder
in völlig staubfreier, sicherer Umge-
bung. Als Fortsetzung des Platzes Abb. 8. Hildesheim: Platz am Renatabrunnen,

unter den Kastanien schließt sich ein

ist als ob sprühende Wasserfälle über die Hänge
sich ergössen. Und später kommen Unmengen blühender
Holunder im Duft wetteifernd mit den Linden und
den Rosen. Das ist ganz besonders herrlich. Was
wäre aus solchen Hängen geworden, wenn sie der land-
schaftlichen Gartenkunst zum Opfer gefallen wären?

Vom Kehrwiederwall führt der Weg hinein in die
Promenade der Sedanstraße. Im Gegensatz zu den
sonstigen Schmuckteilen um Hildesheim ist hier Wall
und Graben ausgeebnet und darauf eine Prachtstraße
errichtet worden. Mit gutem Verständnis ist die Aus-
gestaltung erfolgt. Eine mächtige
Platanenallee überdacht den Mittel-
weg, Rasenbahnen folgen zur Seite1
zu den Fahrdämmen mit Hecke und
mit einerReiheLinden abgeschlossen.
(Bild 7-) Prächtig wirkt die Per-
spektive der über 700 Meter langen
Prachtstraße, die ein Beweis dafür
ist, wie mit den einfachsten Mitteln
die besten Wirkungen erzielt werden.

Am Beginn der Sedanstraße in
der Achse der Platanenallee steht der
Renatabrunnen, dem Dichter Julius
Wolff von einem Hildesheimer Ver-
ehrer gesetzt und mit einem festge-
fügten pflanzlichen Rahmen umgeben
(Bild 8). Der erhöhte Brunnenplatz
lädt zur Rast ein, um dem Plätschern
der Wasserstrahlen zu lauschen und
das Bild der Rasenbahnen und der
Baumgänge zu bewundern. Um die
Fichtengruppe zieht sich eineTaxus-
Abb. 9. Hildesheim: Das Staudenbeet um den Renatabrunnen im Spätsommer. hecke, vor der im frühesten Früh-

fichtenumsäumter Weg an, die Promenade der Kinder-
wagen, weil hier die Luft besonders würzig ist (Bild 6).

Die Durchblicke auf den Hang des Kehrwieder-
walles zeigen dort ein geradezu ideales Vogelschutz-
gehölz von solcher Dichte und schwieriger Zugänglich-
keit, daß in der Tat ein vielhundertstimmiges Vogel-
konzert allmorgendlich dort sich anhebt. Ganz be-
kannte und „gemeine“ Straucharten sind es, die über
die Wallabhänge sich dicht verflochten haben: Schlehen,
Weißdorn, Holunder, Bocksdorn, Wildrosen. Welch
ein Bild, wenn die Crataegus monogyna blühen! Es
 
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