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Gensel, Julius; Preller, Friedrich [Ill.]
Friedrich Preller d. Ä. — Künstler-Monographien, Band 69: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.74630#0099
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idealen Gestaltungen in Leben, Kunst und Poesie ebenfalls einen natürlichen Boden
Hatten, und eine junge geographische Wissenschaft zeigt uns die eigentümlichen Formen
dieses Bodens auf und lehrt seinen Zusammenhang mit dem Geiste des Volks und
seiner Geschichte. Auf dem künstlerischen Gebiete nehmen die Prellerschen Odyssee-Bilder
diesen Standpunkt ein; sie betonen neben den Handlungen der Götter und der Menschen,
deren zauberhafte Schönheit ihnen deshalb nicht verborgen bleibt, die wundervolle
Natur, in welcher jenes göttlich-menschliche Leben sich entfaltet, ja sie betonen vor-
herrschend das Landschaftliche; aber keineswegs mit dem Anspruch, in ihm die
Physiognomie irgendeiner bestimmten wirklichen Gegend so wiederzugeben, wie sie etwa
dem Reisenden, welcher durch den engen Pfad zwischen Scylla und Charybdis oder
an Ithakas Gestaden jetzt vorüberfährt, erscheinen mag, sondern in jenem höheren


Abb. 95. Sonnenaufgang bei Helgoland. Photogr. Von Kemlein, nach der Sepiazeichnung. (Zu Seite 87.)

Sinne des landschaftlichen Idealismus, dem sich Natur und Menschendasein zum Aus-
druck einer einzigen Idee zusammenschließen und der sich da die höchsten Ziele weiß,
wo aus beiden gemeinsam sich ein Ganzes von ewig menschlicher Größe und All-
gemeingültigkeit gestaltet. Ein solches aber sind uns die Gesänge Homers und werden
es sein, solange Menschenherzen schlagen. Und insbesondere ist die Odyssee der Quell
für diese aus Natur und Geschichte schöpfende Kunst. Das märchenhafte Helldunkel,
das über die reiche Folge landschaftlicher Bilder, an denen die Irrfahrten des Odysseus
vorüberführen, hingegossen ist, kann dem Künstler nur willkommen sein, denn es muß
die Phantasie herausfordern, mit den idealen Gestalten, welche der epische Dichter und
die bildende Kunst in unübertrefflich plastischer Vollendung darbieten, eine gleich be-
deutsame, gleich ideale Natur zu einem Ganzen harmonisch zu verbinden. In diesem
Sinne hat Preller in der Tat seine Aufgabe erfaßt/'
Am 5. Mai brachten die „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten
 
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