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Jetzt wurde noch der Palast der Kirke mit Hermes und Odysseus im Vorder-
gründe zu einem Breitenbild mit prächtiger Gartenlandschaft umgeschaffen. „Da ich
nun /'schreibt Preller der Freundin am 6. Januar, „aufs Dutzend gekommen, will
ich vorderhand abschließen und die zwei noch fehlenden auf gelegene Stunden ver-
schieben." Zugleich kündigt er für die zweite Hälfte des Monats den schon länger
in Aussicht genommenen Besuch in Berlin an, fragt, ob sich damit eine Ausstellung
der Kartone verbinden lasse, und spricht die Absicht aus, das ganze Werk zu der für
den Sommer bevorstehenden großen Münchner Ausstellung zu schicken, „vorausgesetzt,
daß Kartone Eintritt erhalten". Der Verkehr in dem erlesenen Kreis, in den ihn
Frau Storch einführte, gewährte ihm hohe Befriedigung, die in feinen nachherigen
Briefen widerklingt. Für seine Kunst fand er Verständnis in einem Maße, wie er
es nicht erwartet hatte. Am meisten zog ihn Lübke an. „Die Verbindung mit Lübke,"
schreibt er dankbar an die Freundin, „ist ein Lichtpunkt in meinem Leben, den ich,
wenngleich er sehr spät erschienen, zu schätzen weiß, und den zu schauen ich mich
glücklich Preise ... Lübke ist der erste Mann, der ein Verständnis meines Wollens
hat, und Sie können wohl begreifen, daß es mir Freude macht, wenn ich fühle, daß
Abb. 105. Aktstudie zur Leukothea. (Zu Seite 98.)
ich nicht ganz umsonst heiße Tage und Nächte verbracht habe." Aber auch in den
Museen verlebte Preller genuß- und lehrreiche Stunden, besonders unter den antiken
Bildwerken. Über alles begeisterte ihn die Venus von Melos, von der er die Büste
der Freundin verdankte und jetzt noch eine kleine Nachbildung der ganzen Figur für
sein Studium erwarb. „Mir gehört es zum Leben, von Schönheit umgeben zu sein ...
Wird auf dem Stern, den ich nach dem Tode beziehe, auch Kunst getrieben, so werde ich
Bildhauer, und da hoffe ich Besseres zu vollbringen als auf unserer sonst schönen Erde."
Die Kartone wurden bei dieser Gelegenheit in der Betteschen Anstalt photo-
graphiert. Bis zum April waren auch die beiden rückständigen vollendet worden:
der Eingang zur Unterwelt und Athene, die dem vom Schlummer erwachten Helden
die Heimat entschleiert. Anfangs Mai reiste Preller wieder nach Karlsbad, vorher
wurden die vierzehn Kartone, dazu noch zwei mit Seestürmen aus dem Besitz des
Großherzogs, nach München abgesandt.
Später kamen aber zu der Reihenfolge von vierzehn Landschaften noch zwei er-
gänzend hinzu, die nachmals mit jenen für die Nationalgalerie in Berlin erworben
wurden: Odysseus und die Seinigen bei der Abfahrt von der Insel Polyphems, der
ihnen voll Grimms ein Felsstück nachschleudert (die Jahrzahl ist im Katalog irrtümlich
mit 1854 wiedergegeben, das Bild ist keinesfalls früher als im Herbst 1858 ent-
standen), und Kirke, die Genossen des Odysseus in Schweine verwandelnd.
Jetzt wurde noch der Palast der Kirke mit Hermes und Odysseus im Vorder-
gründe zu einem Breitenbild mit prächtiger Gartenlandschaft umgeschaffen. „Da ich
nun /'schreibt Preller der Freundin am 6. Januar, „aufs Dutzend gekommen, will
ich vorderhand abschließen und die zwei noch fehlenden auf gelegene Stunden ver-
schieben." Zugleich kündigt er für die zweite Hälfte des Monats den schon länger
in Aussicht genommenen Besuch in Berlin an, fragt, ob sich damit eine Ausstellung
der Kartone verbinden lasse, und spricht die Absicht aus, das ganze Werk zu der für
den Sommer bevorstehenden großen Münchner Ausstellung zu schicken, „vorausgesetzt,
daß Kartone Eintritt erhalten". Der Verkehr in dem erlesenen Kreis, in den ihn
Frau Storch einführte, gewährte ihm hohe Befriedigung, die in feinen nachherigen
Briefen widerklingt. Für seine Kunst fand er Verständnis in einem Maße, wie er
es nicht erwartet hatte. Am meisten zog ihn Lübke an. „Die Verbindung mit Lübke,"
schreibt er dankbar an die Freundin, „ist ein Lichtpunkt in meinem Leben, den ich,
wenngleich er sehr spät erschienen, zu schätzen weiß, und den zu schauen ich mich
glücklich Preise ... Lübke ist der erste Mann, der ein Verständnis meines Wollens
hat, und Sie können wohl begreifen, daß es mir Freude macht, wenn ich fühle, daß
Abb. 105. Aktstudie zur Leukothea. (Zu Seite 98.)
ich nicht ganz umsonst heiße Tage und Nächte verbracht habe." Aber auch in den
Museen verlebte Preller genuß- und lehrreiche Stunden, besonders unter den antiken
Bildwerken. Über alles begeisterte ihn die Venus von Melos, von der er die Büste
der Freundin verdankte und jetzt noch eine kleine Nachbildung der ganzen Figur für
sein Studium erwarb. „Mir gehört es zum Leben, von Schönheit umgeben zu sein ...
Wird auf dem Stern, den ich nach dem Tode beziehe, auch Kunst getrieben, so werde ich
Bildhauer, und da hoffe ich Besseres zu vollbringen als auf unserer sonst schönen Erde."
Die Kartone wurden bei dieser Gelegenheit in der Betteschen Anstalt photo-
graphiert. Bis zum April waren auch die beiden rückständigen vollendet worden:
der Eingang zur Unterwelt und Athene, die dem vom Schlummer erwachten Helden
die Heimat entschleiert. Anfangs Mai reiste Preller wieder nach Karlsbad, vorher
wurden die vierzehn Kartone, dazu noch zwei mit Seestürmen aus dem Besitz des
Großherzogs, nach München abgesandt.
Später kamen aber zu der Reihenfolge von vierzehn Landschaften noch zwei er-
gänzend hinzu, die nachmals mit jenen für die Nationalgalerie in Berlin erworben
wurden: Odysseus und die Seinigen bei der Abfahrt von der Insel Polyphems, der
ihnen voll Grimms ein Felsstück nachschleudert (die Jahrzahl ist im Katalog irrtümlich
mit 1854 wiedergegeben, das Bild ist keinesfalls früher als im Herbst 1858 ent-
standen), und Kirke, die Genossen des Odysseus in Schweine verwandelnd.