16
auf der sich alles Weitere leicht aufbauen lasse. Wem sich in der menschlichen Gestalt,
als der Krone der Schöpfung, die Schönheit, d. h. das harmonische Ebenmaß aller
Teile unter sich und im Verhältnis zum Ganzen, einmal erschlossen habe, dem Werde
sie auch in Tieren und Pflanzen, in der Landschaft, in der Architektur offenbar und
verständlich werden. Anderseits werde man es auch dem Landschaftsbilde leicht an-
merken, wenn seinem Schöpfer diese Grundlage fehle.
Im Malen förderte ihn Vas Kopieren in verjüngtem Maßftabe nach Rubens,
defsen gewaltiger Geist, reiche Phantasie und blühende Farbe ihn vor anderen anzogen,
und nach Van Dyck. An diesen erinnert in der Feinheit der Farbentönung ein Bildnis,
das Preller in jener Zeit von dem ihm befreundeten Maler Van Roy gemalt hat.
An dieser Stelle mag eine Bleistiftskizze zu diesem Bilde Platz finden (Abb. 5).
Am Schlüsse der Prüfung wurden die Besten jedesmal vor einer geladenen Ver-
sammlung, an der die ersten Familien der Stadt teilnahmen, gekrönt — eine Ein-
richtung, der Preller die frühe technische Reife der jungen Leute, aber auch den Mangel
an idealem Streben zuschrieb.
Abb. 1t. Buonaventura Genelli. Bleistiftskizze 1838.
(Zu Seite 32.)
Uber die von den Schülern gefertigten Kopien alter Bilder hatte sich der Direktor
die Verfügung Vorbehalten. Um nun doch etwas nach Hause schicken zu können, wagte
sich Preller wieder an eine eigne Komposition. Abermals ein Stück Volksleben: ein
Bärenführer mit seinem Gefolge, von Zuschauern umgeben. Das Bild befindet sich jetzt
im Großherzoglichen Museum zu Weimar; Kanzler von Müller sah es Sonntag den
9. Januar 1825 bei Goethe und bezeichnete es als wohlgelungen. Ich gebe hier das
weniger leicht zugängliche, flott gemalte Studienblatt wieder (Abb. 6).
Später schickte Preller noch ein zweites kleineres Bild nach Weimar: Gretchen am
Spinnrad. Dieses behielt der Großherzog für sich. Jahrzehntelang hat es im Schloß
gehangen, jetzt hat mir niemand sagen könen, wo es hingekommen ist. Für unseren
Künstler Hatte dieses Bild eine besondere Bedeutung: das Mädchen, das ihm dazu
gesessen, hatte sein Herz gewonnen, und er hatte sich mit ihr verlobt. Marie war
die Tochter des Schiffskapi-
täns Mathias Erichsen, der
aus Flensburg nach Ant-
werpen verzogen war. Ihn
Hatte Preller nur flüchtig
kennen gelernt, jetzt war er
auf einer längeren See-
reise begriffen. Die Mut-
ter machte ihre Einwilligung
zu dem Bündnis von der
seinen abhängig, ließ es sich
aber gefallen, daß sie der
junge Künstler, der durch
sein offenes, treuherziges
Wesen und durch seinen
Fleiß und seine Begeiste-
rung für die Kunst bald ihr
Vertrauen gewonnen hatte,
schon jetzt Mutter nannte.
Mit der Heirat Hatte es
noch gute Weile; Marie
(geb. im März 1811) war
noch ein halbes Kind, und
der junge Verlobte mußte
noch sehr viel lernen; dazu
war ihm aber die Ver-
lobung ein kräftiger Sporn.
auf der sich alles Weitere leicht aufbauen lasse. Wem sich in der menschlichen Gestalt,
als der Krone der Schöpfung, die Schönheit, d. h. das harmonische Ebenmaß aller
Teile unter sich und im Verhältnis zum Ganzen, einmal erschlossen habe, dem Werde
sie auch in Tieren und Pflanzen, in der Landschaft, in der Architektur offenbar und
verständlich werden. Anderseits werde man es auch dem Landschaftsbilde leicht an-
merken, wenn seinem Schöpfer diese Grundlage fehle.
Im Malen förderte ihn Vas Kopieren in verjüngtem Maßftabe nach Rubens,
defsen gewaltiger Geist, reiche Phantasie und blühende Farbe ihn vor anderen anzogen,
und nach Van Dyck. An diesen erinnert in der Feinheit der Farbentönung ein Bildnis,
das Preller in jener Zeit von dem ihm befreundeten Maler Van Roy gemalt hat.
An dieser Stelle mag eine Bleistiftskizze zu diesem Bilde Platz finden (Abb. 5).
Am Schlüsse der Prüfung wurden die Besten jedesmal vor einer geladenen Ver-
sammlung, an der die ersten Familien der Stadt teilnahmen, gekrönt — eine Ein-
richtung, der Preller die frühe technische Reife der jungen Leute, aber auch den Mangel
an idealem Streben zuschrieb.
Abb. 1t. Buonaventura Genelli. Bleistiftskizze 1838.
(Zu Seite 32.)
Uber die von den Schülern gefertigten Kopien alter Bilder hatte sich der Direktor
die Verfügung Vorbehalten. Um nun doch etwas nach Hause schicken zu können, wagte
sich Preller wieder an eine eigne Komposition. Abermals ein Stück Volksleben: ein
Bärenführer mit seinem Gefolge, von Zuschauern umgeben. Das Bild befindet sich jetzt
im Großherzoglichen Museum zu Weimar; Kanzler von Müller sah es Sonntag den
9. Januar 1825 bei Goethe und bezeichnete es als wohlgelungen. Ich gebe hier das
weniger leicht zugängliche, flott gemalte Studienblatt wieder (Abb. 6).
Später schickte Preller noch ein zweites kleineres Bild nach Weimar: Gretchen am
Spinnrad. Dieses behielt der Großherzog für sich. Jahrzehntelang hat es im Schloß
gehangen, jetzt hat mir niemand sagen könen, wo es hingekommen ist. Für unseren
Künstler Hatte dieses Bild eine besondere Bedeutung: das Mädchen, das ihm dazu
gesessen, hatte sein Herz gewonnen, und er hatte sich mit ihr verlobt. Marie war
die Tochter des Schiffskapi-
täns Mathias Erichsen, der
aus Flensburg nach Ant-
werpen verzogen war. Ihn
Hatte Preller nur flüchtig
kennen gelernt, jetzt war er
auf einer längeren See-
reise begriffen. Die Mut-
ter machte ihre Einwilligung
zu dem Bündnis von der
seinen abhängig, ließ es sich
aber gefallen, daß sie der
junge Künstler, der durch
sein offenes, treuherziges
Wesen und durch seinen
Fleiß und seine Begeiste-
rung für die Kunst bald ihr
Vertrauen gewonnen hatte,
schon jetzt Mutter nannte.
Mit der Heirat Hatte es
noch gute Weile; Marie
(geb. im März 1811) war
noch ein halbes Kind, und
der junge Verlobte mußte
noch sehr viel lernen; dazu
war ihm aber die Ver-
lobung ein kräftiger Sporn.