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Gerstenberg, Kurt
Ideen zu einer Kunstgeographie Europas — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 48/​49: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.61188#0016
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chenland im Mittelalter die Kunst prägt und über den
Balkan vordringt, um sich über Rußland zu ergießen.
Von Nordwesten dringt bis tief nach Ungarn die lom-
bardische Ornamentik des romanischen Stils. Genauer
ausgedrückt: die Regensburger Bauschule reicht in ihren
Wirkungen über Nieder-Österreich, Ungarn nach Sieben-
bürgen. Bis Kaschau fiel ein reiner Strahl der inter-
nationalen Hochgotik, bis dorthin gelangte Villard de
Honnecourt. Die Vorpostenstellung deutscher Kunst in
Siebenbürgen erhielt sozusagen ihre Ablösungen immer
wieder von der fränkischen Kunst. Über den tiefen
Bogen der transsylvanisch-karpathischen Alpenkette
drang nordwestliche Kunst nicht südöstlich hinaus. Die
ursprüngliche Baukunst der russischen Holzkirchen
wurde durch die byzantinische Welle gründlich ver-
ändert. Nur einige slavische Völker, besonders die Slo-
vaken, die zwischen Böhmen-Schlesien im Norden und
Ungarn im Süden eingekeilt saßen, wurden nicht davon
berührt. Sie haben die russische Bauart in Grundriß
und Aufbau, der immer mit dem Zeltdach abschließt,
länger rein bewahrt. Über ganz Rußland aber ver-
breiteten sich die Steinkirchen mit Kuppelräumen des
kleinasiatisch-byzantinischen Stils1. Das weite Rußland
wurde von diesem Kirchenstil überwogt, der nach Ungarn
nicht hineindrang. Der Gebirgsbogen der Karpathen
bewährte sich als Staudamm2.
Als die großen Mischbecken der Kunst haben sich
immer wieder die Tiefebenen erwiesen. Hier lenkt von
vielen Seiten das Interesse seinen Lichtschein darauf,

1 Graf Uvarov, Über die Architektur der ersten Holzkirchen in Rußland, vgl.
Blomstedt und Sucksdorff, Karelische Gebäude und Ornameutmotive, Helsingfors
1900, S. 144.
2 Die Bedeutung des Altaigebirges als nördliche Grenzlinie für eine entwicklungs-
geschichtlich entscheidende Kunstzone kann aus Strzygowskis großzügiger Altai-
Iranhvpothese gefolgert werden, geht aber über den Rahmen dieser auf Europa
eingestellten Betrachtung hinaus.

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