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Gottsched, Johann Christoph [Hrsg.]; Gesellschaft der Freyen Künste <Leipzig> [Hrsg.]
Sammlung einiger ausgesuchten Stücke der Gesellschaft der Freyen Künste zu Leipzig — 1.1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.25957#0274
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XIX. Nutzen der freym Künste. 249

Werk hochgeschähet, seinen Meister aber verachtet ; das
Geschöpfe bewundert, auf seinen Schöpfer aber wenig ge-
sehen; die Schrifren mit vielem Gelde bezahlet, ihre Ver-
fasser aber darben lasten? Ich zweiste zwar nicht, daß wir
nicht unter einer so großen Menge sowohl griechischer als
römischer Dichter, Weltweisen, Geschichtschreiber, Red-
ner, Sprachsorschcr, und so weiter, einige stnden sollten, die
eine ihren Verdiensten gemäße Vergeltung erhalten haben:
allein ich getraue mir mit eben so gutem Grunde behaupten zu
können, daß die Anzahl solcher, denen man diese Gerech-
tigkeü nicht wiederfahren lasten, ungleich größer sey: ja
man würde der Wahrheit nicht zu nah treten, wenn man
dießfalls spräche, es wären gerade die sthlechtesten, und
witdenen das Alterthum am wenigsten prangen könnte,die es
am reichlichsten belohnt hätte. Wo lieset man, daß ein
geistreicher Homer, ein göttlicher pindar, eine zärtliche
Sappho, ein erhabener Virgil, ein reizender Dvid,
und ich muß noch eine viel größere Anzahl solcher Meister
in der Dichtkunst übergehen, so viele königliche Belohnun-
gen eingeärntet; als ein ungeschickter Chörilus durch seine
rauhen und abgeschmackten Verse, bey dem großen Schüler
des scharfstnnigen Aristotels stch erwarb ? Und eben das
Glück, daS einen gewifsen Hicrno durch ein nichtöbe-
deutendes Sinngedicht bis zum Throne erhob, hatte stch
kein Dances und petrarcha, kein Nonsard und Mal^
herbe, und auch unter unsern Landesleuten kein Gpitz,
Dach und LlennniitI zu versprechen. Die Geschichte ha-
ben uns zwar ganz ansehnliche Geschenkc aufbehalten, wo-
mit jsllacen und Auglist, Dirgils und Horazes Musen
beehrten: allein, so groß auch diese immer seyn mochten;
so kommen ste doch, in Vergleichung dieser großen Geister,
mit einer Anzahl schlechter Glückwünschungsdichter und
Schmäuchler, den Belohnungen derselben nicht gleich.
Ja man könnte -ieses für die allergrößte Wohlthat für die
erstern ansehen, daß die rächende Zeit ihre Schriften bis
auf uns gebracht; und uns hingegen jener Namen durch

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