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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 2.1880

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Berggruen, Oscar: Die vervielfältigenden Künste auf der Pariser Weltausstellung 1878, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4148#0021
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H
nach seinem eigenen berühmten Aquarellbildc ausgeführtes grosses Porträt Richard Wagner's, publicirt und wir
gewinnen durch diese reizvollen Arbeiten, die auch das Genre umfassen, einen noch viel stärkeren Eindruck
von den hervorragenden Qualitäten der Radirungen des genannten Meisters. Das Entgegenkommen des uns
befreundeten Hauses Goupil, dem wir hiemit unseren verbindlichsten Dank aussprechen, setzt uns in die erfreuliche
Lage, eines der Blätter Herkomer's, die Studie „Ein Weib aus Wales", vorlegen zu können; unsere Leser werden
darnach selbst ermessen, welch' werthvolle Bereicherung ihrer Mappen den Sammlern moderner Radirungen durch
die Arbeiten Herkomer's erwachsen ist. Unsere vorstehende Illustration, ein von dem k. k. militär-geographifc-hen
Inftitutc unter sehr starker Reduktion angefertigter Lichtkupferstich, verdient in technischer Beziehung besondere
Aufmerksamkeit. Dass es möglich war, eineRadirung, bei der die Farbe eine Hauptrolle spielt, auf heliographischem
Wege überhaupt zu reproduciren und mit geringer Nachhilfe von der Hand eines Stechers ein so schönes Blatt wie
unsere Illustration herzusteilen, zeigt deutlich, wie gross die Sphäre der Anwendbarkeit dieses Verfahrens ist, das
sich in der letzten Zeit so sehr vervollkommnet hat und ohne Zweifel noch weitere Fortsehritte machen wird.
Die anderen englischen Aquafortisten produciren fast ausschliesslich landsehaftliche Veduten, die manchmal
mit der Architektur in Verbindung treten, und landsehastliche Stimmungsbilder. So hat J. H. Bradley, ein meist in
Italien lebender Künstler, zwei Architekturbildcr aus Venedig und eine englischc Landschaft ausgestellt, deren
breite, farbige, charakteristische Behandlung angenehm auffiel. Von Edwin Edwards waren zwei effektvolle Blätter
zu sehen: „London von der Höhe des Observatoriums gesehen" mit dem bezeichnenden Motto: „Fumum et opes
strepitumque", dann eine Ansicht der in der Herstellung begrisfenen Blackfriars-Brücke zu London. Das erstere
Blatt ist auf eine coloristischeMassenwirkung berechnet, der zu Liebe der Vordergrund in ein gar zu undurchdringliches
Dunkel getaucht wurde; das letztere hingegen weist eine zarte, feine Behandlung nach Art einer Federzeichnung
auf, welche bei schöner, klarer Gesammtstimmung alle Details äusserst scharf hervortreten lässt. Mehrere reizende
Stimmungsbilder bot A. Evcrslied in seinen theils radirten, theils bloss mit kalter Nadel („Pointe seche") ausge-
führten, auf der Themse aufgenommenen landsehaftlichen Veduten. Schärfer und energischer als Eversked, aber
auch trockener, wenngleich nicht minder stimmungsvoll, behandelt J. P. Heseltine die Landschaft seiner Heimat.
Der geschätzte Künstler hat uns durch die freundliche Ueberlassung eines seiner schönen Landschaftsbilder:
„Prestwick Farm" zu lebhaftem Danke verpflichtet. Kräftig, breit und coloristisch höchst wirksam sind die Arbeiten
von Seymour Haden, von dem leider bloss ein dem Original besonders adäquat radirtes Blatt nach Turner: „Der
Hafendamm von Calais", dann eine lebendige Original-Radirung: „Die Zerlegung des Schiffes ,Agamemnon' im
Jahre 1870" ausgestellt waren. Fein empfunden und technisch gut behandelt waren zwei Radirungen des Malers
und Aquarellisten R. W. Macbeth nach seinen eigenen, in echt englischem Geiste gehaltenen Genrebildern: „Aufruf
zur Feldarbeit in Lincolnshire" und „Kartoffelernte in Lincolnshire". Eine schöne farbige Wirkung bei vortresssicher
technischer Behandlung erzielten auch zwei genrehafte Original-Radirungen des Aquarellisten S. Palmer: „Der
Morgen des Lebens" und „Der Arbeiter". So war der Eindruck, den die englischen Radirungen hervorbrachten,
ein durchaus günstiger, obsehon lange nicht alle in Thätigkeit slehenden Künstler vertreten waren und selbst die
austeilenden sich quantitativ eine bedauerliche Bescheidenheit auferlegt hatten.
Der englische Holzschnitt zeigt in erfreulicher Weise das Ueberhandnehmen der künstlerischen Richtung, in
welcher Deutschland vorangegangen ist. Seitdem Thomas Bewick, der Begründer der modernen Technik des
Holzschnittes, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den sogenannten Tonschnitt eingeführt hat, welcher
die kalte, glatte Eleganz des Stahlstiches nachzuahmen sich bestrebt, ist diese unkünstlerische, weil der Natur der
Holzschnitt-Technik widerstrebende Manier in England sehr beliebt gewesen. Auch heute noch wird sie selbst von
den besten illustrirten Journalen Englands häufig angewendet, namentlich bei Porträts und jenen sentimentalen genre-
haften Paradeslücken, welche keine ihr Publicum kennende Redaclion den Weihnachts- und sonstigen Fest-Nummern
beizulegen unterlässt. Im Gegensatze hiezu wird nun auch in England die vornehmlich in Deutschland zur Geltung
gelangte freie und malerische Zeichnungsmanier, vermöge welcher der Holzsehneider das Original durch eine der
Radirung sich ausfallend nähernde Strichführung treu zu reproduciren bemüht ist, eultivirt; ja wir finden nun auch in
England ganz tresssiche Arbeiten in der künstlerisch freiesten und werthvollsten Holzschnitt-Manier : in dem soge-
nannten Facsimile-Schnitt. Dem englischen Holzschnitt kommt es hiebei wie dem deutsehen zu Statten, dass die
bedeutendsten Künstler des Landes es mit Recht nicht unter ihrer Würde halten, die Vorzeichnung für den Stock
zu liefern; wie hier ein Menzel, so steht dort ein Herkomer in der Reihe der Zeichner zu xylographischen Zwecken
Die ausgestellten Blatter von W. H. Hooper und Dalziel, ausschliesslich Buchillustrationen, sind durchwegs in der
Zeichnungsmanier kräftig und farbig geschnitten; künstlerisch höher stehen jedoch die sorgfältigen Arbeiten von
 
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