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Seine künstlerische Thätigkeit in Paris, wo Willmann (ich von 1845 bis zum Ausbruch des deutschen Krieges
im Jahre 1870 aufhielt, hatte er mit einem Cyclus landschastlicher Compositionen zu Beranger's Liedern begonnen.
Als Stecher trat er erst auf der Weltausstellung von 1855 mit einer meisterhaft auf Stahl gestochenen Ansicht der
Stadt Havana mit dem Hafen auf, die von ihm nach bruchstückweise aufgenommenen Photographien so geschickt
componirt war, dass Alexander von Humboldt briessich die Schönheit der Arbeit rühmte und Willmann's Ernennung
zum Ritter des rothen Adlerordens „als Anerkennung einer glänzenden Schöpfung deutseher Kunst" erwirkte.
Den Salon von 1857 beschickte er mit der überall verbreiteten, ebenfalls auf Stahl gestochenen schönen Ansicht
von Heidelberg, die er nach seiner eigenen Aufnahme anfertigte und erhielt dafür die Medaille 3. Classe. Im Jahre
1861 stellte er im Salon die berühmte Ansicht von Paris aus der Vogelperspeitive, das Resultat vieljähriger Studien,
aus; die Platte wurde von der Chalcographie du Louvre erworben und brachte ihm eine Medaille 2. Classe. Dcr
Salon des Jahres 1862 enthielt seine Ansicht von Baden-Baden, der von 1863 ein Thierstück nach Defportes „Folie et
Mitte, chiennes de Louis XIV", für die er das Kreuz der Ehrenlegion erhielt; im Salon von 1865 kam seine Ansicht
von Freiburg und 1869 die von Stuttgart zur Ausstellung. Die Stadt Paris ertheilte ihm um diese Zeit den ehren-
vollen Auftrag, zwei Deckengemälde von Leon Cogniet im Rathhause, griechische Landschaften mit Stasfage, zu
stechen, dessen er sich in glänzender Weise entledigte. Eine zweite Platte nach Defportes: „Diane et Blonde,
chiennes de Louis XIV" wurde, wie zuvor die erste, nach Willmann'slod für die Chalcographie du Louvre angekaust.
Der Verbindung des Künstlers mit dem bekannten Kunstverleger P. Kcefer verdankt eine Reihe der
bedeutendsten Arbeiten Willmann's ihre Entstehung. Abgesehen von der schönen Ansicht von Wien, welche
in den Verlag von H. O. Miethke übergegangen ist, sowie von den zwei reizenden Pendants „Im Frühling" nach
Knaus und „Im Herbst" nach C. van Camp, hat Willmann sür den Kafer'tehen Verlag eine ganze Reihe der
poetischen Landschaftsbilder Marak's meisterhaft gestochen; die Kraft und stimmungsvolle Behandlung der mit
Kohle gezeichneten Original-Cartons ist auf diesen Nachbildungen so glücklich erreicht, dass man sich eine con-
genialere Reproduktion gar nicht denken kann. Die „vier Jahreszeiten", die „vier Tageszeiten" und seine letzte
grosse Arbeit, äie zwölf Blätter nach dem Mar alt'schen Cyclus „Waldeinsamkeit", zu welchem Victor Scheffel einen
poetischen Text geschrieben, sind denn auch mit Recht äusserst populär geworden. Die Platten zur „Waldeinsamkeit"
hat der Künstler wohl vollendet und gedruckt gesehen, die zu Weihnachten 1877 erfolgte Ausgabe der schönen
Publication jedoch hat er leider nicht mehr erlebt, da ihn der frühe Tod schon am n. November 1877 ereilte.
Unsere Gesellschaft hat selbstverständlich nicht unterlassen, gleich nach ihrem Entstehen den tresflichen
Künstler in den Kreis ihrer künstlerischen Mitarbeiter zu ziehen, und konnte schon für das Vereinsjahr 1874 den
erwähnten Stich Willmann's „Das alte Athen" nach Josef Hoffmann herausgeben. Bald nach der Vollendung dieser
Arbeit wurde dem Künstler der Auftrag zu dem von uns gegenwärtig publicirten Blatte „Aus der Campagna"
nach dem in der grossherzoglichen Galerie zu Karlsruhe befindlichen Gemälde von Johann Wilhelm Schirmer
ertheilt; die Arbeit verzögerte sich jedoch zu unserem Leidwesen wegen der erwähnten grossen Aufträge Kcefer's
und blieb unvollendet. Glücklicherweise war aber die Platte so weit gediehen, dass es nur einiger geringer Nach-
arbeiten, denen L. H. Fifcher sich pietätvoll unterzog, bedurfte, um sie druckfertig zu machen. Dieses Blatt, in
welchem Willmann das edel stilisirte Original mit überaus feiner Nachempfindung wiedergegeben hat, können wir
als eine der gelungensten Arbeiten des Künstlers betrachten.
Willmann's Laufbahn war nicht nur an künstlerischen, sondern auch an äusseren Ehren und Erfolgen reich.
In Frankreich sind ihm, wie bereits erwähnt, alle staatlichen Auszeichnungen zu Theil geworden, die in diesem Lande
den Künstlern in so reichem Masse verliehen zu werden pflegen ; die ihm angebotene Direction der kaiserlichen
Kupferstichschule konnte er aber nicht annehmen, weil er ein Deutseher bleiben und sich nicht naturalisiren lassen
wollte. Dagegen übernahm er 1867 die Professur des Kupferstiches an der Kunstschule zu Karlsruhe, behielt jedoch
bis 1870 auch in Paris seine Wohnung und machte von der ihm von der französischen Regierung verliehenen
Reisekarte von der deutschen Grenze bis Paris sehr häufig Gebrauch; erst seit dem Kriege blieb er ganz in seiner
Vaterstadt. Der Grossherzog von Baden zeichnete ihn durch Verleihung des Titels „Hofkupferstecher" und des
Ordens vom Zähringer Löwen aus; das Ritterkreuz des württembergischen Friedrichs-Ordens hatte er schon 1868
erhalten. Willmann zählte zu den wenigen Künstlern, die Zeit ihres Lebens keine Gegner, sondern nur Freunde
und Anhänger finden; das „seltene Gleichgewicht seiner Gaben, die Harmonie seines äusseren und inneren Lebens
und seine echte Herzensgüte" haben dem Menschen ein freundliches Andenken ebenso gesichert, wie seine Werke
dem Künstler einen dauernden Platz in der deutschen Kunstgeschichte wahren.
Oskar Berggruen.
 
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