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Rubens' Lehrer, Otto Venitis, war, wie erwähnt, einer der Tonangeber in der zeitgenössischen
vornehmen Gelehrtenwelt. Die Literatur der „Emblemata" hat wohl kaum einen fruchtbareren
Schriftsteller aufzuweisen als ihn; „Emblemata Heroica", „Emblemata a Principibus", „Horatii Emble-
mata", „Amorum Emblemata", so lauteten die Titel einiger Werke, durch welche dieser Künstler in
Schrift und Bild sein Licht leuchten liess. Diese haben wohl auf den Schüler Rubens einen grossen
Einfluss geübt. Die Mythologie durchdrang sinnbildlich die gesammte Künstlersprache; statt Krieg
sagte man „Belloiia" oder „Mars", die Weisheit hiess „Minerva", das Meer nannte man „Neptun" und
machte auf diese Weise von der gesammten griechisch-römischen Fabellehre Gebrauch. Kein Wunder
daher, dass auch die künstlerische Ausdrucksweise von Rubens durch die Mythologie beherrscht wird.
Die Medici-Bilder sind voll von heidnischen Göttern und Göttinnen in symbolischer Beziehung: unter
den Augen von Jupiter und Juno spinnen die Parzen Maria von Medici's Lebensfaden; Lucina hilft sie in'die
Welt setzen; Minerva, Apoll und Mercur ertheilen ihr Unterricht; sogar in die Kirche, wo sie ihre
Vermählung feiert, dringt der heidnische Hymen und Heinrich IV. wird im Himmelreich nicht vom
heiligen Pförtner Petrus, sondern von Jupiter und Juno empfangen. Diese sonderbare und nicht immer
geschmackvolle Mischung von Geschichte und Götterfabel kann bei einem Künstler von der geistigen
Bedeutung unseres Meisters nicht anders erklärt werden, als durch die Gelegenheit, die sie ihm bot, seine
Darstellungen mit schönheitsvollen unbekleideten Körpern zu bereichern, wobei er mit Recht annahm,
dass der Reiz solcher Bilder den Beschauer über deren Unwahrscheinlichkeit hinweetäuschen werde.
Rttbens' achtjähriger Aufenthalt in Italien hat nicht wenig dazu beigetragen, ihn in der mytho-
loeischen Ausdrucksweise zu bestärken. So wie er nur den Fuss in die Paläste Vincenzo Gonzaras zu
Mantua setzte, fiel sein Auge überall auf mythologische Bilder. Der Palazzo del Te, welcher noch so
besteht wie Rubens ihn gesehen, war durch Giulio Romano mit herrlichen Darstellungen aus der alten
Götterwelt geschmückt worden. Dort sah Rubens die „Arbeiten des Herkules", wovon er eine, den
Löwenkampf, Zug für Zug nachbildete; dort entlehnte er das Satyrfest, welches wir aus van der
Wyngaerde's Stich kennen und sah die Liebesabenteuer Jupiters mit Olympia und Pasiphae; dort fand
er den Sturz Phaeton's und die Niederlage der Giganten — lauter Bilder mit überkräftigen, von
Fleischeslust erfüllten Formen, welche Rubens sich eigen machte. Im Palazzo Ducale zu Mantua,
namentlich in der „Sala di Troja", sah er jene herrlichen Darstellungen des genialen Raffael-Schülers,
in denen die homerischen Heldengeschichten und die griechischen Mythen so reizvoll mit einander
verwoben sind. Der Aufenthalt in Rom musste natürlich seine Voreingenommenheit für die mytho-
logisirende Kunst noch vergrössern. Er langte dort zu einer Zeit an, in welcher zwar die gewaltige
schöpferische Kraft, die ein Jahrhundert zuvor der Kunst neue und glänzende Bahnen eröffnet hatte,
schon zur Neige ging; allein die Vorliebe für die Antike, die in der Blüthezeit der italienischen Renaissance
entstanden war, wirkte damals noch fort und blieb selbst in der Epoche des völligen Verfalles der
italienischen Kunst noch das Beste der italienischen Cultur. In Rom sah Rubens den Apoll vom Belvedere,
den Laokoon, den farnesischen Herkules und alle die anderen Meisterwerke der Skulptur, sowie zahlreiche
Gemmen und Medaillen — Überreste der antiken Kunst, von denen er brieflich bemerkt hat, dass
er ihnen mit höchster Verehrung nachstrebe. Dort bemächtigte sich seiner die Liebhaberei an antiken
geschnittenen Steinen und Medaillen, die ihn Zeit seines Lebens nicht mehr verliess und auf seine
künstlerische Thätigkeit insoferne von Einfluss wurde, als sie ihm immer wieder neue Impulse zu
mythologischen Darstellungen gab.
Rubens lernte die antike Kunst nicht so sehr durch die ursprünglichen hellenischen Meisterwerke,
als durch die späteren römischen Nachbildungen kennen, in welchen Kraft und Bewegung an Stelle der
edlen, maassvoll gehaltenen Schönheit getreten waren. Sein eigener Genius stand von Hause aus der
4* (IL A.)
 
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