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Unter den Arbeiten national-russischer Aquafortisten waren die von N. J. Masfaloff"in Moskau am bemerkens-
werthesten. Das Werk dieses noch jungen Künstlers ist bereits ziemlich zahlreich — wir erwähnen insbesondere
seine „Meisterwerke der kaiserlichen Sammlung in der Eremitage zu Sanct-Petersburg", dann „Die Rembrandt der
Eremitage", ferner „Zehn Radirungen nach Rembrandt", schliesslich eine Reihe von Radirungen nach N. Schwartz,
N. E. Ratfchkoff und anderen russischen Malern — dennoch enthielt die Ausstellung bloss zwei Radirungen von
Massaloff nach einem Portrait Rembrandt's und nach dessen weltberühmtem, immer noch unter der falschen
Bezeichnung „Ronde de nuit" fast allgemein citirtem Hauptbilde aus dem „Trippenhuis" zu Amsterdam. Das
Blatt des russischen Aquafortisten hielt dem gefährlichen Vergleiche mit zwei anderen ausgestellten Radirungen
nach dem letztgenannten Gemälde, von denen die eine Flameng's, die andere William Unger's Unterschrift trug,
wacker Stand; eine jede dieser drei Radirungen hatte ihre eigenen, theils in der Zeichnung, theils im Colorit
begründeten Vorzüge, so dass der Liebhaber sich schon entschliessen muss, die drei erwähnten Radirungen, dazu
aber auch die herrliche Lithographie von Mouilleron und den schönen Stich von J. W. Kaifer zu erwerben, wenn
er von dem Farbenzauber des Bildes soviel in seine Mappen einfangen will, als es gegenwärtig eben möglich ist.
Die Reproduktion Rembrandt'Tcher Werke ist überhaupt Maffaloff's starke Seite, was auch die beiliegende
wirkungsvolle Radirung nach dem Portrait eines alten Mannes aus der Dresdener Galerie erkennen lässt. Wir sind
dem Künstler für die Überlassung dieses bisher noch nicht veröffentlichten Blattes, das von seiner Technik einen
vortheilhaften Begriff gibt, zu lebhaftem Danke verpflichtet.
Zu unserer nicht geringen Überraschung fanden wir die Portraitradirung in der rusfischen Abtheilung gut
vertreten und auch die Maler-Radirung. V. A. Bobroff'm Sancl-Petersburg hatte ein geistreiches, von einem recht
originell erfundenen und graziös radirten, mit dem Portraitmedaillon der Gattin des Künstlers gezierten Rahmen
eingefasstes Selbstportrait ausgestellt, dann ein sehr hübseh als Studie behandeltes Bildniss eines Knaben. Das nach
der Natur radirte, geistreich und malerisch durchgeführte Portrait des Grossfürst-Thronfolgers von Russland von
J. N. Kramskoi in San6l-Petersburg wurde ebenfalls viel beachtet. Ziemlich gelungen waren die Original Radirungen
„Weib aus Finnland" von R. Ekmann in Helsingfors und ein Genrebild „Hunger und Dürst" von C. A. Savitzki
in Dünaburg; ungleich bedeutender jedoch präsentirte sich die Suite von Original-Radirungen, welche J. Schifchkin
in San6l-Petersburg zur Ausstellung gebracht hatte. Dieser Künstler ist ein echter Poet mit der Radirnadel und
seine landsehaftlichen Stimmungsbilder aus verschiedenen Gegenden Russlands sind so wahr und reizvoll, dass man
sein ganzes weites Vaterland durch solche Illustrationen kennen lernen möchte. Vielleicht entschliesst sich Schifchkin,
ein Werk mit radirten Illustrationen über Russland in der Weise herauszugeben, wie der ihm künstlerisch nahe
verwandte Maler-Radirer Storm van S'Gravefand es bezüglich Hollands gethan.
Schliesslich dürfen wir den tüchtigen, an französischen Vorbildern geschulten Xylographen G. Matthe in Sancl-
Petersburg nicht mit Stillschweigen übergehen. Er ist mit zwei trefflich gezeichneten und malerisch behandelten
Holzschnitten nach Studienköpfen des bereits verstorbenen hoch begabten und originellen Malers Ivanoff:
„Sanst Andreas" und „Johannes der Täufer" hervorgetreten, welche Blätter ausser Zweifel stellen, dass der junge
Künstler zu schönen Leistungen auf dem Gebiete des Holzschnittes berufen ist, falls er auf dem glücklich betretenen
Wege wahrhaft künstlerischer Durchbildung seiner Arbeiten verbleibt.
 
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