Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SCHLOSS STERN.

Herausgegeben von der

K. K. CENTRAL-COMMISSION ZUR ERFORSCHUNG UND ERHALTUNG
DER KUNST- UND HISTORISCHEN DENKMALE.


Wien, k. k. Hos- und Staatsdruckerei 187g.
ICHMUCKLOS und schlicht erhebt sichvordenThoren der herrlich gelegenen„hundert-
thürmigen" Hauptstadt Böhmen's, inmitten eines parkartigen Gehölzes, neben welchem
die denkwürdige Schlacht „am weissen Berge" geschlagen ward, ein kleines in fechs-
eckiger Form seltsam erbautes und nach diefer Geftalt benanntes Schlots. Im Volks-
mund ging die Sage, dass Schlots Stern von König Georg Podiebrad zu Ehren seiner
Gemalin Kunigunde von Sternberg 1459 erbaut worden fei; allein diefer Annahme
widerfpricht schon die äussere Gestalt des bizarren Bauwerkes. Sein Inneres aber war
fchon seit Menfchengedenken für Jedermann unzugänglich, da das Schlofs der Kriegs-
verwaltung als Pulvermagazin diente. Erft die Ereignisfe des Jahres 1866 össneten die Pforten des die Neugierde
des Volkes wie das Intereffe der Kenner im hohen Grade erregenden Gebäudes, welches sich nun als eines der
originellften und reizvollften Monumente der vollendeten Renaisfance herausftellte. Unablässig waren feither die
Bemühungen des Präf.denten der „Central-Commifs.on zur Erforfchung und Erhaltung der Baudenkmale" dahin
gerichtet, Schlofs Stern feiner gefahrlichen Beftimmung, der es nach dem Kriege abermals überliefert worden war,
sür die Dauer zu entziehen; aber erft 1874 wurde diefes Ziel nach vielsachen Kämpfen mit der Kriegsverwaltung
erreicht. Der letzteren gebührt jedoch die anerkennende Erwähnung, dafs die feinen Stuck-Decorationen der
Decken, aufweichen der kunftlerifche Werth des Bauwerkes beruht, während der langen Benützung desfelben durch
die Soldaten nicht befchädigt worden find und fich heute in ihrer urfprünglichen Frifche dem Befchauer darbieten.
Seitdem das Schlofs feine kunftgefchmückten Räume geösfnet, befchäftigten fich Künftler und Kunftfreunde
eifrig mit diefem Monumente und desfen räthfelhafter Entftchung'. Zum Gluck gelang es alsbald dem verdienstvollen
Archivar Dr. David Schönherr in Innsbruck, über die Erbauung des Schlosfes Stern documentarifche Ausfchlüffe
zu entdecken2. Zwei im Statthalterei-Archiv zu Innsbruck aufgefundene Entwürfe zu Infchriften unter dem Titel:
„Epitaphium zum gülden flern im newen tiergarten zu Prag" bezeugen, dafs Erzherzog Ferdinand von Tyrol
als Statthalter seines kaiferlichen Vaters für die Jobliche cron Beheim" im Jahre i555 das Schlofs Jelbfl erdacht,
mit aigener hand abgemeffen und circulirt, den erßenßain in das Fundament gelegt, demfelben tverk den namen zum
Gulden Stern gegeben vnd damit geeret hat". Der Entwurf zu einer lateinifchen Infchrift befagt fogar: „Sola me
finxit fundato lapideprimo -Fernandi archiducis diva Minerva manus". So haben wir denn in dem kunstverständigen
und kunftbegeifterten Stister der Ambra/er- Sammlung nicht bloss den Erbauer, fondern auch den Architeften des
Schlosses Stern zu erblicken. Seine so ungewöhnliche Gestalt ist auf eine Laune des kenntnisreichen fürstlichen
Bauherrn zurückzusühren, der fich osfenbar verflicht sühlte, einem schwierigen architeöonischen Probleme nicht
bloss aus dem Papiere eine geometrifche Löfung zu geben, sondern auch in dauerhaftem Material eine greisbare.
Das Bauwerk war osfenbar zu einem Jagdschloss sür den Erzherzog bestimmt und gelangte nicht ganz zur
Vollendung, da der Erzherzog nach dem Aushören der Statthalterschast Böhmen verliess und an dem Schlösse,
das er nicht mehr benützen konnte, kein weiteres Interefse fand.
1 Vgl „Mittheilungen der Central-Commisfion zur Ersorschung und Erhaltung der Baudenkmale" (1867, S. V und 1868 S. XCI) und
Lübkes Betreibung in seiner „Geschichte der deutfehen Renaissance" ( S. 633 ff.). Auch ist eine vom rein architessoniCchen Standpunkte aus
entworfene, mit zahlreichen autographirten Detailausnahmen ausgestattete Monographie zu verzeichnen : „Schloss Stern bei Prag" vonPh Baum.
Leipzig, E. A. Seemann, 1876.
2 Vgl, Schönherr 's Ausfatz: „Erzherzog Ferdinand von Tyro l als ArchiteA" in Scheßag's ,hkepertorium", I, S. 2S fs.
 
Annotationen