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jedoch damals für den Kupferstich kein günstiger Boden, da das Publicum an der rasch in Mode
gekommenen Lithographie weit mehr Geschmack fand, und so gelangte Mandel in dem ganzen
Decennium von 1830—1839 nur dazu, ein Porträt und zwei Blätter nach modernen Meistern: „Der
Krieger mit seinem Kinde" nach Th. Hildebrandt, dann „die Lurley" nach C. Begas, letzteres für den
preussischen Kunstverein, zu stechen. Kein Wunder daher, dass sich der Blick des für sein Fach begei-
sterten Künstlers nach Paris richtete, wo Stecher wie Desnoyers, Dorfler und Henriquel-Dupont ihre
classischen Arbeiten in die Welt sendeten und wo die Leistungen des Grabstichels auch im grossen
Publicum mehr als anderwärts Kenner und Liebhaber fanden. Mandel, der 1837 Mitglied der Berliner
Akademie geworden war, entschloss sich, seine Familie für anderthalb Jahre zu verlassen, und ging nach
Paris, wo er mit den gefeierten Meistern seiner Kunst, insbesondere mit Henriquel-Dupont in lebhaften
und befruchtenden Verkehr trat. Seinem Pariser Aufenthalte entslammen zwei tresssiche Stiche aus dem
Jahre 1840: das mit grosser Feinheit gezeichnete Selbstporträt Van Dijck's aus dem Louvre und der
„Italienische Hirtenknabe" nach L. Pollack, ein koloristisch höchst wirksames, technisch meisterhaft
durchgeführtes Blatt. Diese Arbeiten trugen ihm 1841 in Paris eine Medaille zweiter Classe ein, nach-
dem er schon 1837 die der dritten Classe erhalten hatte; mit denselben beginnt die schaffensreiche
Periode der reifen Meisterschaft des Künstlers.
Nach Berlin zurückgekehrt, wurde Mandel 1842 zum Professor an der dortigen Kupferstichschule
ernannt und begann, nachdem er einige Blätter nach modernen Künstlern gestochen, sich vorzugsweise
der Reprodudtion der Werke alter Meister, namentlich RaffaeFs, zu widmen. Daneben liefen zahl-
reiche Arbeiten im Porträtfache, für das Mandel stets besondere Vorliebe besass, die sich auch darin
bekundet, dass zwei Porträtstiche zu seinen glänzendsten Leistungen zählen. Diese beiden Blätter:
„La Bella del Tiziano" aus Florenz und das Bildniss Karl's I. von van Dijck aus Dresden haben
solchen Anklang gefunden, dass der Name des Stechers vornehmlich durch sie auch ausserhalb des
Kreises der eigentlichen Liebhaber populär geworden ist. An die herrliche Schöne Tizians knüpft
sich für den Künstler eine schmerzliche Erinnerung: sie ist ein Denkmal der grossen Begabung seines
1865 in früher Jugend verdorbenen Sohnes Reinhold, welcher ausnahmsweise die Zeichnung für den
Stich unter der Leitung seines Vaters gemacht hatte, da Mandel sonst mit Recht einen Werth darauf
legt, die Zeichnungen zu seinen Arbeiten selbst anzufertigen. Dies ist namentlich der Fall bei seinen Blättern
nach Raffael, von denen MandePs Stich nach der „Madonna della Sedia" eine geradezu clasfische
Arbeit ist, wie denn in seinem Werke auch die übrigen Blätter nach dem grossen Sohn Urbino's: die
„Madonna Colonna", die „Madonna Panshanger", sowie das Jugendbildniss Raffael 's aus dem Louvre
eine hervorragende Stelle einnehmen und der Künstler noch gegenwärtig an keinem geringeren
Werke als an der Sixtinischen Madonna unausgesetzt thätig ist.
Die Schöpfungen der kirchlichen Kunst haben überhaupt auf den Künstler eine besondere
Anziehungskraft ausgeübt und wir begegnen unter seinen Stichen nach alten Meistern, von den
Bildnissen abgesehen, nur Vorlagen, welche dem erwähnten, an unvergänglichen Werken aus der
glänzendsten Kunstepoche so reichen Gebiete angehören. Die anmuthige „Madonna colle stelle" von
Carlo Dolci aus der Galerie zu Blenheim, die der Künstler 1848 nach einem von ihm selbst retouchirten
Aquarell vollendet hat, eröffnet die Reihe dieser Arbeiten; es folgen ausser den bereits genannten
Stichen ein „Ecce Homo" von Guido Reni aus der Dresdener Sammlung und eine „Mater dolorosa"
von Carlo Dolci aus der Galerie von Pommersfelde. Auch nach modernen Malern hat Mandel einige
kirchliche Bilder gestochen; so das schöne Blatt „Christus weint über Jerusalem" nach Ary Scheffer
und den „Anbetenden Engel" aus der Berliner Schlosskapelle von Adolph Henning. Alle diese Arbeiten
sind äusserst sorgfältig gezeichnet und zumeist mit glänzender, die grössten Schwierigkeiten spielend

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