Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Galeric Schack.
Thätigkeit wirkenden Manne, lachende Rebenhügel und lockende Städte und Burgen an seine Ufer
sammelt, ssiesst hier an der Grenze des Schweizerlandes mürrisch und reizlos einher, als befände er
sich in seinen Flegeljahren. Wie es trotzdem kam, dass die Gabe der Kunst in Böcklin's Familie
heimisch ward, ist schwer zu begreifen; noch weit ungewöhnlicher dünkt uns, dass sein Vater dem
künstlerischen Drange seines Sohnes nicht entgegentrat, sondern ungeachtet starker Vermögensverluste
Opfer brachte, um denselben 1846 nach Düsseldorf aus die damals so hoch angesehene Akademie zu
schicken. Dort schloss sich der Kunstjünger hauptsächlich dem Landsehafter Johann Wilhelm Schirmer
an, von dem er die stilisirende Richtung auf dem Gebiete der Landschaft überkam; zugleich machte
aber Böcklin in Düsseldorf zahlreiche und sorgfältige Naturstudien. Unmittelbarer Einfluss dieser
Lehrzeit ist in den Werken des Künstlers nicht zu entdecken; selbst seine „Romantik" ist von der
damals zu Düsseldorf gepflegten grundverschieden. Auf Schirmer's Rath begab sich Böcklin nach
Brüssel, um dort Colorit und Figurenmalerei zu lernen; glücklicher Weise trieb er diese Studien nicht an
der Akademie, sondern in der von Meisterwerken der niederländischen Schule erfüllten Galerie. Ausser
reichem geistigen Gewinn, dessen Bilanz wir später ziehen werden, verschaffte ihm das Copiren auch
die Mittel nach Paris zu gehen, wo er gerade zur Revolution von 1848 anlangte und die Gräueltage
des Juni-Aufstandes schaudernd miterlebte. Nach kurzem Aufenthalte im Louvre musste er nach Hause,
um seine Militärpflicht zu erfüllen und im März 1850 finden wir ihn in Rom, wo er zu Franz Dreber und
Feuerbach, den so früh dahino-eo-ang'enen hochbegabten Künstlern, in innige, wechselseitig- anregende
Beziehungen trat. Unberührt von der gemeinen Noth des Lebens — so oft das Geld ausging,
wurde rasch eine jener römischen Veduten gemalt, die am Corso die Liebhaber aus dem Inselreiche
locken — wandelte Böcklin auf dem klassischen Boden seine eigenen Pfade. Mochten auch Dreber
und Oswald Achenbach in Olevano, dem Mekka der nach Italien pilgernden deutsehen Landsehafter,
Studie über Studie nach der Natur fertigen und jene Schätze heimbringen, die nach Dreber's Tod
aus seinen Mappen schier unerschöpflich hervorkamen, Böcklin schweilte, durch das Beispiel seiner
Kunstgenossen nicht berührt, einsam in der Gegend umher, prägte sich, ohne Stift oder Pinsel in die
Hand zu nehmen, ihre Formen und Farben ein und malte am Ende, wie Pecht erzählt1, in seinem
Stübchen „ein frei componirtes, nur den allgemeinen Charakter der Gegend, diesen aber höchst
prägnant ja grandios wiedergebendes Bild".
Dass solch' eine nur nach Innen gerichtete Thätigkeit den Künstler in der Aussenwelt nicht
förderte, leuchtet ein; dennoch lud er sich mitten in arger Noth, einer momentanen Eingebung folgend,
die Sorgen des Familienvaters auf. Aber dafür entsehädigte ihn reichlich die Liebe Angelina's, der
armen Waise, die er 1853 zufällig gesehen und raschen Entschlusses zum Weibe genommen, und die
Ehe mit der schönen Römerin ist für den Künstler, aller Verschiedenheit von Race und Religion,
Sprache und Sitte zu Trotz, wahrhaft beglückend geworden. Jener Weltklugheit mancher geistiger
Arbeiter jedoch, mitunter selbst gegen die eigenste Überzeugung zu schaffen, was dem Zahlenden
genehm, hat sich Böcklin auch im Kampfe um den Lebensunterhalt seiner Familie nie gefügt und sich
so manches herbe Missgeschick zugezogen. Einen komischen Beigeschmack hat es, dass er in Rom sür
eine, in der Rolle einer Beschützerin der schönen Künste sich gefallende deutsehe Dame in Folge einer
allgemein gehaltenen Bestellungganz naiv die Entführung einer rosigen Nymphe durch einenbraunen Satyr
in der von antikem Geiste getragenen Weise der mythologischen Darstellungen von Rubens prächtig
schilderte und dabei natürlich eher an alles Andere dachte, als an die empfindsame Bestellerin, welche
das nicht einmal boudoirsähige Bild selbstverständlich mit Entsetzen zurückwies. In weit grössere

1 Friedrich Pecht: Deutsehe Künstler des 19. Jahrhunderts. Nördlingen, C H. Beck,
II

II. Reihe, S. 187.
 
Annotationen