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worden sei. Aber es umfasst den ganzen Menschengeist und desshalb enthüllt es immer neue Seiten, so oft ein
neuer künstlerischer Geist sich desselben bemächtigt. So tragen die Compositionen, welche Gabriel Max, der
tiefpoetisch'e Meister, zum „Faust" geschafsen, ein ganz eigenartiges Gepräge; der Zug zum Mystischen und
Dämonischen, ja zur Ekstase und Askese, den wir in fast allen Bildern von Gabriel Max bald in stärkerem bald in
schwächerem Grade finden, tritt uns auch in diesen Schöpfungen unverkennbar entgegen. Zugleich erscheinen sie
uns als Produkt einer ganz modernen, nachgoethe'schen Weltanschauung; den Ausdruck im Kopfe Mephisto's im
Augenblicke, da er die Worte spricht: „Verachte nur Vernunft und Wissenschaft!" konnte nur einer unserer Zeit-
genossen ersinnen, der die Philosophie eines Schopenhauer, eines Hartmann in sich angenommen. Leider ist der
bildnerische „Faust"-Commentar von Gabriel Max, so weit er verössentlicht wurde, nicht so umfassend, wie wir
Angesichts der Bedeutung der vorliegenden Compositionen wünschen; eine ganze Reihe von Szenen, namentlich
aus dem zweiten Theile des „Faust", die gerade in diesem Meister ihren congenialsten Interpreten gefunden haben
würden, harrt seiner Darstellung. Hosfentlich kommt Gabriel Max auf das Faustthema noch zurück, wenn er
gelegentlich die zahlreichen Skizzen wieder durchblickt, die er vor mehr als einem Jahrzehent entworfen und seither
leider unausgeführt gelassen hat.
Die publicirten zehn Blätter nehmen, abgesehen von ihrem geistigen Gehalte, unser lebhaftes Interesse auch
desshalb in Anspruch, weil sie die weitreichende Grenze der Leistungsfahigkeit des modernen deutschen Facsimile-
Holzschnittcs abstecken. Von Hause aus waren die Zeichnungen des Meisters offenbar für die Radirung im Geiste
Rembrandt's gedacht; dieselben durch den Holzschnitt zu reproduziren und jenes „ganz besonderen Saftes" der
Aquafortisten zu entrathen, aus dem magische Licht- und Farbenwirkungen bereitet werden, war ein gewaltiges
Wagestück. Hecht und Brend'amour haben dasselbe glänzend bestanden; ihre Blätter muss man in der Nähe
besehen, um sich zu vergewissern, dass man es nicht mit Radirungen zu thun hat. Dies bezeugt sogar das von uns,
Dank dem Entgegenkommen des Verlegers, unseren Lesern vorgeführte Bild, eine reizvolle Interpretation des wunder-
samen Doppelduo's in Martha's Garten, obschon auf diesem Blatt die Lichteffeste keine so bedeutende Rolle spielen
wie auf den meisten anderen. So bieten diese zehn „Faust"-Illustrationen in ihrer prächtigen und gediegenen
Ausstattung eine Quelle genussreicher Anregung, welche der geistvolle Commentar von Richard Gofclie insofern
vermehrt, als er auf die von dem Künstler reichlich ausgestreuten sinnigen Einzelheiten aufmerksam macht.

FRAUEN-LIEBE UND LEBEN,


Lieder-Cyclus von A. von Chamijfo, illustrirt von Paul Timmann
Leipzig, Adols Titze, 1880.
II. Aussage.
^f/IR haben erst vor Kurzem dieses Werk besprochen und dessen reizende Anlage sowie
stilvolle Durchführung nach Gebühr gewürdigt. Die besonders günstige Ausnahme,
welche dasselbe gefunden — binnen wenigen Wochen war die erste Aussage
vergrisfen — ist uns ein erfreulicher Beweis dafür, dass auch das grosse Publikum
eine von rein künstlerischen Gesichtspunkten ausgehende Publication nach ihrem
Werthe zu beurtheilen und sich für dieselbe lebhaft zu interessiren vermag. Der
neuen Auflage wird ohne Zweifel ein gleich wohlwollender Empfang zu Theil
werden; umsomehr, als ihr die Ersetzung eines der früheren Blätter durch ein neu componirtes entschieden zum
Vortheil gereicht. Dank dem freundlichen Entgegenkommen des Verlegers sind wir in der Lage, dieses neue
Blatt, eine Illustration zu den Worten des Dichters: „Ich kann's nicht fassen, nicht glauben!" vorzuführen, sowie
eine der allerliebsten Vignetten, welche wir zur Decoration des Initial-Buchstaben verwenden konnten.
 
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