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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Editor]
Die Graphischen Künste — 12.1889

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Die fch'öne Simonetta von Sandro Botticelli.

hellen Fleifchtheile deckt er mit den zarteften Punkten

Zweifel herrfchen. Man fehe doch nur die Hand an — fie
gibt, nebenbei gefagt, allen Schwätzern, welche Rembrandt’s
geringes Gefchick im Malen von Händen behaupten, eine
Ohrfeige,— ob fie nicht unmittelbar nach dem Leben wieder-
gegeben wurde und ob fie nicht zum Kopfe vollkommen
ftimmt? Der letztere erinnert an die echten Saskiaporträte.
Doch zeigt er auch fo viel Abweichendes, dafs man die
Kränklichkeit der Frau, während fie gemalt wurde, zur Er-
klärung anrufen mufste. Der Kopf befitzt aber nicht einen
kränklichen, fondern nur einen gealterten Charakter; auch
fpricht nicht Trübfinn, fondern eine wenn auch gemeffene
Heiterkeit aus dem lächelnden Munde. Noch ein Umftand
bleibt zu bedenken. Ift es pfychologifch wahrfcheinlich,
dafs Rembrandt feine verdorbene Frau mit reichem Putze
fchmückte, dabei aber doch die Züge aus ihren letzten,
von Krankheit geplagten Tagen beibehielt? Leife Zweifel
an der Richtigkeit der Namengebung laffen fich nicht leicht
überwinden. Immerhin bleibt das Werk eine der fchönften
malerifchen Schöpfungen des Meifters. Auch Unger’s Ra-
dirung befitzt zwar nichts Geheimnifsvolles, aber doch
überrafchende Züge, zeigt dabei felbftverftändlich die alte
Meifterfchaft in der Handhabung der Nadel. Wir irren wohl
nicht in der Annahme, dafs der Künftler fich diesmal die
weiterte Ausbildung des malerifchen Elementes als Ziel
fleckte und vor allem den weichen Ton, die an das Farbige
rtreifende Gefammtwirkung bei feiner Arbeit anftrebte. Die
und Strichen; die dunkleren Stellen wurden einer wieder-

holten Behandlung mit Ätzwaffer und Nadel unterworfen. Man darf die Radirung nicht in unmittelbarrter Nähe
betrachten. Da erinnert fie etwas an die Photogravure; in der richtigen Entfernung gibt fie den Charakter des
Originals trefflich wieder. Von der Waltner’fchen Richtung, welche auch bei deutfchen Stechern grofsen Beifall
fand, unterfcheidet fich die Unger’fche Radirung zu ihrem Vortheil durch die forgfältige Zeichnung. Der zweite
Wiener Künftler, W. Hecht, ift in der vorliegenden Lieferung durch zwei Blätter, das Porträt des Tyman Oosdorp
nach Fr. Hals und die bewegte See nach Jacob Ruisdael, vertreten. Dafs die Wirkung des auch im Original breit
behandelten Kopfes eine glänzendere ift, als jene der Landfchaft, hängt mit der grofsen Schwierigkeit zufammen,
welche die Reproduktion der Schaumwellen im Vordergründe mit den blofsen Mitteln der Schwarz-weifskunft
bietet. Schon die Malerei hat Mühe, durch leicht geworfene Glanzlichter das Auf- und Niederwogen, den ewigen
Flufs anfchaulich zu geftalten; im Stiche kann eine gewiffe fefte Körperlichkeit der Welle kaum vermieden werden.
Meiftervoll ift das Spiel der Wetterwolken und das grelle Sonnenlicht, welches den Mittelgrund trifft, wiedergegeben.
Eine dankbare Aufgabe löste L. Schulz in der Radirung des Marktplatzes .in Pirna nach Bern. Canaletto. Während
über der Hälfte des Marktes hellfter Sonnenfchein lagert, werfen die Häufer der anderen Seite ftarke Schlagfchatten
auf den Platz. Hier ift von keinen verwickelten Lichtwirkungen die Rede, hier gilt es nicht, feine Tonftimmungen,
reichen Farbenfchmelz oder den geheimnifsvollen Zauber des Helldunkels nachzubilden. Die klare, fcharfe Weife
Canalettos, feine überaus deutliche und genaue gegenftändliche Auffaffung erleichtert dem Stecher die Arbeit. Dem
letzteren ift es vortrefflich gelungen, die vollkommene Wahrheit und Treue der Auffaffung Canaletto’s in der
Radirung wiederzugeben.
Die alte italienifche Kunft ift durch das Blatt Krüger s nach der Verkündigung P. Pollaiuolo’s vertreten.
Gewöhnlich werden bei der Wiedergabe italienifcher Gemälde aus dem fünfzehnten Jahrhunderte die kräftigen
Töne vermieden, die klaren und fcharfen Linien bevorzugt. Es war ein glücklicher Griff, dafs Krüger unbekümmert
um doctrinäre Überlieferungen feine Radirung farbig fchuf, fo dafs man von Weitem ein niederländifches Werk
vermuthen könnte. Denn gerade darauf beruht die Bedeutung der Florentiner Tafelmaler aus dem letzten Viertel
des fünfzehnten Jahrhundertes, dafs fie nur die erhöhte Wirkungskraft der Farbe erkennen und nach einer fatten

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