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LEOPOLD FREIHERR VON WIESER.

Der 26. Juni war für unsere »Gesellschaft« ein Festtag seltenster Art. Der Obmann unseres
Verwaltungsrathes Seine Excellenz Leopold Freiherr von Wieser feierte an diesem Tage seinen
80. Geburtstag und es war ihm beschieden, den Tag in solch' herrlicher körperlicher und
geistiger Frische zu begehen, dass uns die Hoffnung lebt, noch lange in ihm das Haupt unserer
»Gesellschaft« verehren zu können, deren Schöpfer er dereinst gewesen und deren Erhalter wir ihn
bis heute nennen dürfen.
Im Jahre 1868 in den Vorstand des sogenannten älteren Kunstvereines berufen, erstand ihm
der Gedanke, dem Vereine ein individuelles, zukunftssicheres Arbeitsgebiet zu schasfen. Mit
sicherem Blick erkannte er in der vervielfältigenden Kunst dieses Gebiet, das ein förderndes
Eingreifen von aussen nicht nur erlaubte, sondern die Stütze einer kräftig organisirten Vielheit
geradezu dringend erheischte. So wurde er im Jahre 1871 der Gründer der »Gesellschaft«, die
seither unter seiner starken Führung in immer sich reicherund intensiver ausgestaltender Thätigkeit
nicht nur zu einem wichtigen Factor innerhalb des Kunstlebens unserer Heimat, sondern auch zu
anerkannter internationaler Bedeutung erwuchs.
Eine wundersame Vereinigung von Eigenschaften ermöglichte Freiherrn von Wieser so
ausserordentliche Erfolge. Eine nie versiegende Begeisterung für echte und lautere Kunst und
eine unerschöpfliche Thatkraft bilden die Grundlagen dieser starken Natur. So mächtig sind sie,
dass sie Begeisterung und Arbeitsfreude auch rings um sich her entzünden. Dazu aber ward ihm
eine Hand verliehen, die Leben schasft in dem, was sie berührt, eine gestaltende, aufpflanzende
Wirkungskraft, deren Walten nur gespürt, deren Wesen aber nicht näher bezeichnet werden kann.
Ein Theil davon spricht sich in einer unvergleichlichen Wandlungsfähigkeit aus, die uns als
ungebrochene Jugendlichkeit erquickend anweht. Sie ist es, die ihn noch im höchsten Alter zur
beständigen Fühlung mit dem modernen Leben lockt und seine Thätigkeit immer dorthin lenkt, wo
starke Quellen des Lebens fliessen und die Arbeit der Kunst seinen.

So sehr auch Seine Excellenz das Mögliche gethan zu haben schien, um sich für den Festtag
eine anspruchslose Zurückgezogenheit zu sichern, so konnte er doch nicht hindern, dass ihm
geradezu zahllose, verehrungsvolle Heilswünsche aus Nähe und Ferne an diesem Tage zuflogen.
 
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