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mit dem Bühnenkopf von Friederike Unger üben gerade durch den Gegensatz zwischen voll-
endeten und nur ganz flüchtig angelegten Partien ihren Zauber.

Nicht gleich stark reagiert Schadow auf seine Modelle. Am besten gelingen ihm die jungen
Frauen und Mädchen, wie er denn auch als Porträtbildhauer in weiblichen Büsten ganz Unver-
gleichliches geleistet hat. Man denke nur an die beiden Prinzessinnen. Der Schwierigkeit der Auf-
gabe war er sich voll bewußt; um so größere Mühe verwandte er, sie zu lösen. »Ähnlichkeit mit
Anmut zu vereinigen, in einen Moment den Reiz zusammenzufassen, der im Leben durch das
Beseelte, Bewegte, Mannigfaltige unendlich vieler Momente liegt, erfordert ein zartes Kunstgefühl
und einen, möchte ich fast sagen, an List grenzenden Beobachtungsgeist«. Aber nicht List noch

Delikatesse hätten ihn
so weit gefördert,
wenn nicht in ihm
selbst die starke Em-
pfindung für den sinn-
lichen Charme der
Frau gelebt hätte.
Nicht zum wenigsten
übte seine eigene Frau
diesen feinen eroti-
schen Reiz auf ihn
aus,derihnals Mensch
wie als Künstler gleich
fesselte; daher sie
denn am häufigsten
im Album erscheint.
Aber seine Liebe
machte ihn nicht un-
empfindsam gegen
andre, deren Koket-
terien ihm gefielen.
Und es steht nicht

manchmal nüchterne Sachlichkeit. Aber auch bei ihrer Charakteristik hat man stets das
Gefühl, daß der Schuß ins Schwarze getroffen. Die Jahre tun hier nichts zur Sache. Der alte
Prediger Langerhand mit Perücke gelingt ihm so gut wie der Rittmeister Rosenstrel mit seinem
aufgezwirbelten Schnurrbärtchen, der selbstbewußte Herr Bruder mit Zylinder, Frack und spani-
schem Rohr genau wie der genialische Louis Catel mit seinem Revolutionskopf.

Schwächer sind die Kinderbildnisse. Das Unbestimmte der Formen, die Unstätheit des Aus-
drucks bereiteten ihm Schwierigkeiten. Selbst bei den eigenen Kindern versagt die Sicherheit.
Aber wenn es ihm glückt, glückt es ihm auch ganz; dazu muß man nur das wässerige und zage
Porträt des kleinen Wilhelm mit dem eigensinnigen Ridolfo von 1793 vergleichen. Bei den Enkel-
kindern auf dem schön komponierten Familienbild des erwachsenen Wilhelm von 1826 zeigt
sich der Großvater auch in diesem Fach als sicherer Meister. Die trefflichen Büsten zweier früh
verstorbener eigener Kinder aus zweiter Ehe (ebenfalls im Besitz von Frau Professor Kaibel)
zeigen, wie der Bildhauer dem Zeichner vorangegangen ist.

Gottfried Schadow, Der Bildhauer Selvino.

Nach der Originalzeichnung

fest, daß Frau Ma-
rianne ihm seine Ver-
sicherung: »dans ce
cas on fait l'amoureux
sans l'etre« immer ge-
glaubt habe. Neben
den Koketten fessel-
ten ihn die Empfind-
samen, die namentlich
in den literarisch ge-
bildeten jüdischen
Kreisen Berlins den
Ton angaben und
derenRepräsentantin-
nen Henriette Herz
und Rahel geblieben
sind.

Mit geringerer
innerer Anteilnahme
steht er den Männern
gegenüber. Hier übt
er eine schlichte,

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