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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 32.1909

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Dodgson, Campbell: August John als Zeichner und Radierer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4231#0052
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AUGUSTUS JOHN ALS ZEICHNER UND

RADIERER.

Es ist eine schwierige, ja fast hoffnungslose Auf-
gabe, dem fremden Leser, der wenig oder gar nichts von
Augustus Johns Werken im Original gesehen hat, eine
Erklärung für die eigentümliche Stellung geben zu wollen,
die John unter den jungen Künstlern Englands einnimmt.
Die wenigen Beispiele seiner Kunst, deren Abbildungen
eine schriftstellerische Würdigung zu begleiten ver-
mögen, können nichts andres sein, als, mit D. S. Mac Colls
Worten zu reden, eine vom Zufall gebotene Handvoll.
Seine Zeichnungen sollten noch mehr als seine Radie-
rungen in großer Anzahl betrachtet werden. Er gehört
nicht zu denen, die mit ihrem kleinen Schatz von Ein-
gebungen und Motiven vorsichtig Haus halten und der

A. John. Selbstbildnis.

Nach der Originalradierung.

Welt nur die Ergebnisse reifer Einsicht und emsiger Arbeit
anvertrauen. Seine bewunderungswürdige Begabung
liegt in seiner unermüdlichen Tatkraft und seiner nimmer

ruhenden Frische für neue Eindrücke, er ist immer ebenso bereit aufzunehmen als auszugeben. Die
staunenswerte Schnelligkeit von Aug und Hand ist bei ihm zugleich eine Quelle von Kraft und von
Gefahr. Es gibt nichts, was er nicht machen kann, sagen seine eifrigen Verehrer. Wird er aber je etwas
andres schaffen, entgegnen andere, als diese endlosen Skizzen, diese Ideen für Kompositionen, diese
glänzenden Improvisationen? Wird er je sich auf eine große Arbeit konzentrieren und sie ganz zu Ende
führen? Ein größerer Auftrag für dekorative Freskomalerei wäre wohl die Gelegenheit, die er brauchte,
aber es ist wirklich selten, daß in England einem Künstler ein solcher Glücksfall begegnet. Solche
Gemälde, wie John sie ausstellt, legen es in der Regel mehr darauf an, einen möglichen Gönner
abzustoßen als ihn anzuziehen. Wir erinnern uns freilich auch an Erfolge, wie sie das Bildnis
Professor Mackays, ein »spanisches Blumenmädchen« und glänzend gemalte Szenen aus dem
Zigeunerleben gehabt haben. Ja, vor einigen Jahren wurde eines seiner Bilder, »Mutter und Kind«,
zum Gesprächsstoff in London; die Häßlichkeit des Kindes und die Roheit der Farbe ließen sich
ebensowenig ableugnen, wie die Kühnheit und die primitive, elementare Kraft des Gemäldes. Später
hat ihn die Neigung verfolgt, an Stelle dieser ultramodernen, streitbaren und unnachgiebigen
Stimmung an Karrikaturen grenzende Reminiszenzen an die Naivetät früherer Zeiten der Kunst
zu setzen. Seine Stilübungen in der Art der frühen toskanischen, ja selbst der frühen kretischen

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