trägt: »Zum Andenken an Fürstin Melanie M. von einem ergebenen Freund«. Und darunter
die französischen Verse:
»Et si de reussir je n'emporte le prix,
du moins aurai-je l'honneur de l'avoir entrepris.
Luzern, November 1847«.
*
Mit Recht hat man gesagt: das Porträt als Kunstleistung sei vielleicht die höchste
Schöpfung der bildenden Kunst, denn es habe die schwierigste Aufgabe, eine Idee des
Individuums darzustellen, also eigentlich einen Widerspruch in sich; der Porträtbildner soll in
einem Abbilde nicht eine momentane Darstellung des empirischen Charakters geben, sondern einen
Abglanz des intelligiblen Charakters vor die Augen des Beschauers stellen.' Aber nur die
ganz großen Künstler, wie Tizian, Rubens, Van Dyck, kommen dieser Forderung nach —
anderen gelingt es nur ausnahmsweise. So wird man in unserer Sammlung vielleicht nur auf
dem Bildnis des Bischofs Diepenbrock einen solchen Abglanz wahrnehmen; in den anderen
Porträten herrscht doch überall der empirische Charakter vor. Dieser wird nun allerdings auch
in erster Linie von etwas Individuellem, Persönlichem, von der Erbschaft, die ein jeder von
Eltern und Voreltern mitbekommen hat und von seinen inneren Erlebnissen abhängen, aber
auch die Umwelt, die Ideen und Konflikte der Zeit haben einen Anteil an ihm. Und so wird
gerade eine von Malern zweiten und dritten Ranges geschaffene Porträtgalerie, die uns in der
weitaus größeren Mehrzahl der Fälle den intelligiblen Charakter schuldig bleibt, ein reiches
Material zur Kenntnis eines Zeitalters liefern. Wer jemals im Lateranmuscum in Rom durch
den Saal geschritten ist, der mit realistisch ausgeführten Büsten zahlreicher Namenloser angefüllt
ist, dem werden gewiß ganz neue Lichter über die Menschen und das Leben jener Jahr-
hunderte, aus denen sie stammen, aufgegangen sein. Nichts ist nach dem Versenken in die
intimen Quellen der Geistesgeschichte einer Periode geeigneter, uns das Mitgefühl eines vergangenen
gesellschaftlichen Daseins zu geben, als die Antlitze der Menschen, die es gebildet haben.2
Eugen Guglia.
Ein Verzeichnis der Porträtsammlung der Fürstin Melanie Metternich bringt Heft IV der Mitteilungen der Gesellschaft
für vervielfältigende Kunst, 1917.
1 Erwin Rhode, Cogitata bei O. Crusius, >Er\vin Rhode. Ein biographischer Versuch« (1902). S. 292.
2 Berichtigung. Der Seite 91 verzeichnete Friedrich August von Sachsen ist irrtümlich unter den Prinzen aufgeführt, nach dem
Datum des Bildes (1841) stellt ihn dieses aber bereits als König dar, der er seit 1836 gewesen ist; er wäre also schon Seite 89 unter den kleinen
regierenden Fürsten zu nennen gewesen, 1797 geboren, ist er auch bedeutend älter als ihn das Bild darstellt.
die französischen Verse:
»Et si de reussir je n'emporte le prix,
du moins aurai-je l'honneur de l'avoir entrepris.
Luzern, November 1847«.
*
Mit Recht hat man gesagt: das Porträt als Kunstleistung sei vielleicht die höchste
Schöpfung der bildenden Kunst, denn es habe die schwierigste Aufgabe, eine Idee des
Individuums darzustellen, also eigentlich einen Widerspruch in sich; der Porträtbildner soll in
einem Abbilde nicht eine momentane Darstellung des empirischen Charakters geben, sondern einen
Abglanz des intelligiblen Charakters vor die Augen des Beschauers stellen.' Aber nur die
ganz großen Künstler, wie Tizian, Rubens, Van Dyck, kommen dieser Forderung nach —
anderen gelingt es nur ausnahmsweise. So wird man in unserer Sammlung vielleicht nur auf
dem Bildnis des Bischofs Diepenbrock einen solchen Abglanz wahrnehmen; in den anderen
Porträten herrscht doch überall der empirische Charakter vor. Dieser wird nun allerdings auch
in erster Linie von etwas Individuellem, Persönlichem, von der Erbschaft, die ein jeder von
Eltern und Voreltern mitbekommen hat und von seinen inneren Erlebnissen abhängen, aber
auch die Umwelt, die Ideen und Konflikte der Zeit haben einen Anteil an ihm. Und so wird
gerade eine von Malern zweiten und dritten Ranges geschaffene Porträtgalerie, die uns in der
weitaus größeren Mehrzahl der Fälle den intelligiblen Charakter schuldig bleibt, ein reiches
Material zur Kenntnis eines Zeitalters liefern. Wer jemals im Lateranmuscum in Rom durch
den Saal geschritten ist, der mit realistisch ausgeführten Büsten zahlreicher Namenloser angefüllt
ist, dem werden gewiß ganz neue Lichter über die Menschen und das Leben jener Jahr-
hunderte, aus denen sie stammen, aufgegangen sein. Nichts ist nach dem Versenken in die
intimen Quellen der Geistesgeschichte einer Periode geeigneter, uns das Mitgefühl eines vergangenen
gesellschaftlichen Daseins zu geben, als die Antlitze der Menschen, die es gebildet haben.2
Eugen Guglia.
Ein Verzeichnis der Porträtsammlung der Fürstin Melanie Metternich bringt Heft IV der Mitteilungen der Gesellschaft
für vervielfältigende Kunst, 1917.
1 Erwin Rhode, Cogitata bei O. Crusius, >Er\vin Rhode. Ein biographischer Versuch« (1902). S. 292.
2 Berichtigung. Der Seite 91 verzeichnete Friedrich August von Sachsen ist irrtümlich unter den Prinzen aufgeführt, nach dem
Datum des Bildes (1841) stellt ihn dieses aber bereits als König dar, der er seit 1836 gewesen ist; er wäre also schon Seite 89 unter den kleinen
regierenden Fürsten zu nennen gewesen, 1797 geboren, ist er auch bedeutend älter als ihn das Bild darstellt.