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Brandung unten auftaucht;
wieder ist am Waldhügel im
Hintergrund die Feder nach-
träglich spitz und emsig-
tätig, aber nun geht es dort-
hin schwunghaft zur Tiefe,
und vorn sind die lockeren,
formenklaren Gestalten auf-
gegangen in Gebärden, ver-
eint im fließenden Reigen. In
den Studien zu Mörikes
»Historie von der schönen
Lau«, wo der Bleistift ohne
die Nachhilfe der Feder auf-
tritt, zeigt er 1868 seine zu-
höchst entwickelte Fähig-
keit. Mit leichten schleiern-
den Strichen ist hier der voll-
reife Körper der Lau im Wohlgefühl seiner atmenden Ruhe, ist mit seitwärtigen Wendungen ihr ver-
schieden,immer seliglächelnderKopf aufsanmutigste angedeutet. Gegen dieselnnigkeit des Ausdrucks,
der nach echt Schwindscher Art die vermenschlichte, dennoch fremde und darum abgerückte Natur der
Frau wohl in acht nimmt, steht die herzhafte Frische der drallen,lachendenMagd, die in der Gesindestube
der Nymphe zuspricht, eine vorgebeugte Büste, gleich stark an Form und Lebendigkeit. Auf demselben
Blatt erscheint sie nochmals, nun aber in fast ganzer Figur, mit den beiden Mädchen hinter dem Tische,
eine Gruppe von neuer intimer Beweglichkeit, von neuem munteren Reiz. Schon diese feine Unter-
scheidung des schalkhaften Wesens bei der Lau und den Mägden zeigt — weitaus köstlicher als die
bekannten Radierungen und das Aquarell zur Historie — die Meisterschaft des Zeichners in solchen
poetischen Aufgaben der Illustration. Von dem zuletzt genanntenEntwurf für die Gruppe der drei Mädchen
führt gerade der Wegzu denBleistiftzeichnungen für eine Prachtausgabe von Mozarts »Don Juan«, die den
Künstler noch anfangs 1870 beschäftigt haben. Es sind Werke reinster Lust. Schon 1864 hatte Schwind
in einem Brief an Bernhard Schädel den Bericht über eine Arbeit, die eine Oper von Mozart betraf, mit
den Worten geschlossen: »Hiermit gloria in excelsis«. Jetzt ist er hoch ins Alter gekommen, aber dieser
»Lumpazi« macht ihn für eine Weile wieder jung. Während die beinahe gleichzeitigen Blätter zu den
Dramen Grillparzers, namentlich die zum »Goldenen Vlies«, nur flau geraten, kommen die Vorarbeiten
zum »Don Juan«lebendig und stilvoll von derHand. Es sind zumeist bewegte Gruppen, aberbühnenmäßig
bewegt, man singt und tanzt, die Blätter haben den Opernstil, der aus der leichten Zeichenweise der
Entwürfe seinen Vorteil zieht. Auch wo die Handlung tragisch wird, bleibt es Spiel, erhaben-schön, doch
unwirklich. Das zeigt ganz wunderbar das Blatt mit dem toten Komtur, über dessen Leiche Donna Anna
sich niederwirft, während die Dienerschaft auf der Treppe herbeieilt und Don Juan durchs Gartentor
abgeht. In diesem Blatt, das zu den herrlichsten Gaben unseres Meisters zählt, vereint sich die luftig
und schwungvoll geführte Szene mit den Gebärden der Figuren, die von dem schräg liegenden Toten
und dem stolz abgehenden Kavalier bis zur händeringenden Frau auf der Treppe die ganze Skala der
Empfindungen beschreiben und trotzdem edel bleiben, zu einer wahrhaft musikalischen Form, zu der
reinen Einheit: Mozart und Schwind. Max Eisler.

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