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DEUTSCHE HANDZEICHNUNGEN IN DER
BERLINER NATIONALGALERIE.

Das sogenannte Kronprinzenpalais am Opcrnplatz in Berlin, das 1919 dem Direktor der National-
galerie zur Erweiterung seiner Sammlungen überlassen wurde, diente seither nicht bloß der Be-
wahrung jüngster Kunst seit etwa 1900 — während die alte Nationalgalerie im wesentlichen die
Kunst des XIX. Jahrhunderts ausschließlich des Impressionismus enthielt— sondern auch den weit-
ausgreifenden Zwecken von Justis Kunstpolitik. Man hat heute andere Vorstellungen vom Sinn der
Museen als vor dem Kriege: aus ängstlich gehüteten Gefängnissen von Kunstwerken will man
populäre Vermittlungsstellen zwischen Volk und Kunst machen, und dazu gehört Beweglichkeit des

Besitzes und Mut zu Experimenten, nicht nurFührungen und Vorträge, vor allem auch Ausstellungen.
Deren hat sich insbesondere Justi angenommen und aus dem Kronprinzenpalais eine Stätte wert-
vollster Ergänzung der privaten Kunstsalons gemacht. Was diese nicht zeigen können oder wollen,
weil das Material aus repräsentativen Gründen nicht erhältlich ist, oder weil die Vorführung die
hohen Kosten nicht lohnt, das führt Justi in geschlossenen Ausstellungen dem Berliner und deutschen
Publikum vor. In einer Zeit, da man bei uns noch kaum ausländische Kunst zu sehen bekam, gab
es im Kronprinzenpalais Schweden, Italiener, Schweizer usw. zu sehen. Künstler wie Dix, Campen-
donk, Rohlfs, Nolde, L. Ury wurden mit vielen andern repräsentativ gezeigt, Retrospektiven ehrten
halbvergessene Künstler der Vergangenheit wie Rethel, Hummel, J. Hübner, Faber du Faure und
lehrten ganz neue Seiten an der deutschen Malerei des XIX. Jahrhunderts kennen; und unvergessen
sind von allen die großen Gedächtnisausstellungen, für die sogar die gesamten Stockwerke der
Xationalgalerie ausgeräumt wurden: die von Hans Thoma, Corinth und kürzlich Böcklin.

Inzwischen sollte der lange Jahre gehegte Wunsch nach einer zeitgemäßen und praktischen
Ausgestaltung des kleinen Palais am Opernplatz,endlich erfüllt werden; Heinrich Tessenow, der
1926 an die Technische Hochschule berufen war, erhielt den Auftrag dazu, den wohl keiner mit
so viel Pietät und Geschmack wie er erfüllen könnte, um aus den höfischen Prunkräumen des
XIX. Jahrhunderts durchaus taugliche Ausstellungsräume zu schaffen und doch den schönen älteren
Kern zu schonen. Aber wie das im staatlichen Baubetrieb üblich ist, gab es zwischen Beschluß und
Beginn des Umbaus eine Spannung von unbestimmter Zeitdauer; und Justi, der eben das Gesamt-
werk von Edvard Münch in sämtlichen Räumen des Kronprinzenpalais gezeigt und damit der säku-
laren Bedeutung des großen Norwegers einen wahrhaft monumentalen Ausdruck gegeben hatte,
benutzte diese Pause, um die von ihm während seiner Amtstätigkeit zusammengebrachten Hand-
zeichnungen deutscher Künstler auszustellen, da es sich nicht gelohnt hätte, die alte Ordnung
für eine vielleicht ganz kurze Zwischenzeit wiederherzustellen.1

1 Bisher ist leider noch immer nichts geschehen und gebaut worden!

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