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Glasenapp, Helmuth von
Die Literaturen Indiens: von ihren Anfängen bis zur Gegenwart — Stuttgart, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.51388#0128
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DAS RÄMÄYANA 10p
zum Teil Dinge von sehr wesentlicher Bedeutung, so nament-
lich die Herkunft Sitäs.
Während Välmiki von Sita nur berichtet, daß sie beim
Pflügen von Janaka in der Erde gefunden wurde, ihre Her-
kunft aber im Dunkel läßt, ist Sita in anderen Versionen eine
Tochter Rävanas, die ausgesetzt und von Janaka entdeckt und
erzogen wurde, der aber Rävana dann nachstellt; in einer
Fassung tritt sogar Rävana als Freier bei der Gattenwahl
Sitäs auf. Das Eigenartige an dieser und anderen Sagen, von
denen Välmiki nichts weiß, ist, daß sie sich nicht vereinzelt
bei einem Autor oder in einer Landschaft finden, sondern daß
sie sowohl in Kashmir, in Bengalen und Südindien wie in
Siam und Indonesien zu Hause sind. Der Umstand, daß sie so
weit verbreitet sind und daß sie mit anderen indischen Über-
lieferungen auch an die peripherischen Gebiete des indischen
Kulturkreises gelangten, macht es wahrscheinlich, daß sie
auf volkstümliche Traditionen zurückgehen, die neben der
Fassung der Rämasage, die uns Välmiki gibt, bestanden.
Sind diese Fassungen, weil sie uns in Werken erhalten sind,
die einer späteren Zeit angehören, darum jünger als Välmikis
Rämadichtung? Auf Grund seiner Untersuchung der benga-
lischen Rämäyanas kam schon Dinesh Chandra Sen zu dem
Schluß, daß Überheferungen existieren, welche auf eine
frühere Zeit zurückgehen als Välmikis Epos. Und Willem
Stutterheim, der dem Vergleich der verschiedenen Räma-
legenden eine eingehende Untersuchung gewidmet hat, kam
zu dem Urteil:
„Trotz des hohen Alters der Rämäyana-Fassungen, die unter dem
Namen Välmikis gehen, zögere ich nicht, der Rämalegende aus den
Volkssagen ein höheres Alter zuzuerkennen, wenn auch die Redak-
tionen, in denen wir diese kennengelernt haben, verhältnismäßig
jung sind. Die systematische Ausmerzung des Inzests zwischen
Rävana und Sitä auf alle mögliche Weise, ich möchte fast sagen,
mit allerlei Deckpflästerchen, ist ein sicherer Hinweis in dieser
Richtung.“
In der Tat, wenn man die verschiedenen Fassungen des
Epos vergleicht und sich dabei vergegenwärtigt, wie vieles
bei Välmiki unerklärlich bleibt, das in anderen Fassungen ver-
 
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