des Johannes auf dem Bilde der Kreuzigung so nahe verwandt sind,
scheinen fast beredter noch als der gespannte Ausdruck der in ihrer
Häßlichkeit fesselnden Züge. Auch die Frau ist alles andere als schön,
aber sie trägt einen energievollen Charakterkopf, und frei und groß sitzt
sie im Räume.
Wo mochte Cranach gelernt haben, ein Bildnis so anzuordnen? Dürer
hatte in Italien den neuen Stil der Menschendarstellung gefunden. Daß
auch Cranach den gleichen Weg über die Alpen gegangen sein sollte,
ist in hohem Grade unwahrscheinlich, denn abgesehen davon, daß kein
späteres Zeugnis von einer solchen Reise zu berichten weiß, deutet auch
keine Spur in seinem Werk auf eine frühe unmittelbare Berührung mit
südlicher Kunst. Wieder genügt es, auf die allgemeinen Voraussetzungen
der Zeit zu verweisen. Daß auch Anregungen von Dürer schon damals
ihn berührt haben, daß er Bildnisse wie das Selbstporträt von 1493 oder
andere der Art, die es geben mochte, zu Gesicht bekommen habe, ge-
hört keineswegs ins Reich des Unmöglichen. Aber die malerische Auf-
fassung, der weiche Schmelz der leuchtenden Farbe war sein Eigentum,
wenn es auch wieder nicht ganz an Gleichnissen fehlt. Denn jener merk-
würdige Dominikaneraltar des alten Holbein, der 1501 in Frankfurt am
Main entstand, zeigt, wie ein gleichgerichtetes Streben durch jene Zeit
ging, und wie ein Schatten taucht die Gestalt des Matthias Grünewald
hinter diesem Werke auf, die zuerst in dem Münchener Bilde der Ver-
spottung Christi in dem gleichen Jahre greifbare Form gewinnt, in dem
Cranach in Wien das Bildnis des Doktor Reuß malte. Daß schon da-
mals eine Berührung Cranachs mit Grünewald stattgefunden habe,
bleibt unwahrscheinlich, nicht nur, weil ihre Wege weit auseinander-
gingen, sondern weil trotz einer allgemeinen Verwandtschaft der Stil-
bildung doch von einer Beeinflussung des einen durch den andern nicht
die Rede sein kann.
Der Kreis der erhaltenen und bekannten Frühwerke, der Werke, die
der etwa dreißigjährige Cranach schuf, ist noch immer eng genug. Es
gibt eine Federzeichnung, die die Jahreszahl 1504 trägt und ein Liebes-
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scheinen fast beredter noch als der gespannte Ausdruck der in ihrer
Häßlichkeit fesselnden Züge. Auch die Frau ist alles andere als schön,
aber sie trägt einen energievollen Charakterkopf, und frei und groß sitzt
sie im Räume.
Wo mochte Cranach gelernt haben, ein Bildnis so anzuordnen? Dürer
hatte in Italien den neuen Stil der Menschendarstellung gefunden. Daß
auch Cranach den gleichen Weg über die Alpen gegangen sein sollte,
ist in hohem Grade unwahrscheinlich, denn abgesehen davon, daß kein
späteres Zeugnis von einer solchen Reise zu berichten weiß, deutet auch
keine Spur in seinem Werk auf eine frühe unmittelbare Berührung mit
südlicher Kunst. Wieder genügt es, auf die allgemeinen Voraussetzungen
der Zeit zu verweisen. Daß auch Anregungen von Dürer schon damals
ihn berührt haben, daß er Bildnisse wie das Selbstporträt von 1493 oder
andere der Art, die es geben mochte, zu Gesicht bekommen habe, ge-
hört keineswegs ins Reich des Unmöglichen. Aber die malerische Auf-
fassung, der weiche Schmelz der leuchtenden Farbe war sein Eigentum,
wenn es auch wieder nicht ganz an Gleichnissen fehlt. Denn jener merk-
würdige Dominikaneraltar des alten Holbein, der 1501 in Frankfurt am
Main entstand, zeigt, wie ein gleichgerichtetes Streben durch jene Zeit
ging, und wie ein Schatten taucht die Gestalt des Matthias Grünewald
hinter diesem Werke auf, die zuerst in dem Münchener Bilde der Ver-
spottung Christi in dem gleichen Jahre greifbare Form gewinnt, in dem
Cranach in Wien das Bildnis des Doktor Reuß malte. Daß schon da-
mals eine Berührung Cranachs mit Grünewald stattgefunden habe,
bleibt unwahrscheinlich, nicht nur, weil ihre Wege weit auseinander-
gingen, sondern weil trotz einer allgemeinen Verwandtschaft der Stil-
bildung doch von einer Beeinflussung des einen durch den andern nicht
die Rede sein kann.
Der Kreis der erhaltenen und bekannten Frühwerke, der Werke, die
der etwa dreißigjährige Cranach schuf, ist noch immer eng genug. Es
gibt eine Federzeichnung, die die Jahreszahl 1504 trägt und ein Liebes-
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