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Glaser, Curt [Editor]; Holbein, Hans [Ill.]
Hans Holbein d. J. - Zeichnungen — Berlin: Benno Schwabe & Co., Verlag, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.57123#0016
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Anlage vollendet den Eindruck geschlossener Bildmäßigkeit, der vom Zeichner
beabsichtigt war.
Man kann sich vorstellen, welche Wirkung Holbeins festliche Fassaden-
malerei in Basel geübt hat. Der Ruhm des jugendlichen Meisters war begründet.
Kein Zweifel, daß unter den Künstlern der Stadt ihm der Vorrang gebührte,
daß kaum irgendwo dieser Maler seinesgleichen fand. Aufträge fielen ihm zu.
Die Bemalung des Hauses zum Kaiserstuhl (13) scheint der des Hauses zum
Tanz rasch gefolgt zu sein, und als der Entschluß gefaßt wurde, den Groß-Rat-
Saal mit Wandbildern zu schmücken, traf mit Selbstverständlichkeit Holbein
die Wahl.
Die Örtlichkeit war wenig günstig, und Holbein scheint nicht die rechte
Freude an dem Werke gefunden zu haben. Die Kompositionen, von deren ein-
stiger Gestalt wenigstens eine eigenhändige Zeichnung (14) Zeugnis ablegt, ge-
hören nicht zu seinen glücklichsten Schöpfungen. Im Jahre 1522 wurde die
Arbeit abgebrochen, um erst viel später, nach der Rückkehr des Meisters aus
England, wieder aufgenommen zu werden.
In den acht Jahren, von 1519 bis 1526, die Holbein wesentlich in Basel
verbrachte, muß er eine außerordentlich umfangreiche Tätigkeit entfaltet haben.
Neben den großen Wandmalereien gingen kirchliche Aufträge einher, es ent-
standen Altartafeln, Orgeltüren, Scheibenrisse, die Buchdrucker bewarben sich
um Illustrationen von der Hand des berühmten Künstlers, zahlreich waren die
Zeichnungen für den Holzschnitt, und endlich nahmen Bildnisbestellungen die
Zeit des Vielbeschäftigten in Anspruch.
Von allen diesen Zweigen eines ausgebreiteten künstlerischen Schaffens
hat sich ein reichlicher Niederschlag auch in dem zeichnerischen Werke Hol-
beins erhalten. Den alten Themen der christlichen Kunst hat Holbein ihre letzte
und im Sinne der Zeit reifste Formulierung in Deutschland gegeben. Er hat
das Motiv der jungfräulichen Gottesmutter in mehreren schönen Helldunkel-
zeichnungen abgewandelt, deren bildmäßige Vollendung ihnen eine besondere
Stellung im Werke des Meisters sichert (8, 17). Es sind nicht Studienblätter,
sondern abgeschlossene Kunstwerke in der damals beliebten Manier weiß-
gehöhter Zeichnung auf farbig getöntem Grunde.
Zum erstenmale erhebt sich deutsche Kunst in diesen Schöpfungen zur
freien Reife klassischer Gestaltung. Wohl ist es Italien, das dem jugendlichen
Meister die Hand gelöst hat. Aber er wurde drunten nicht ein ängstlich nach-
bildender Schüler. Er war in der Anschauung der neuen Formenwelt auf-
gewachsen, und er fand in dem Beispiel der Fremde nichts anderes als die Be-
stätigung eigenen Wollens. Er brauchte nicht Entlehnungen einzelner Formen,

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