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lügend, der individuellen Verantwortung zuerst im Zeichen künst-
lerischer Schönheit ausgebildet, in den mächtigen Schöpfungen eines
Aeschylos.
Dichter und Philosophen führen die Reihe der ethischen Ent-
deckungen weiter, wie nach der Entdeckung Amerikas immer wieder
Neuland von kühnen Seefahrern gesichtet wurde.
Der Wert jeden neuen Fundes wird froh am Prüfstein der Schön-
heit gemessen.
Die übermäßig wuchernde Phantasie des Orients, das despotisch
regierte Ägypten konnten Götter und Volk nie ganz den Un-
geheuerlichkeiten der Tierheit entreißen.
Erst den nach Maß strebenden Griechen gelang es.
Aus dem furchtbaren Gott entwickelten hellenische Weisheit und
Kunst den schönen Gott. Nach unförmlichen Titanen kommen
formvollendete Olympier zur Herrschaft. Und dem Gehirn des
Mächtigsten unter diesen entspringt kühnbewehrt die Göttin der
Kulturarbeit: Athene. Sie blieb jungfräulich trotz der lockeren
Sitten des übrigen Olymps, denn sie bedeutet die Fruchtbarkeit des
Gedankens, der Arbeit, aller Künste des Krieges und des Friedens.
Wie sehr ihre Schirmherrschaft von den Gesetzen der Schönheit
abhängt, beweist die Geschichte, daß Pallas die Flöte von sich
warf, weil ihr das Spiel häßlich den Mund verzog.
Es ist nun sehr merkwürdig, daß gerade in Griechenland ein
herrlicher Denker, der selbst goldenen Dichtermund besaß, der
den Sieg der Pallas miterlebte und mitgenoß, — daß gerade
ein Platon zuerst und mit dem größten Nachdruck sich gegen
die Alleinherrschaft ästhetischen Wohlgefallens erklärte und die
Freude an der Kunst nicht zu den höchsten Instinkten des Daseins
rechnete.
Wahrscheinlich gab es schon in seiner Umgebung eng veranlagte
Ästheten, deren Freude an der Kunst nur Freude an der Virtuosität
war, an täuschend gemalten Trauben, zum Beispiel, und keine höhere
Freude. Sie sollten mit strengem Wort getroffen werden und mit
einem Spott bedacht, dessen feine Sicherheit wir heute nicht mehr
verstehen.
Manche Ironie Platons ist gewiß zu buchstäblich aufgefaßt worden
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