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Die Antwort ist einfach genug.
Ihre stolze Vornehmheit, ihr mitleidiges Lächeln dem Bösen gegen-
über ist für das Böse und Gemeine die unerträglichste aller Be-
leidigungen. Sie ist allen Götzen überlegen, sogar den Best-
gemachten, sogar jenen Götzen, die selbst Gute in Verblendung
verehren.
Den Gängelnden und Gegängelten, den zeitlichen Herrschern und
den ihnen knechtisch Ergebenen ist ihre reine Einfachheit natur-
gemäß verhaßt. Denn das Schönheitsevangelium hat sich feierlich
für die Freiheit erklärt. Nicht weil Unfreiheit als zeitliches Übel
wirkt, sondern weil sie der Seele des Menschen schädlich ist, weil
Knechte immer wieder Tyrannen und Tyrannen Knechte erzeugen,
die zusammen verderben.
Indessen das offizielle Christentum, dem großen Sinn seines Stifters ent-
gegen, bald den Fetischismus des Nationalgottes und Schlachtengottes
annahm, blieb die Schönheitslehre dieser groben Auffassung fremd,
verachtete den Zwang der Staatsgewalt und verstaatlichten Kirchen-
gewalt, wendete sich von Vorurteilen majestätisch ab, in denen sie
nur armselige Torheit und Unzulänglichkeit sah, eine ungetreue
Vormundschaft, die den Menschen nie mündig erklären will.
Inmitten einer immer grausameren Welt, die sich von Torheit zu
Torheit wälzte, wie sich der Kranke von einer Seite zur anderen
nur zu neuen Schmerzen wirft, hielt solche Schönheitslehre still im
Glauben an Freiheit und Freude, die ewige Geschenke der geliebten
Schönheit sind.
Als Herzschlag in jeder lebendigen Philosophie und Religion pocht
unablässig ihre Sehnsucht.

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