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Gleichen-Rußwurm, Alexander
Die Schönheit: ein Buch der Sehnsucht — Stuttgart: Verlag Julius Hoffmann, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.65310#0057
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Es hat das unsterbliche Verdienst, zum ersten- und mit diesem Ernst
einzigenmal in der europäischen Geschichte vom Staat Ethik und
Ästhetik zu fordern genau wie vom Individuum und zwar durchaus
praktisch den Geboten der Zweckmäßigkeit entsprechend. Es gründet
den majestätischen Begriff unweigerlichen Rechtes und setzt Treu
und Glauben ein.
Bona fides wird verlangt vom vir bonus und vom Staat, der aus
solchen tugendfesten, ehrenstolzen Männern bestehen soll. Die
bona fides erobert und hält fest, besser als die besten Legionen.
Der Staat, der sie als selbstverständlich eingesetzt hat, wird durch
dieses Ideal auch Fremden und Fernen, ja den Eroberten so ehr-
würdig, daß ein Stolz darin liegt, aussprechen zu dürfen: Ich bin
ein Römer (civis romanus sum).
Dieser Ehrwürdigkeit verdankte die Welt jene staunenswerte pax
romana, eine Jahrhunderte währende Friedenszeit. Weder vorher
noch nachher wurde der Erdkreis von einem solchen Frieden be-
glückt.
Wenn Aristoteles schon als Kriterium seiner Ethik und Ästhetik
angegeben hat: wie es die Besten, die Tugendhaften pflegen, wie es
sich ziemt, so festigt der Römer dieses etwas schwankende Wort
durch das strenge Gebot des Schicklichen, des decorum. Es schloß
die Männerwürde, die Bürgerwürde ein, wie sie etwa von jenen Greisen
geübt wurde, die der wilde Eroberer mit staunender Ehrfurcht auf
ihren kurulischen Stühlen ruhig thronen sah.
Der Begriff des decorum, der für Roms große Männer weittragende
Bedeutung hatte, drückt eine ästhetische Tugend aus. Nur den
besten Bürgern steht ein Urteil darüber zu. Das Decorum des
Römers ist kein äußerlich aufgesetzter Zierrat, etwa im Sinn des
Fremdworts dekorieren. Es ist ein Schmuck, der von innen heraus
zutage tritt, die Würde, die sich mit vornehmer Sicherheit verbindet.
Solche Würde macht den Einzelnen wie ein ganzes Volk liebens-
wert, indes die Anmaßung der Urgrund jeder Unbeliebtheit ist,
denn Anmaßung ist unsicher, schwankt zwischen barscher Hoffart
und plumper Zudringlichkeit. Der Anmaßende ärgert und kränkt
solange Alles um sich her, bis sich ein gefährlicher Haß gegen ihn
sammelt, der Würdevolle ist der Vertrauensmann, dem jeder gern
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